Wie dieses Buch aufgebaut ist
Teil I ist: Warum Achtsamkeit in der Schule wichtig ist. Achtsamkeit in der Schule ist nichts vollkommen Neues. Wir beginnen diese Reise mit einer Einführung in die großartige Arbeit, die auf diesem Gebiet bereits geleistet wird und in den unterschiedlichsten Formen an die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen weitergegeben wird. Dazu müssen wir zunächst einmal die Frage stellen, was Achtsamkeit eigentlich ist. Achtsamkeit hat trotz all ihren modernen Anwendungsformen uralte Wurzeln. Wir haben große Bemühungen unternommen, um die Auswirkungen dieser Praxis auf unseren Geist, unseren Körper und unser Herz durch neueste wissenschaftliche Untersuchungen zu beleuchten. Wir befassen uns damit, wie Achtsamkeit sowohl unsere Schüler als auch uns als Lehrer unterstützen kann.
In Teil II, Beginne bei Dir selbst, lernen wir, dass die eigene Achtsamkeit unumgänglich ist, wenn man Achtsamkeit lehren möchte. Daran führt kein Weg vorbei. Wenn Sie Vater, Mutter, Lehrer, Therapeut und einfach ein Mensch sind, in dessen Leben Kinder eine Rolle spielen, ist das größte Geschenk, das Sie ihnen machen können, Ihre eigene authentische Präsenz. In diesem Sinn ist dieser Abschnitt des Buches dazu gedacht, Ihnen die Kunst der Achtsamkeit nahezubringen, so dass Sie sie dann bei Ihren Schülern anwenden können. Selbst wenn Sie nur diesen Teil des Buches lesen, haben Sie die Möglichkeit Ihr Klassenzimmer zu wandeln. Wir beschäftigen uns auch mit einigen psychologischen Grundlagen, wie wir uns unser selbst bewusst wahrnehmen und Projektionen auf unsere Schüler vermeiden können. Danach lernen wir unseren Körper bewusst zu spüren, unsere Aufmerksamkeit zu fokussieren, Mitgefühl zu entwickeln und achtsam durch den Alltag zu gehen.
In Teil III, Ein achtsames Klassenzimmer schaffen, geht es darum, wie wir diese Lehre von einem inneren Ort des Mitgefühls und der achtsamen Präsenz aus in unser Klassenzimmer bringen können. Wir besprechen, was einen achtsamen Lehrer ausmacht und auf welche Weise wir unsere Praxis mit unseren Schülern anwenden können. Wir betrachten einige essentielle Bestandteile eines achtsamen Klassenzimmers, wie den Gesprächskreis, die Friedensecke und das gemeinsame Treffen von Klassenvereinbarungen.
Wir untersuchen verschiedene Herangehensweisen und die beste sprachliche Umsetzung, um die Inhalte für unterschiedliche Altersgruppen zugänglich zu machen. Wir beschäftigen uns mit der kulturellen Diversität und Integration und wie man Achtsamkeit in einer angemessenen und förderlichen Weise unterrichtet. Wir untersuchen, welche Auswirkungen Stress und Trauma auf die Schüler hat und wie man damit umgehen kann.
Im letzten Abschnitt, Teil IV, Ein Achtsamkeits-Curriculum, stelle ich eine Reihe von Stunden vor, die für unterschiedliche Settings geeignet sind. Wir lernen, wie man den Kindern verständlich macht, was Achtsamkeit ist und wie man die Stunden gestaltet. Diese Lektionen behandeln vier verschiedene Bereiche: Körperbewusstsein, Aufmerksamkeit, Herzensöffnung * * Orig. „heartfulness“ parallel zu „mindfulness“ – „Achtsamkeit“, leider lässt das Dt. diese schöne Parallelbildung nicht zu (Anm.d.Verl.).
und Verbundenheit – und können je nach Alters- und Bevölkerungsgruppe abgewandelt werden. Und schließlich lernen wir, wie man den Schülern dabei hilft, Achtsamkeit in ihren Alltag zu integrieren. Indem wir der Welt unsere Achtsamkeit und unser Mitgefühl entgegenbringen, leisten wir einen Beitrag zu der friedlichen Gesellschaft, nach der wir uns alle sehnen.
Dieses Buch ist eine Einladung zur Selbst-Erkundung; damit wir mit einem weit geöffneten Herzen erwachen für die Welt um uns und zum Wegbereiter für eine völlig neue Art des Seins werden. Ich lade Sie ein, sich mit mir zusammen mutig und engagiert auf den Weg der Hoffnung zu begeben.
*In den USA ist „K-12“ eine weit verbreitete, zusammenfassende Bezeichnung für den primären und sekundären Bildungsbereich Sie wird als „K through 12“ oder „K 12“ ausgesprochen und ist die Abkürzung für „Kindergarten bis 12. Schuljahr“ (Anm.d. Übers.).
*Orig. „heartfulness“ parallel zu „mindfulness“ – „Achtsamkeit“, leider lässt das Dt. diese schöne Parallelbildung nicht zu (Anm.d.Verl.).
Die achtsame Schule
Teil I
Warum Achtsamkeit in der Schule wichtig ist
Der Weg der Achtsamkeit
Beginnen wir unsere Erkundung der Achtsamkeit mit einem kleinen Experiment. Beobachten Sie einmal, wie Ihre Augen mit den Buchstaben dieses Textes beschäftigt sind, während Sie lesen. Halten Sie am Ende dieses Absatzes inne und versuchen Sie, die Buchstaben als einfache Formen wahrzunehmen, wie ein Baby, das die verschiedenen Formen voll Staunen durch seine Augen fließen lässt. Entspannen Sie Ihre Augen und Ihren Körper, nehmen Sie den Text wie ein Kunstwerk in sich auf und lösen Sie sich von dem Bedürfnis, den Worten eine Bedeutung beizumessen.
Machen Sie eine kleine Pause, sobald Sie diesen Absatz fertig gelesen haben und achten Sie auf die Geräusche, die Gerüche, die Temperatur um Sie herum, nehmen Sie das Pulsieren Ihres Körpers wahr, ohne diese Erfahrung auf irgendeine Weise zu benennen. Das Geräusch muss nicht als „Heizung“, der Geruch nicht mit „Pfannkuchen“ benannt werden. Schauen Sie, ob Sie die Sinneswelt um Sie herum ein paar Minuten lang einfach wie eine wunderschöne Sinfonie in sich aufnehmen können.
Um zu verstehen, was Achtsamkeit ist, muss man sie zunächst einmal am eigenen Leib erfahren. Wenn ich das erste Mal vor einer Klasse stehe, frage ich immer, ob irgend jemand schon von dieser „Achtsamkeit“ gehört hat. Ich möchte wissen, welche Vorstellung die Schüler davon haben. Früher hatten meine Studenten keine Ahnung, was Achtsamkeit ist. Wenn ich diese Frage heute stelle, gehen fast alle Hände nach oben. Die Antworten, die ich dann zu hören bekomme, reichen von Definitionen, die gut und gerne von einem Gelehrten stammen könnten bis zu: „Ist das nicht das, was Oprah macht?“ *
Nachdem ich mich vorgestellt habe und im Gegenzug ein wenig über meine Schüler erfahren habe, lade ich die Klasse ein, eine Minute lang in aufmerksamer Stille zu sitzen. Oft sind die Schüler danach erstaunt, sie sagen Dinge wie „Es war so still, ich glaube ich habe das Summen der Lampen gehört.“ Sie sind begeistert. Sie verbringen das ganze Jahr in diesem Klassenzimmer und haben dieses Geräusch direkt über ihren Köpfen noch nie wahrgenommen. Eine Minute Achtsamkeit und da ist es. Eine meiner Lieblingsübungen besteht darin, mit den Schülern zusammen, achtsam Rosinen zu essen. Die Kinder sagen, dass in diesem kleinen Bissen, so viel Geschmack steckt, wie in einer ganzen Wassermelone. Manchmal fragen sie: „Ist das Zauberei?“ Und das ist es in der Tat. Es ist ein Zauber, der nicht versucht unseren Verstand mit etwas Mysteriösem aber Unwirklichen zu täuschen, sondern uns erfahren lässt, wie ungeheuer mysteriös unsere Realität bereits ist. Ich sage meinen Schülern oft: „Es ist, als ob wir in der Muggelwelt von Harry Potter leben würden und uns plötzlich – durch unsere Achtsamkeit – bewusst wird, dass wir uns eigentlich in der magischen Welt von Hogwarts befinden.“
Eine Reihe von Forschungsarbeiten über Achtsamkeit bestätigen, was Praktizierende bereits seit Tausenden von Jahren wissen. Eine regelmäßige Achtsamkeitspraxis verbessert das Immunsystem, die kognitive Entwicklung, die Aufmerksamkeitsfähigkeit und die Emotionsregulation; sie macht uns zufriedener und mitfühlender. Achtsamkeit ist zu einem Begriff geworden, in Kliniken genau wie in den Vorstandsetagen führender Unternehmen, ja sogar bei den Olympischen Spielen, bei denen wir beobachten können, wie die Sportler sich mit einigen ruhigen, achtsamen Atemzügen, für ihren großen Wettkampf bereit machen. Einige andere Beispiele für den Einsatz von Achtsamkeit in unserem Kulturkreis sind z. B. die wöchentliche Kongress-Meditationsgruppe des Kongressabgeordneten Tim Ryan, das „Resource Center for Mindful Spending“ („Kompetenzzentrum für achtsames Geldausgeben“) der Großbank JPMorgan Chase und das Weltwirtschaftsforum in Davos, das vor Kurzem mit dem Thema „Mindful Leadership“ („Achtsames Führen“) eröffnet wurde. Die Zeit für Achtsamkeit ist jetzt.
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