Klaus Dörner - Bürger und Irre

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Wie geht die bürgerliche Gesellschaft mit denen um, die, gemessen an ihrem Begriff der Vernunft, unvernünftig sind? Klaus Dörner zeigt die Tatsache und die Gründe, warum die bürgerlichen Gesellschaften in England, Frankreich und Deutschland erst im Zusammenhang mit der industriell-kapitalistischen Revolution ihre psychisch Kranken als «die Irren» wahrnahmen: eine reich dokumentierte Geschichte der Psychiatire-Geschichtsschreibung, mit kritischem Überblick der klassischen Werke und ihrer Tendenz. «Bürger und Irre» war seit seinem ersten Erscheinen 1969 bahnbrechend bei der Entstehung der Psychiatriebewegung in der Bundesrepublik und in Italien. Die zahlreichen Einzeluntersuchungen, die in der Folge entstanden, die Übersetzungen in alle europäischen Sprachen zeigen, dass die Wirkung dieses Werkes ungebrochen ist. «Solange psychisch Kranke bestenfalls nur den halben Pflegesatz im Vergleich zu körperlich Kranken zugesprochen bekommen, dauert die ungleiche Auseinandersetzung zwischen 'Bürgern' und 'armen Irren' an.» Klaus Dörner

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Die Moralisierung der Sensibilität und die »Revolution der Gefühle«, die neue Konzeption der »nervous disorders« und die literarische Romantik sind nicht nur gleichzeitig, sie durchdringen sich nicht nur gegenseitig theoretisch und praktisch, sie entsprechen einander auch in ihren gesellschaftlichen Funktionen. Denn wie die ökonomische Revolution um die Jahrhundertmitte beginnt, so auch die Neuordnung des Bereichs des bürgerlichen Privatlebens – wie die Expansion nach außen, so die nach innen. Der Begriff »capital« gewinnt seinen Kurswert, während Sterne die Attribute »interesting« und »sentimental« in Umlauf setzt. 91Die Literaten verlieren mit der Industrialisierung ihre öffentliche Bedeutung für Politik und Wirtschaft, ihre politischen Mäzene, und wenden sich dem Individuum, seiner Natur und Innerlichkeit, seinem Privatleben und seinem Selbstverständnis zu. Der Bürger als Eigentümer und als Mensch treten auseinander; in beiderlei Gestalt zwar – als Unternehmer und als Genie – freie Individuen, markieren sie zwei dem Anspruch nach sich widersprechende, in Wirklichkeit aber sich kompensierende Welten. Es etabliert sich ein Lesepublikum, eine bisher unbekannte allgemeine »Lesewut«, die über die Leidenschaft zur »nervous disorder« oder zur »Manie« führen mag. Smollet entwickelt die erste »Literaturfabrik«. Etwa 1780 ist die Buchproduktion durch das große Verlagswesen rationalisiert: Der Bedarf ist so groß geworden, daß man das Buch nur noch als Ware kalkulieren kann, die für einen anonymen Markt produziert wird, dessen Bedürfnisse man berücksichtigen muß und durch Konkurrenz erfolgreich befriedigen kann. Eins der Konkurrenzmittel ist die Kultivierung der Originalität; 1759 schrieb der Geistliche E. Young seine Conjectures on Original Composition .

Was aber sind die Bedürfnisse des breiten lesenden Bürgertums? Von der Jahrhundertmitte an wird nicht nur die äußerlich ausgegrenzte Unvernunft sichtbar, sondern wird auch die Unvernunft im Innern des Menschen thematisch. Die Vernunft wird nicht nur medizinisch durch Whytt entthront und als eine Instanz unter anderen in den Kreislauf der psychischen Gesetze einbezogen oder durch Arnold mit dem Kompaß der bürgerlichen Gesetze, der Gewohnheiten und der Religion versehen; sie wird auch den Literaten tief fragwürdig, so dem chronisch melancholischen S. Johnson in Rasselas (1759): »Of the uncertainties of our present state, the most dreadful and alarming is the uncertain continuance of reason. [...] No man will be found in whose mind airy notions do not sometimes tyrannise, and force him to hope or fear beyond the limits of sober probability. All power of fancy over reason is a degree of insanity.« 92Die Kehrseite dieser betrauerten Relativierung ist die große Apologie des Rechts aufs Gefühl, und diese entspricht in der Tat dem Bedürfnis des Bürgers. »Die Romantik ist ihrem Ursprung nach eine englische Bewegung, so wie das moderne Bürgertum selbst, das hier zum erstenmal von der Aristokratie unabhängig zu Wort kommt, ein Ergebnis der englischen Verhältnisse ist. Sowohl die Naturpoesie Thomsons, die Nachtgesänge Youngs und die Ossianischen Klagelieder Macphersons als auch der sentimentale Sittenroman Richardsons, Fieldings und Sternes sind nur die literarische Form des Individualismus, der sich auch im laissez faire und in der Industriellen Revolution ausdrückt.« 93

Kann der Bürger es anerkennen, daß der Mensch keineswegs vollkommen rational ist, so wird ihm auch das Sichtbarwerden der ausgegrenzten Unvernunft erträglicher – der Irre erscheint ihm nicht mehr als vollkommen irrational. Im Gegenteil, zwischen der sichtbaren Unvernunft der Irren und seiner eigenen unsichtbaren inneren Unvernunft findet der Bürger Gemeinsames: Gefühlsrausch, namentlich schmerzlicher Art, Leidenschaft, Sensibilität, unwiderstehliche Begierden und überhaupt die menschliche Unzulänglichkeit, das freie Spiel der Einbildungen, Träume und andere Aktivitäten der Nachtseite der Seele. Die Erfahrung dieses Gemeinsamen, für die die »nervous disorders« das Modell einer beliebig skalierbaren, verbindenden Brücke darstellen, wirkt nun nicht mehr so provozierend wie zu Zeiten Swifts, als die Irren noch ausgegrenzt waren. Sie kann vielmehr von vielen Autoren und einem breiten Lesepublikum geteilt bzw. nachvollzogen werden – leidend und genießend. Provozierend kann sie freilich werden, wenn etwa Sternes Tristram Shandy, »der Ritter des Steckenpferdes«, sich die Freiheit des Individuums aus der Welt des Narren borgt, der als Besonderer, als Sonderling die Beschränktheit des Menschen akzeptiert und so den Verzicht auf die rationale »Persönlichkeit« und auf die Erkenntnis des Absoluten ebenso erklärt wie auf das Expertentum der Leistungswelt: »I triumph’d over him as I always do, like a fool.« 94

Der Individualismus als Forderung nach freier Entfaltung aller Fähigkeiten ist in der Tat einerseits Protest gegen die aristokratische Welt, und hier sind Literat und Unternehmer Bundesgenossen. Andererseits ist er Protest gegen das, was an ihre Stelle getreten ist, und dort steht der Literat durchaus gegen den Unternehmer, gegen die Nivellierung, Mechanisierung und Entpersönlichung in der bürgerlichen Wirtschaftsgesellschaft. In dieser Konstellation wird der Angriff gegen die kalkulierende Rationalität der Ökonomie irrational-emotionaler Emphase vorgetragen, und gegenüber einer die Natur ausbeutenden Gesellschaft gewinnt die eigene Natur moralische Qualitäten. So sind Suggestion und Übertreibung der eigenen Gefühle, die Selbstbespiegelung und das Ernstnehmen jeder Stimmung und Regung nicht mehr nur gegen aristokratische Distanz gerichtet, sondern sie fungieren zugleich als »Entschädigung für die Erfolglosigkeit im praktischen Leben«. 95Unübertrefflich hat S. Richardson diese Bedürfnisse auf eine literarische Formel gebracht und wurde damit einer der erfolgreichsten Schriftsteller überhaupt. Bei ihm wird das Privatleben, das »Herzensproblem« einfacher, aber tugendhafter Bürger zu einem Seelendrama rührseliger Intimität, nervöser Empfindsamkeit und erbaulicher Selbstenthüllung. Hier besteht die äußere Welt nur noch aus Versuchungen, die es nach qualvollem Gewissenskampf durch innere Standhaftigkeit zu überwinden gilt; dann wenden sich auch die äußeren Umstände zum Guten. Pamela (1740), die bedrohte und sich doch rein erhaltende Jungfrau, die zur Belohnung von ihrem Herrn geheiratet wird, ist das Urbild aller späteren Wunschphantasien und moralisierenden Romane, worin Anständigkeit das kleinbürgerliche Mittel zum Zweck wird: die unmoralische Erfolgsmoral der Erfolglosen. Der Held bringt das unerfüllte Leben des Lesers zur Vollendung. Moralische Rechtfertigung der bürgerlichen Sozialordnung als der »natürlichen« und Ideologie für den Lebenskampf finden in dieser Psychologie zusammen. Dabei ist kaum einer dieser Literaten, der nicht zur Erklärung des Leidens seiner Helden wie seines eigenen Lebens das Schema der »nervous diseases« benutzt – die Gesellschaft, die zivilisierte, städtische Welt, ist ein einziges Reizspektrum, dem der empfindsame und damit moralische Bürger in erhöhtem Maße ausgesetzt ist, während derjenige, der davon gar nicht berührt wird, dafür kein »Organ« hat, der nur seinen Geschäften nachgeht, sich eben dadurch als unsensibel, gefühlsstumpf, un-sympathisch 96und also im bürgerlichen Sinne als unmoralisch erweist, als Nicht-bürger. Um so mehr erscheint jetzt der Stumpf- und Blödsinn nicht nur als Folge und irreversibles Endstadium des Irreseins, sondern zugleich als ein moralisches Kausalverhältnis: als schreckliche Strafe für die Schuld, daß man dem genußbereitenden Instrument der Empfindsamkeit nicht moralische Zügel angelegt hat, daß man den Versuchungen des künstlich-städtischen Lebens erlegen ist, die Leidenschaften maßlos werden und die Grenzen der bürgerlichen Norm und des Natürlichen hinter sich ließ. Die Empfindsamkeit, der Vorzug des Bürgers, stellt die moralische Aufgabe, die durch Beschränkung, Verzicht, zu lösen ist, was mit Erfolg belohnt wird. Versagt man, steigert sich die Empfindsamkeit ins Unnatürlich-Maßlose, ist Krankheit eine der möglichen Strafen. Die Übergänge sind fließend: »nervous disorders« – »madness« – »insensibility«/Stumpfsinn. Mit anderen Begriffen werden sie von Arnold dargestellt: »moral insanity« und »medical insanity«. Das Bewußtsein moralischer Schuld und die Vorstellung der seelischen Krankheit als Strafe gehen eine die moralische Ordnung sanktionierende und den Bürger bedrohende Verbindung ein. Es muß in diesem Zusammenhang gesehen werden, wenn Johnson schreibt: »No disease of the imagination [...] is so difficult of cure, as that which is complicated with the dread of guilt.« 97Während die Wirtschaft der Rationalität, der Nützlichkeit und der Selbsterhaltung folgt, entwickelt James Vere, Kaufmann und Governor of Bedlam, 1778 mit Hilfe der »nervous disorders« die kompensierende bürgerliche Moral: Wenn die »moral instincts« ihre Herrschaft über die »lower order of instincts« (d. h. »self-preservation«, »self-love«) verlieren, entsteht »a sort of internal war, which divides the man against himself: and hence a large share of disquiet and restlessness will be the unavoidable consequence«. 98

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