Klaus Hübner - DERMALEINST, ANDERSWO UND ÜBERHAUPT

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Wer weder Twitter noch Facebook noch andere angeblich soziale Medien nutzt, wird schon seine Gründe haben. Ein im moralischen Sinne besserer Mensch ist er deswegen noch lange nicht. Ein ignoranter Technik- und Modernitätsverweigerer auch nicht. Was aber dann? Man muss ihn sich nicht zwingend als einen Menschen vorstellen, der eher von Künstlern, Büchern, Bildern, Städten und Landschaften angeregt wird als von noch schnelleren Rechnern und noch spezielleren Apps. Aber man darf. Auch als einen, der weiß, dass es nicht wenige Zeitgenossen gibt, denen es ähnlich geht. Für solche Menschen ist dieses Buch gedacht.
Der vierte Band geht drei Jahrhunderte zurück und zugleich hinaus in die Welt von heute. Man begegnet einem gelehrten Alpendichter, einem botanisierenden Forscherpoeten, einem etwas schrillen Fräulein und einem Nordlicht aus Gran Canaria. Man lernt böhmische Dörfer kennen, ein unheimliches Slowenien, Rumänien abseits der Klischees und die Donau als Textfluss. Dazu Überraschendes aus Taiwan und einen australischen Aborigine aus Frankreich. Auch Judasohren, Saftlinge und Krause Glucken. Und einiges mehr.

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Klaus Hübner

Dermaleinst, anderswo und überhaupt

Kein Twitter, kein Facebook – Von Menschen, Büchern und Bildern – Band 4

Außer der Reihe 44

Klaus Hübner

Dermaleinst, anderswo und überhaupt

Kein Twitter, kein Facebook

Von Menschen, Büchern und Bildern

Band 4

Außer der Reihe 44

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© dieser Ausgabe: März 2021

p. machinery Michael Haitel

Titelbild: Leonhard Schorer, Maler des Gemäldes (Johann Christoph Gottsched, 1744, Wikipedia); Alban1989 (Kirche Heiliger Uros und Mulla-Veseli-Moschee in Ferizaj, Kosovo, 2014, Wikipedia CC BY-SA 3.0); Iris Wolff (Privatfoto, iris-wolff.de); ID 942784 (Bild 1006903, Pixabay)

Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda

Lektorat & Korrektorat: Michael Haitel

Herstellung: global:epropaganda

Verlag: p. machinery Michael Haitel

Norderweg 31, 25887 Winnert

www. p machinery.de

ISBN des Paperbacks: 978 3 95765 235 5

ISBN des Hardcovers: 978 3 95765 236 2

ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 860 9

Vorwort

In der Wochenzeitung Die Zeit vom 10. Januar 2019 charakterisiert der 1995 mit dem Büchnerpreis bedachte Dichter Durs Grünbein unsere Gegenwart so: »Jeder sein eigener Handy-Sklave, jeder sein eigener von Computern und Tablets gesteuerter Idiot in der rund um die Uhr aktiven Netzwerkgemeinschaft.« Mir ist das zu pauschal. Jeder? Es gibt viele, die Handy, Computer und Tablet nutzen und trotzdem keine Sklaven oder Idioten sind. Und es gibt eine Menge Leute, die über ihr Tun nachdenken und zu manchem einfach »Nein« sagen. Wer zum Beispiel weder Twitter noch Facebook noch andere angeblich soziale Medien nutzt, wird schon seine Gründe haben. Ein im moralischen Sinne besserer Mensch ist er deswegen noch lange nicht. Ein ignoranter Technik- und Modernitätsverweigerer wohl auch nicht. Was aber dann? Man muss ihn sich nicht zwingend als einen Menschen vorstellen, der eher von Künstlern, Büchern, Bildern, Städten und Landschaften angeregt wird als von noch schnelleren Rechnern und noch spezielleren Apps. Aber man darf. Auch als einen, der weiß, dass es nicht wenige Zeitgenossen gibt, denen es ähnlich geht. Für solche Menschen ist dieses Buch gedacht.

»Das Buch mag den neuen, scheinbar körperlosen, sein Erbe beanspruchenden, in überbordendem Maß Informationen zur Verfügung stellenden Medien in vielem unterlegen und ein im ureigenen Sinn des Wortes konservatives Medium sein, das gerade durch die Abgeschlossenheit seines Körpers, in dem Text, Bild und Gestaltung vollkommen ineinander aufgehen, wie kein anderes die Welt zu ordnen, manchmal sogar zu ersetzen verspricht«, schreibt die 1980 geborene Judith Schalansky im Vorwort ihres 2018 erschienenen Buchs Verzeichnis einiger Verluste . Dass weniger Bücher, vor allem weniger literarische Texte gelesen werden als noch vor zehn oder zwanzig Jahren, ist ein Faktum. Das verheißungsvoll und schön klingende Wort »Sprachkunstwerk« hört sich heute sehr gestrig an. Wer ist neugierig auf Sprachkunstwerke? Und – um die Schraube noch weiter zu drehen – wer liest heute überhaupt noch Bücher über Bücher? Allzu viele Leute werden es nicht sein. Aber die sind wichtig. Wäre ich davon überzeugt, dass eine umfangreiche Sammlung von Interviews mit Literaten, literarischen Essays, Künstlerporträts, Glossen und Streiflichtern aller Art und obendrein auch noch vielen Buchrezensionen ein altmodisches und tendenziell nutzloses Unterfangen ist, hätte ich auf die Arbeit an diesem Projekt verzichtet und mich stattdessen – lesend natürlich – in einen wundermilden Biergarten zurückgezogen. Oder sonst wohin. Aber ich weiß ganz sicher, dass es immer noch einige, darunter auch relativ junge Leute gibt, die mit Interesse und manchmal mit Begeisterung genau das suchen: Begegnungen mit Literatur, mit Malerei, mit Kulturgeschichte – und mit den Menschen, die sie machen und gestalten. Auch die weiterhin enorme Aufmerksamkeit für Literaturfeste, Autorenlesungen, Ausstellungen und andere Kulturevents spricht dafür. Trotz des allenthalben konstatierten und oft bitter beklagten gesellschaftlichen Bedeutungsverlusts von Kunst und Literatur können sich nur wenige Zeitgenossen ein Leben ganz ohne sie vorstellen. Und, nennen Sie mich ruhig einen Träumer, einen Fantasten oder einen hoffnungslosen Idealisten: Auch heute noch – und höchstwahrscheinlich auch in nächster Zukunft – lassen sich der Kunst und der Literatur soziale Funktionen zuschreiben, die nicht die allerunwichtigsten sind. Die Förderung der Wachheit und Aufmerksamkeit für ein lebenswertes und vielleicht sogar schönes Leben – nicht nur für sich selbst – könnte man da anführen, die Erweckung und Intensivierung von Empathie für nicht konforme Mitmenschen und zunächst fremd anmutende Kulturen, die Weiterentwicklung verantwortungsvollen Handelns in Politik und Gesellschaft und noch manches mehr. Ich bin zum Beispiel ziemlich sicher, dass die deutsche Einwanderungs-, Flüchtlings- und Asylpolitik anders und besser aussehen würde, hätten die maßgeblichen Politiker und andere wichtige Entscheidungsträger die spätestens seit den 1990er-Jahren kaum noch zu übersehende interkulturelle Literatur – mit ihren vielfältigen Blicken »von außen« – wirklich wahrgenommen. Ich bin auch recht sicher, dass die intensive Lektüre von Literatur und Dichtung dazu führen kann, die überall festgestellte und kritisierte Verrohung der öffentlichen wie der privaten Sprache zu erkennen, nicht auf sie hereinzufallen oder ihr sogar bewusst entgegenzutreten. Und ich bin … oh weh, doch ein hoffnungsloser Idealist? Urteilen Sie selbst, fangen Sie einfach an zu lesen …

Das Projekt Kein Twitter, kein Facebook ist auf vier Bände angelegt und enthält ungefähr zwei Drittel meiner in den letzten beiden Jahrzehnten entstandenen Texte. Alle wurden leicht überarbeitet. Irgendwelche Positionierungen auf politischen, wissenschaftlichen oder kulturellen »Feldern« sind mit diesem Projekt nicht beabsichtigt. Nachweise der Erstpublikationen finden sich am Ende jedes Einzelbandes. Die Regelkonformität der Rechtschreibung ist der Lesbarkeit untergeordnet. Das modische Thema »Sprache und Gender« bleibt außen vor. Zu danken wäre vielen Freunden und Kollegen, auch wenn sie von meinen Plänen nichts wussten. Einer, der davon wusste, war der Schriftsteller Tiny Stricker, der mich zu diesem Projekt fast schon überreden musste und das mit Feingefühl und Beharrlichkeit getan hat. Danke, Tiny! Voilà, hier ist der vierte Band …

München, im Januar 2021

Klaus Hübner

Nicht nur Literaturgeschichten

Doch ist der Ruf erst ruiniert …

Vor dreihundert Jahren wurde Johann Christoph Gottsched geboren

Es gibt wohl kaum einen bedeutenden deutschen Schriftsteller und Universalgelehrten, der im literarischen Gedächtnis der Nation eine derart katastrophale Wirkungsgeschichte hat wie der am 2. Februar 1700 in Juditten bei Königsberg als Sohn des dortigen Pfarrers geborene Johann Christoph Gottsched. Sein Name steht zwar nach wie vor in allen Literaturgeschichten – aber was da steht, ist in aller Regel wenig dazu angetan, sich mit dem Werk dieses zeitlebens unglaublich produktiven Mannes näher zu befassen. Auch der immer mal wieder, zuletzt mit einer schönen Ausgabe ihrer Briefe von 1730 bis 1762 versuchte Umweg über Gottscheds für die damalige Zeit durchaus ungewöhnliche Frau, die hoch gebildete, selber dichterisch tätige Louise Adelgunde, verschafft nicht den für viele Zeitgenossen unbedingt nötigen »human touch«. Gottscheds Ideal einer »geschickten Gehülffin« an seiner Seite und Louises Idee einer auf Gleichberechtigung basierenden Ehe seien letztlich »unvereinbar« gewesen, schreibt die Brief-Herausgeberin Inka Kording, und man kann sich schon vorstellen, wie die beiden tagaus tagein vor sich hinwerkelten am Rohbau der deutschen Gelehrtenrepublik und der Beförderung einer deutschen Nationalliteratur. Starr, spröde und trocken sei es zugegangen bei den langweiligen und pedantischen Gottscheds, sagt man. Und bald hat auch ihr Werk genau diesen, also einen schlechten Ruf weg. Und man muss, bei allem Respekt, auch heute sagen: weitgehend zu Recht.

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