Klaus Dermutz
Ernst Happel
Genie und Grantler
VERLAG DIE WERKSTATT
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ISBN 978-3-89533-935-6
Inhalt
VORWORT |
von Daniel Koerfer |
EINLEITUNG |
|
1925 BIS 1943 |
Einsame Kindheit, entbehrungsreiche Jugend |
1943 BIS 1959 |
Grün-Weißer – Spieler bei Rapid |
1947 BIS 1958 |
»Ernst auf ernst« – Spieler der österreichischen Nationalmannschaft |
1962 BIS 1973 |
Vereinstrainer in den Niederlanden – Internationaler Ruhm mit Feyenoord |
1974 BIS 1981 |
Vereinstrainer in Belgien – Europäische Spitze mit dem FC Brügge |
WM 1978 |
Beinahe wirklich »da Wödmasta« – Trainer der niederländischen Nationalmannschaft |
1981 BIS 1987 |
»Einer von uns« – Die erfolgreichsten Jahre des HSV |
1987 BIS 1991 |
Rückkehr nach Österreich – Zwischen Resignation und Revolte |
1992 |
Das letzte Jahr |
EPILOG |
Der Grantler – Ein scheuer Mensch |
GESPRÄCHE |
mit und über Ernst Happel |
HAMBURG 1986 |
»Ich bin kein Medium für die Medien. |
Ich bin offen und ehrlich« |
INNSBRUCK 1991 |
»Ich will immer das Maximale rausholen« |
GESPRÄCH MIT FRANZ BECKENBAUER |
»Ich hätte Ernst Happel gern in den besten Jahren meiner Laufbahn als Trainer gehabt« |
GESPRÄCH MIT FELIX MAGATH |
»Happel hat mich immer beeindruckt, weil er ein Mensch war« |
Anmerkungen |
Literaturverzeichnis |
Daten zur Karriere |
Danksagung |
Der Autor |
Für paul Julian,
der sich am Beginn seiner Reise in die Welt des Fußballs befindet
»Laat de leeuw niet in z’n hempie staan«
DANIEL KOERFER
Vorwort
Schon zu Lebzeiten wurde Ernst Happel zur Legende. Einst, in den Hochzeiten des österreichischen Fußballs, ein begnadeter Spieler, erreichte er als Trainer ganz unterschiedlicher Vereins- und Nationalmannschaften wirklichen Weltruhm. Gewiss, er war nach außen hin ein schwieriger Schweiger und gefürchteter Grantler, war ein passionierter Zocker am Karten- und Roulettetisch, ein Kettenraucher noch dazu, der manchem Sportjournalisten schlaflose Nächte bereiten sollte, nachdem er ihn zusammengestaucht und ohne auch nur einen winzigen Hauch von Information wieder fortgeschickt hatte. Und doch, wenn es einen heiligen Stein im Mekka des Fußballs geben würde, sein Name wäre für alle Zeiten eingeschrieben auf ihm. Denn Ernst Happel gelang, was nur wenige vermochten: Immer auf der Suche nach dem »perfekten« Spielzug, dem »absoluten« Spiel, revolutionierte er mit seinem »Pressing« den europäischen Fußball und schrieb wahrlich Sportgeschichte. Als er starb und sich die Massen in Wien zu Tausenden bei seinem Begräbnis drängten, titelte die Kronen-Zeitung wehmütig: »An seinem Sarg war das Pressing so, wie er es sich zu Lebzeiten immer gewünscht hat«.
»Ein Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag« – so lautete sein häufig wiederholtes Lebensmotto. Fußball wurde Ernst Happel, dem die Großmutter zum ersten Geburtstag grün-weiße Söckchen gestrickt und geschenkt hatte, tatsächlich zum Schicksal. Grün-Weiß, die Farben von Rapid Wien, ein Omen mit weitreichenden Folgen – von diesem Verein wird der kleine Straßenfußballer etwas mehr als ein Jahrzehnt später, während Hitler in Wien einzieht, unter Hunderten von Jugendlichen ausgewählt, darf mit den »Auserwählten« trainieren, darf bald schon als 17-Jähriger in ihrem Kreise mittun, mitspielen, bestaunt, bewundert ob seiner technischen Beschlagenheit.
Fußball rettet Happel im Zweiten Weltkrieg möglicherweise das Leben, sein Hauptmann war ein Fußballfanatiker, der den jungen Soldaten für Spiele in der Etappe in seiner Nähe haben wollte. Fußball führt Happel nach dem Krieg aus seinem Milieu, öffnet ihm, dem »Schmäh- und Rädelsführer« der Spieler von Rapid, Türen »von der Unterwelt bis zum Minister«, lässt ihn die Anfänge der Professionalisierung erleben. Gegen die »Königlichen« macht der »Wödmasda« das Spiel seines Lebens, schießt am 14. November 1956 innerhalb von 22 Minuten drei Tore, ein lupenreiner Hattrick. Zwei Weltmeisterschaften – 1954 und 1958 – erlebt er als Spieler, wird dabei im Halbfinale 1954 »Opfer« des Taktikfuchses Sepp Herberger und als Hauptschuldiger für den deutschen 6:1-Kantersieg in seiner Heimat verunglimpft. Wegen der massiven, ja infamen Vorwürfe geht er ins Ausland, zu Racing Paris, und kehrt erst nach knapp zwei Jahren wieder in seine Heimat zurück.
In seines Lebens Mitte, ohne jegliches Fachdiplom, wechselt er bei seinem Heimatverein ins Trainerfach – bei Rapid wird er Sektionsleiter, gewinnt gleich auf Anhieb Meisterschaft und Pokal. Die internationale Karriere des neben Sepp Herberger »interessantesten Trainers der Welt« im 20. Jahrhundert, so Der Spiegel, beginnt 1962 mit ADO Den Haag. Mit Teams von Underdogs und Außenseitern – FC Feyenoord, FC Brügge – in ganz Europa Triumphe zu feiern, sollte sein Markenzeichen werden. Aber auch bittere Niederlagen lernt er kennen und trägt sie mit stoischer Gelassenheit, etwa die brutale 1:3-Niederlage 1978 im dramatischen WM-Finale nach Verlängerung mit Holland gegen Argentinien. Rob Rensenbrink schießt kurz vor Schluss der regulären Spielzeit an den Pfosten – hätte er getroffen, Happel wäre wirklich und tatsächlich »Wödmasda« geworden. So trug er diesen Ehrentitel in seiner Heimat gewissermaßen als »Wödmasda der Herzen«, die Kerben in seinem markanten Gesicht mögen etwas tiefer geworden sein.
Happel setzt Anfang der 1980er Jahre seine Laufbahn beim Hamburger SV fort, wo er sowohl national als auch international erfolgreich ist und 1983 gegen eine mit frischgebackenen Weltmeistern gespickte Elf von Juventus Turin im Endspiel der damaligen »Champions League«, dem Europapokal der Landesmeister, in Athen einen 1:0-Sieg feiern kann. Das entscheidende Tor sollte einem seiner Lieblingsspieler, Felix Magath, gelingen. Aufgrund einer Krebserkrankung entschließt Happel sich, beim FC Tirol das nächste Engagement anzunehmen. Den Tiroler Klub führt er an die nationale Spitze, internationale Erfolge bleiben jedoch aus. Auf seiner letzten Station gibt der von der Krebserkrankung schon schwer gezeichnete Happel dem österreichischen Nationalteam neue Energie und Selbstvertrauen.
Fußball bleibt seine Leidenschaft, ein Leben lang bis in die letzten Tage hinein. Lakonisch, wortkarg, mit trockenem Witz, von seinen Spielern verehrt, von den Sportjournalisten gefürchtet, vom Publikum bestaunt, ging Ernst Happel seinen Weg. Er ist wohl stets eine hochsensible Mischung aus Sentiment und Härte gewesen, war mit seiner hinter einer Attitüde von Unnahbarkeit verborgenen Verletzlichkeit ein im Kern rastlos-einsamer Skeptiker, immer auf der Suche nach den Lösungen jenes Rätsels, das über Sieg und Niederlage, Glück und Unglück entscheidet.
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