Das Öl, die Machtund Zeichen der Hoffnung
Von Konzernen und dem
Menschenrecht auf sauberes Wasser
Klaus Stieglitzmit Sabine Pamperrien
Erste Auflage Frühjahr 2016
Alle Rechte vorbehalten
Copyright ©2016 by rüffer & rub Sachbuchverlag GmbH, Zürich
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Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
Papier: Fly o5, spezialweiß, 90 g/m2, 1.2
E-Book: Clara Cendrós
ISBN 978-3-907625-95-8
ISBN e-book: 978-3-906304-00-7
Inhalt
Prolog – Machtlose Menschen
2008 – Ein Verdacht
2009 – Fragen an ein Ölkonsortium
2010 – Auftritt Daimler
2011 – Faktencheck
2012 – Eine elegante Lösung
2013 – Das Land erkennt die Gefahr
2014 – Der Kampf ums Öl
2015 – Die Drohung
Epilog 2016 – Die Stimme erheben
Anhang
Chronologie der politischen Ereignisse im Sudan
Verwendete Abkürzungen
Anmerkungen
Bildnachweis
Hoffnungszeichen | Sign of Hope e.V.
Dank
Biografien
Anfang Juni 1994 reiste Reimund Reubelt, Mitarbeiter von Hoffnungszeichen, in den südlichen Sudan. Im bürgerkriegsgeschundenen Land landete er mit einem kleinen Flugzeug voller Hilfsgüter, die er vorher in Kenia organisiert hatte. Der Pilot war unsicher gewesen, ob die Landepiste, die er ansteuerte, in Rebellenhand war oder von Regierungstruppen gehalten wurde: »Wenn die Leute auf uns zurennen, dann ist das ein schlechtes Zeichen, und wir müssen sofort wieder starten.« Die großgewachsenen und hageren Gestalten schritten langsam, fast feierlich auf die Buschpiste zu.
Diese Reise war der Beginn der seit zwanzig Jahren andauernden Arbeit in dem Land mit einer Analphabetenrate von mehr als 75 %, in dem über die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt. Ende 2007 wurde Hoffnungszeichen auf Probleme mit dem Trinkwasser in einigen Regionen des südlichen Sudans hingewiesen. Erste Tests bestätigten die Vermutung, dass die Verunreinigungen im Zusammenhang mit der Ölförderung stehen. Hoffnungszeichen gab eine umfassende Studie in Auftrag, die diesen Zusammenhang wissenschaftlich bestätigte.
Am 5. März 2016 veröffentlicht die französische Nachrichtenagentur »AFP« in englischer Sprache einen Artikel über die von Hoffnungszeichen ermittelten dramatischen Befunde der Haarprobenanalysen und den Zusammenhang mit der Ölindustrie im Südsudan. Die Meldung findet in zahlreichen ausländischen Medien Verbreitung.
Und die Geschichte geht weiter.
PROLOG
Machtlose Menschen
Juli 2012. Sarnico, Italien. Zahlreiche Paparazzi sind im Ort. George Clooney dreht ein TV-Commercial für die Luxusversion der E-Klasse von Mercedes-Benz. In dem Spot will der Hollywoodstar das Auto unbedingt aus der Nähe sehen. Zunächst verfolgt er mit einem Wasserflugzeug den auf der spektakulären Uferstraße des Iseosees fahrenden silberfarbenen Luxuswagen. Dann braust er mit einem Speedboot heran, um das Objekt seiner Begierde aus der Nähe betrachten zu können. Action pur. Die Botschaft: Der smarte Schauspieler mit dem Womanizer-Image wird von dem neuen Mercedes-Modell in dasselbe Jagdfieber versetzt wie beim Buhlen um die Aufmerksamkeit einer schönen Frau.
In den Drehpausen amüsiert sich der tiefenentspannte Star mit seinen Fans und lässt sich dabei fotografieren, wie er Mitglieder der Crew mit Essen versorgt. Die Bilder gehen durch die Yellow Press der ganzen Welt.
Am Rande des Drehs gibt er bekannt, dass er seinen 2008er Tesla Signature 100 Roadster, der erst 1700 Meilen gelaufen ist, versteigern lässt. Mit dem Erlös sollen Hilfsprojekte im Sudan gefördert werden.
August 2012: Der vier Jahre alte Sportwagen bringt der von Clooney mit gegründeten Sudan-Hilfsorganisation Satellite Sentinel Project in der Auktion 99 000 US-Dollar.
*
Ungefähr um das Jahr 60 herum sendet der römische Kaiser Nero aus seinen afrikanischen Legionen zwei Centurionen mit ihren Hundertschaften aus, um das noch unbekannte Land bis zu den Quellen des Weißen Nil zu erforschen. Nero plant, den Machtbereich Roms in Afrika mit weiteren Landnahmen in subsaharischen Territorien südlich der Provinz Ägypten zu vergrößern. Das legendäre Goldland, das die Römer im uralten Königreich Meroe im heutigen Sudan vermuten, weckt Begehrlichkeiten. Für die Kosten-Nutzen-Abwägung lässt Nero durch die Vorhut zunächst erforschen, ob das unbekannte Territorium überhaupt über Ressourcen verfügt, deren Ausbeutung lohnt.
Tatsächlich erreichen die römischen Legionäre unter unvorstellbaren Anstrengungen den Victoria-See, aus dem der Weiße Nil entspringt. Um dorthin zu gelangen, müssen sie jedoch ein Hindernis überwinden, dessen Vorhandensein jegliches Interesse an weiteren Eroberungen einschlafen lassen wird: Tief im Süden stoßen sie auf ein Sumpfgebiet riesigen Ausmaßes, der Weiße Nil teilt sich hier in unzählige Arme. Wegen der geringen Wassertiefe sind die Gewässer nicht schiffbar. Die gesamte Fläche ist von Wasserpflanzen wie Papyrus und Schilf bedeckt. Auch ein Durchwaten ist deshalb fast unmöglich.
Die Beschreibung dieses Sumpfs dokumentierte der römische Geschichtsschreiber Seneca. Es ist die früheste bekannte Erwähnung des Sudd (stammt vom Arabischen Sadet = Barrie-re, Staudamm) im Südsudan, der bis heute bei einer Größe von knapp sechs Millionen Hektar zu den größten zusammenhängenden tropischen Feuchtgebieten der Erde zählt.
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Seit Mai 1847 befindet sich der 18-jährige Ornithologensohn Alfred Brehm als Sekretär und Gehilfe des schwäbischen Naturforschers Johannes von Müller auf einer Expedition durch Afrika. Von Ägypten aus wollen sie den gesamten Kontinent durchqueren und dessen Tierwelt erforschen. Im Januar 1848 kommen die Forscher im Sudan an. Seit zehn Jahren beherrscht von Ägypten aus das osmanische Reich die Region. Für seine Reiseaufzeichnungen beobachtet Brehm auch die Menschen, denen er auf seinen Reisen begegnet. Besonders bewegt ihn der im Sudan weit verbreitete Sklavenhandel. Das harte und skrupellose Vorgehen der im Sudan lebenden Europäer gegen die sudanesischen Sklaven findet er unerträglich. Einmal sieht er einen Transport von Sklaven aus dem Süden des Landes ankommen. Der Zustand der dunkelhäutigen Menschen aus der Volksgruppe der Dinka bewegt den jungen Brehm tief: »Der Anblick war schauderhaft. Keine Feder kann ihn beschreiben. Mir hat er wochenlang wie ein Bild des Schreckens vor der Seele gestanden. Es war der 12.Januar 1848.« 1– »Das unglückliche Los, als verkäufliche Ware betrachtet zu werden, trifft die Völkerstämme Abessiniens, die Galla, Schoa, Makate, Amhara (…) die Schilluk, Dinka, Takhallaui, Darfuri, Scheibuni, Kik und Nuer.«2
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