Rechtsprechung:
BGHSt 14, 110– Pistolenfall (gefahrspezifischer Zusammenhang); BGHSt 31, 96– Hochsitz (gefahrspezifischer Zusammenhang); BGHSt 48, 34– Gubener Verfolgungsfall (erfolgsqualifizierter Versuch).
V.Fahrlässige Körperverletzung, § 229
248Geschütztes Rechtsgut ist ebenfalls die körperliche Unversehrtheit. Erfasst werden sowohl körperliche Misshandlungen als auch Gesundheitsschädigungen i. S. d. § 223 Abs. 1 Var. 1 und Var. 2. Erforderlich ist auch hier, dass Tatobjekt ein anderer Mensch ist. Fahrlässige Einwirkungen auf die Leibesfrucht sind daher nicht strafbar 509. Dies gilt auch dann, wenn später ein Kind mit körperlichen Schäden zur Welt kommt 510. Für die rechtfertigende Einwilligung gelten die Grundsätze des § 228 511. Im Übrigen kann auf das Aufbauschema und die Ausführungen zu § 222 verwiesen werden 512.
VI.Beteiligung an einer Schlägerei, § 231
1.Geschütztes Rechtsgut und Systematik
249§ 231 ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das seinen Strafgrund darin findet, dass eine Schlägerei zwischen mehreren Personen bzw. ein von mehreren verübter Angriff oftmals zu schwerwiegenden Folgen führt 513. Es ist gegenüber § 223 ein delictum sui generis, das in Tateinheit zu Körperverletzungs- und Tötungsdelikten stehen kann 514.
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Prüfungsschema
1. Tatbestand
a) Objektiver Tatbestand
aa) Schlägerei oder von mehreren verübter Angriff
bb) Beteiligung
b) Subjektiver Tatbestand
2. Objektive Bedingung der Strafbarkeit
a) Eintritt des Todes oder einer schweren Folge i. S. d. § 226 Abs. 1
b) Durch die Schlägerei oder den von mehreren verübten Angriff
3. Rechtswidrigkeit
4. Schuld
251Voraussetzung ist, dass sich der Täter an einer Schlägerei oder einem von mehreren verübten Angriff beteiligt.
252 a) Schlägerei.Diese liegt vor, wenn mindestens drei Personen sich gegenseitig durch körperlich aktives Tätlichwerden Körperverletzungen zufügen 515. An der notwendigen aktiven Mitwirkung von drei Personen fehlt es, solange sich eine von drei beteiligten Personen auf psychische Mitwirkung oder bloße Schutzwehr beschränkt; im letztgenannten Fall macht erst die Gegenwehr das Geschehen zur Schlägerei 516.
Bsp.:A und B raufen miteinander; C wirkt lediglich psychisch mit, indem er A anfeuert. B kommt zu Tode. – Eine Strafbarkeit gem. § 231 scheidet von vornherein aus, da es am Merkmal der Schlägerei fehlt. Der nur psychisch mitwirkende C wird bei den „Schlägern“ nicht mitgezählt.
253Ob einer der Beteiligten gerechtfertigt oder entschuldigtist, spielt für dieses Merkmal keine Rolle 517. Sinkt die Zahl der „Schläger“ unter drei, so scheidet diese Tatvariante aus, wenn die objektive Bedingung der Strafbarkeit erst anschließend eintritt 518. Das Merkmal der Schlägerei ist jedoch nicht deshalb zu verneinen, weil einer der Beteiligten eine Pause einlegt oder jeweils zwei „Zweiergruppen“ wechselseitige Tätigkeiten verüben, solange nur ein einheitliches Gesamtgeschehen vorliegt 519.
254 b) Von mehreren verübter Angriff.Ein solcher liegt vor, wenn eine feindliche, unmittelbar gegen den Körper eines anderen zielende Einwirkung von mindestens zwei Personen vorliegt 520. Dabei muss eine Einheitlichkeit des Angriffs, des Angriffsgegners und des Angriffswillens gegeben sein 521. Auf die Voraussetzungen der Mittäterschaft kommt es nicht an. Tätlichkeiten sind – anderes als bei der Schlägerei – nicht erforderlich 522.
Bsp.: 523T überfällt mit weiteren Personen Gäste auf einem Fest. T tötet gleich zu Beginn den O. – Alle Beteiligten haben sich hier gem. § 231 strafbar gemacht, da es sich um einen von mehreren verübten Angriff handelt. Für § 231 ist es unerheblich, ob die weiteren Beteiligten hinsichtlich des Todes vorsätzlich oder fahrlässig handeln. Anders als bei einer (ebenfalls zu prüfenden) Strafbarkeit nach § 212 kommt es auf die Voraussetzungen einer Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 nicht an.
255 c) Beteiligung.Der Begriff ist nicht „technisch“, d. h. nicht i. S. d. § 28 Abs. 2 als Täterschaft und Teilnahme zu verstehen. Beteiligt ist vielmehr jeder, der aktiv bei der Schlägerei oder dem von mehreren verübten Angriff mitmacht. Nach h. M. genügt dabei jede physische oder psychische Mitwirkung, so dass auch das bloße Anfeuern eine täterschaftliche Beteiligung ist 524. Bloße Zuschauer oder Schlichter, die nicht aktiv als Partei mitwirken, beteiligen sich jedoch nicht.
256Ausreichend ist Vorsatz hinsichtlich der Beteiligung an der Schlägerei bzw. dem Angriff. Auf den Eintritt der schweren Folge als objektive Bedingung der Strafbarkeit muss sich dieser jedoch nicht beziehen.
4.Objektive Bedingung der Strafbarkeit
257Die schwere Folge– Tod eines Menschen oder schwere Körperverletzung i. S. d. § 226 Abs. 1 – ist nach h. M. kein Tatbestandsmerkmal, sondern lediglich eine objektive Bedingung der Strafbarkeit 525.
258 a) Konsequenzen der Einordnung.Dies bedeutet zunächst, dass der Tatbeitrag des Täters nicht kausal für die schwere Folge sein muss; selbst wenn feststeht, dass die schwere Folge durch einen anderen Beteiligten herbeigeführt wurde, bleibt die Strafbarkeit unberührt. Der Täter muss den Eintritt der schweren Folge ferner nicht voraussehen können 526; und die Folge muss auch nicht vom Vorsatz des Täters umfasst sein. Nach h. M. soll das Vorliegen der objektiven Bedingung der Strafbarkeit selbst dann unberührt bleiben, wenn derjenige Akt, der die schwere Folge herbeigeführt hat, gerechtfertigt war 527.
Hinweis
Die diesbezügliche Körperverletzung oder Tötung bleibt allerdings gerechtfertigt. Es muss demnach strikt zwischen der Strafbarkeit wegen Tötungs- und Körperverletzungsdelikten einerseits und derjenigen nach § 231 andererseits unterschieden werden.
259 b) Einschränkung.Zu fordern ist jedoch, dass sich in der schweren Folge das typische Risiko einer Schlägerei verwirklicht. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut („durch die Schlägerei“); man kann hierzu auch die Kriterien der objektiven Zurechnung heranziehen 528. Allerdings sollte man dann sehen, dass es nach dem Sinn der objektiven Bedingung der Strafbarkeit nicht auf den Zurechnungszusammenhang zwischen der einzelnen Beteiligungshandlung und der schweren Folge ankommt, da diesbezüglich nicht einmal Kausalität bestehen muss. Der einzelne Beteiligte muss also mit seiner konkreten Beteiligungshandlung gerade keine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen haben, die sich in der schweren Folge realisiert. Vielmehr kann es nur allgemein darum gehen, ob sich nach Schutzzweckgesichtspunkten ein typisches Risiko einer Schlägerei realisiert hat 529.
Bsp.:Bei einer Schlägerei erleidet Zuschauer O plötzlich einen tödlichen Kreislaufkollaps. – Es hat sich hier keine typische Gefahr der Schlägerei (Vornahme von Tätlichkeiten, unübersichtliche Lage, angeheizte Stimmung usw.) in der objektiven Bedingung niedergeschlagen.
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