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Hombrecher , Grundzüge und praktische Fragen des Internationalen Strafrechts – Teil 1: JA 2010, 637; Teil 2: Europäisches Strafrecht und Völkerstrafrecht, JA 2010, 731 (kurzer, prägnanter Überblick über Fragen des europäischen und internationalen Strafrechts); Walter , Einführung in das internationale Strafrecht, JuS 2006, 870, 967 (studierendengerechter Überblick über die Problematik des internationalen Strafrechts)
VII.Aufbau einer Strafnorm und strafrechtliche Systementwürfe
1.Trennung von Straftatbestand und Rechtsfolge
53Betrachtet man die Vorschriften des Besonderen Teils des StGB, so fällt als erstes die Trennung von Straftatbestandund Rechtsfolgeauf. Dabei wird im (Straf-)Tatbestand das strafbare Verhalten selbst umschrieben, es werden also die Voraussetzungen genannt, die vorliegen müssen, damit eine Strafbarkeit wegen eines bestimmten Delikts angenommen werden kann. Dagegen sind in den Rechtsfolgen die möglichen Sanktionen genannt, die sich an einen solchen Verstoß knüpfen.
Bsp.:Nach § 242 Abs. 1 StGB begeht derjenige einen Diebstahl, der „eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen“ . Hieran knüpft sich eine bestimmte Rechtsfolge. Wer den Tatbestand des § 242 Abs. 1 StGB verwirklicht, wird, wenn auch die sonstigen Voraussetzungen (Rechtswidrigkeit, Schuld etc.) erfüllt sind, „mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“ .
54Nur der erste Bereich, die Lehre von der Straftat, wird im vorliegenden Grundriss behandelt, da nur dieser Bereich auch Gegenstand in den Klausuren der Ersten Juristischen Staatsprüfung ist. Nicht vertieft werden sollen die Rechtsfolgen, d. h. die möglichen Sanktionen (Freiheitsstrafe, Geldstrafe etc.), sowie die Grundsätze der Strafzumessung, d. h. die Frage, welche Umstände der Richter im konkreten Fall zu berücksichtigen hat, wenn er eine konkrete Strafe verhängt. Da allerdings auch Studierende jedenfalls grob darüber informiert sein sollten „was am Ende herauskommen kann“, soll an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die möglichen Rechtsfolgen gegeben werden.
55Die Rechtsfolgenseite ist gekennzeichnet vom Grundsatz der Zweispurigkeitdes Sanktionensystems. Handelt der Täter schuldhaft, wird eine Strafeverhängt. Dabei kennt das StGB als Hauptstrafen lediglich die Freiheitsstrafe und die Geldstrafe (§§ 38 ff. StGB). Als einzige Nebenstrafe ist in § 44 StGB das Fahrverbot vorgesehen. An die Strafe können bestimmte Nebenfolgen, wie der Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts (§ 45 StGB), anknüpfen. Daneben kennt das StGB als „zweite Spur“ jedoch auch noch die sog. Maßregeln der Besserung und Sicherung(§§ 61 ff. StGB). Diese orientieren sich nicht an der Schuld, sondern an der Sozialgefährlichkeit des Täters. Ihre Verhängung fordert lediglich das Vorliegen einer rechtswidrigen Tat, nicht aber ein schuldhaftes Verhalten des Täters. Zu nennen sind hier die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB), einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) oder die Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB). Bedeutsam sind ferner die Anordnung der Führungsaufsicht, verbunden mit der Bestellung eines Bewährungshelfers (§§ 68 ff. StGB), die Entziehung der Fahrerlaubnis (§§ 69 ff. StGB) und das Berufsverbot (§§ 70 ff. StGB). Als weitere Sanktionen, die an eine rechtswidrige Tat anknüpfen, zählen die in der Praxis bedeutsamen Rechtsinstitute der Einziehungvon Taterträgen, die der Beteiligte durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat (z. B. das „Honorar“ des Auftragsmörders oder der Verkaufserlös bei Betäubungsmitteldelikten), sowie die Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten, d. h. Gegenständen, die durch eine rechtswidrige Tat hervorgebracht oder die zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht wurden (z. B. das hergestellte Falschgeld oder das Auto, mit dem der Täter regelmäßig die Diebesbeute abtransportiert hat). Eine gesetzliche Regelung hierfür findet sich in §§ 73 ff. StGB.
2.Unterscheidung von Tatbestand und Sachverhalt
56Begrifflich auseinander zu halten sind der gesetzliche (Straf)Tatbestand, d. h. die gesetzlich normierten Voraussetzungen eines bestimmten Delikts (insoweit also: der „Wortlaut“ des Gesetzes), und der konkrete Lebenssachverhalt, d. h. bestimmte tatsächliche Vorgänge, die einer strafrechtlichen Prüfung unterworfen werden.
Bsp.:Der (Straf-)Tatbestand der Körperverletzung in § 223 Abs. 1 StGB lautet: „Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird […] bestraft“. Ein konkreter, zu beurteilender Lebenssachverhalt könnte dagegen lauten: „Peter Müller hat am 1. Juni 2014 um 18.42 Uhr dem Wirt der Kneipe „Zum bunten Vogel“, Josef Maier, in dessen Kneipe einen Kristallglasaschenbecher an den Kopf geworfen, weil dieser ihm kein Bier mehr ausschenken wollte. Josef Maier erlitt dadurch eine Platzwunde, die genäht werden musste. Ferner erlitt er durch den Aufprall erhebliche Schmerzen.“
57Der Sachverhaltsteht in den universitären Übungsfällen zumeist unzweifelhaft fest. In der juristischen Praxis ist es dagegen eine der Hauptaufgaben des Richters, festzustellen, was tatsächlich geschehen ist. Hierzu müssen möglicherweise Zeugen verhört, Sachverständige vernommen, Urkunden verlesen und der Tatort in Augenschein genommen werden. Diese Form der Sachverhaltsaufklärung, insbesondere auch die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen, wird in den strafrechtlichen Klausuren nicht verlangt, weshalb in diesem Grundriss hierauf ebenfalls verzichtet wird. Von den Studierenden wird vielmehr lediglich gefordert, einen feststehenden Sachverhalt darauf zu untersuchen, ob und wenn ja welche Straftatbestände durch welche Personen und durch welche Verhaltensweisen erfüllt wurden und ob die sonstigen Bedingungen für die Strafbarkeit (Rechtswidrigkeit, Schuld etc.) gegeben sind.
58Eine Straftat kann in verschiedene Elemente zerlegt werden, die nicht nur unterschiedlich heißen, sondern die auch unterschiedliche Funktionen erfüllen und unterschiedlichen Prüfungsanforderungen unterliegen. Der sich daraus ergebende zwingende Prüfungsaufbauist dabei in den strafrechtlichen Klausuren stets einzuhalten. Im Wesentlichen durchgesetzt hat sich dabei in Deutschland der sog. dreigliedrige Straftataufbau. Wesentlich ist dabei, dass sämtliche dieser nachfolgend genannten drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Person – im Strafrecht spricht man üblicherweise vom Täter– auch tatsächlich bestraft werden kann. Die betreffende Person wird also strenggenommen erst deshalb zum Täter, weil alle Voraussetzungen der nachfolgend genannten Ebenen vorliegen.
Prüfungsschema
I. Tatbestand
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
59 a)Anknüpfungspunkt jeder Strafbarkeit ist ein menschliches Verhalten, die Handlungeines Menschen. Ohne sie gibt es keine Straftat. Dabei versteht man unter einer Handlung jedes willensgetragene menschliche Verhalten. Es kann sich dabei sowohl um ein aktives Tun, als auch um ein Unterlassen handeln. 17
60 b)Die Handlung muss einen gesetzlichen Tatbestanderfüllen. Wie gerade erwähnt, versteht man unter einem Tatbestand die gesetzlich normierten Voraussetzungen eines bestimmten Delikts, d. h. den „Wortlaut“ des Gesetzes. Hier umschreibt der Gesetzgeber Verhaltensweisen, die in aller Regel – d. h. wenn keine besonderen Umstände hinzutreten – als sozialschädlich angesehen werden und mit einer Strafe zu ahnden sind. 18
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