Allerdings hat der Gesetzesvorbehalt bei Organisationsentscheidungen eine andere Funktion als bei grundrechtswesentlichen Entscheidungen. Die Organisationsgewalt der Regierung hat selbst Verfassungsrang (vgl. Art. 86 S. 2 GG), und Regelungen über Zuständigkeiten von Behörden haben, auch wenn sie mit Aufgabenübertragungen verbunden sind, für sich keinen Eingriffscharakter. Daher bestehen grundsätzlich keine Gründe, derartige Regelungen dem Gesetzgeber vorzubehalten. 38Lediglich die allgemeinen Grundstrukturen der Staatsorganisation sind wesentlich und bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. 39Damit folgt aus dem Grundsatz vom institutionellen Gesetzesvorbehalt, dass – vorbehaltlich besonderer (verfassungs-)gesetzlicher Regelung – Bildung und Errichtung von Verwaltungsträgern und Behörden durch Gesetz zu erfolgen haben, während deren Einrichtung grundsätzlich keines Parlamentsgesetzes bedarf.
Eine besondere gesetzliche Regelung enthalten insoweit aber z. B. Art. 84 Abs. 1 und 85 Abs. 1 GG, die den Gesetzesvorbehalt auf die „Einrichtung“ erstrecken. Dies hat seinen Grund in der bundesstaatlichen Relevanz einer Befugnis des Bundes, die Organisation der Länderbehörden zu regeln. Daraus folgt weiter, dass der Gesetzesvorbehalt in Art. 84 Abs. 1 und 85 Abs. 1 GG auch für die „Errichtung“ von Länderbehörden gilt. 40Weitergehende Gesetzesvorbehalte können sich aus den jeweiligen Landesverfassungen ergeben.
59 a) Unmittelbare und mittelbare Verwaltung.Die Verwaltung eines Staates wird durch seine Ministerien und die ihnen unterstellten Behörden ausgeübt. Zu unterscheiden sind die unmittelbare und die mittelbare Verwaltung. Unmittelbare Staatsverwaltungmeint Verwaltung unmittelbar durch Staatsbehörden, die einem der Verwaltungsträger Bund oder Land zugeordnet sind, ohne dass ein weiterer (rechtsfähiger) Verwaltungsträger dazwischen tritt. Zur unmittelbaren Staatsverwaltung gehören auf Bundesebene die Bundesministerien und dieser unmittelbar unterstellte Behörden, wie z. B. Bundesämter.
Unter mittelbarer Staatsverwaltungwird die Verwaltung durch andere (rechtsfähige) Verwaltungsträger zusammengefasst, d. h. durch eine Körperschaft (Rn. 61), die nicht Bund oder Land ist, bzw. durch eine Anstalt (Rn. 62) oder Stiftung (Rn. 63). Nach überwiegender Auffassung gehören die Gemeinden als (Gebiets-)Körperschaften zur mittelbaren Landesverwaltung. Auch Verwaltungsträger in Privatrechtsform (Rn. 293) können zur mittelbaren Verwaltung gezählt werden. 41
60 b) Verwaltungsaufbau der unmittelbaren Staatsverwaltung. Oberste Behördensind die Ministerien und die Rechnungshöfe (z. B. § 1 S. 1 BRHG).
Es gibt zwei Typen von oberen Behörden, die zu unterscheiden sind. Zum einen die Oberbehörde, zum anderen die Mittelbehörde. Die Oberbehörde ist eine einem Bundesministerium nachgeordnete Stelle der unmittelbaren Bundesverwaltung ohne eigenen Verwaltungsunterbau, die im ganzen Bundesgebiet oder – sofern es sich um eine Landesoberbehörde handelt – im ganzen Landesgebiet zuständig ist. So bestimmt z. B. § 2 Abs. 1 BVerfSchG, dass der Bund für die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern ein Bundesamt für Verfassungsschutz als Bundesoberbehörde unterhält, das dem Bundesminister des Innern untersteht. Im Grundgesetz findet sich für diese Form der oberen Behörde auch die Formulierung der „selbständigen Bundesoberbehörde“ (Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG). Mittelbehördensind obersten Behörden nachgeordnete Behörden, die aber – anders als Oberbehörden – einen eigenen Verwaltungsunterbau haben. Allerdings ist die Formulierung nicht immer einheitlich. Im BPolG findet sich z. B. die Formulierung einer Oberbehörde, die aber eine Mittelbehörde in dem hier beschriebenen Sinne meint (oder „selbständige Oberbehörde“ i. S. d. GG):
§ 57BPolG
(1) Bundespolizeibehörden sind das Bundespolizeipräsidium, die Bundespolizeidirektionen und die Bundespolizeiakademie.
(2) Dem Bundespolizeipräsidium als Oberbehörde unterstehen die Bundespolizeidirektionen als Unterbehörden und die Bundespolizeiakademie. Das Bundespolizeipräsidium untersteht dem Bundesministerium des Innern unmittelbar.
Unterbehördenunterstehen den Mittelbehörden.
„Unterstehen“ impliziert dabei eine Weisungsbefugnis der jeweils höheren gegenüber der untergeordneten Behörde. Die Weisungist das effektivste von verschiedenen Steuerungsinstrumenten, weil sie der übergeordneten Behörde die Möglichkeit gibt, die untere Behörde schnell und umfassend zu lenken. Erst das Instrument der Weisung lässt es zu, von einem hierarchischen Aufbau der Verwaltung zu sprechen: Die Weisung kann initiativ ergehen und ermöglicht damit eine kontinuierliche Verwaltung. Sie ist nicht auf Rechtmäßigkeitsfragen beschränkt, sondern umfasst zudem die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Sie kann volle Willensgleichrichtung zu unteren Instanzen ohne besonderen zeitlichen Verlust herbeiführen. Kassation, Beanstandung, Selbsteintritt, Rechnungs- und Geschäftsführungsprüfung und die Bindung an konkrete Zielvorgaben zeigen nicht diese Steuerungseffektivität auf. Die Weisung ist deshalb auch ein wichtiges Instrument zur Gewährleistung eines hinreichend effektiven demokratischen Legitimationsniveaus. Das Mittel der Weisung kennzeichnet vor allem die zentralisierte und dekonzentrierte Verwaltung. 42
Kleinere Flächenstaaten haben z. B. als Mittelbehörde nur eine Behörde errichtet, wie etwa das Thüringer Landesverwaltungsamt, das dem Thüringer Innenministerium untergeordnet und verschiedenen Behörden übergeordnet ist.
Auf Landesebene wird ferner zwischen besonderen und allgemeinen Behörden unterschieden. Die Begriffe beziehen sich auf die der jeweiligen Behörde zugewiesenen Aufgaben. Besondere Behörden sind solche, die für bestimmte Verwaltungsaufgaben zuständig sind.
Beispiel: § 8 SächsVerwOrgG – Aufbau und Aufgaben im Geschäftsbereich des Staatsministeriums des Innern
(1) Dem Staatsministerium des Innern sind unmittelbar nachgeordnet
1. das Landesamt für Verfassungsschutz,
2. das Präsidium der Bereitschaftspolizei,
3. das Landeskriminalamt,
4. das Polizeiverwaltungsamt,
5. die Polizeidirektionen,
6. der Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung Sachsen,
7. das Statistische Landesamt,
8. das Landesamt für Denkmalpflege,
9. das Sächsische Staatsarchiv,
10. die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege (FH), Fortbildungszentrum des Freistaates Sachsen,
11. die Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule,
12. die Hochschule der Sächsischen Polizei (FH).
(2) Die in Absatz 1 genannten Behörden nehmen die in den jeweiligen Fachgesetzen beschriebenen Aufgaben wahr…
Allgemeine Behörden haben hingegen einen umfassenden Aufgabenbereich und sind i. d. R. insoweit zuständig, als Aufgaben nicht besonderen Behörden zugewiesen sind.
Beispiel: § 6 Abs. 1 und 2 SächsVerwOrgG – Landesdirektion Sachsen
(1) Allgemeine Staatsbehörde ist die Landesdirektion Sachsen mit Standorten in Chemnitz, Dresden und Leipzig. Der Sitz des Präsidenten der Landesdirektion Sachsen ist am Hauptsitz in Chemnitz. Die Landesdirektion Sachsen ist dem Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnet.
(2) Die Landesdirektion Sachsen nimmt Aufgaben aus mehreren Staatsministerien wahr und koordiniert die staatliche Verwaltungstätigkeit im gesamten Freistaat Sachsen. Sie ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, höhere Verwaltungsbehörde im Sinne bundesrechtlicher Vorschriften. Die Landesdirektion Sachsen nimmt die Aufgaben des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen und die Aufgaben der verwaltungsrechtlichen und beruflichen Rehabilitierung wahr.
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