I.Der Beklagte beantragt Klageabweisung
165In den weit überwiegenden Fällen wird der Beklagte die Abweisung der Klage als unbegründet beantragen. Er kann sich dazu auf reine Rechtsausführungen beschränken, Tatsachen bestreiten oder sich auf Einreden oder Einwendungen – rechtshindernde (etwa §§ 104, 105, 134, 138, 227 BGB), rechtsvernichtende (Anfechtung, Erfüllung, Erlass, §§ 142 Abs. 1, 362, 397 BGB) oder rechtshemmende (Verjährung, Stundung, §§ 214, 205 BGB) – berufen. Es kommt dann zum Prozess, wenn nötig muss Beweis erhoben werden, etwa über die Voraussetzungen eines Vertrages, wenn Tatsachen streitig sind, oder über Einwendungen, etwa die Anfechtung oder die Erfüllung.
II.Der Beklagte rügt fehlende Sachurteilsvoraussetzungen
166Der Beklagte kann sich auch – allein oder zusätzlich – dadurch verteidigen, dass er das Fehlen von Sachurteilsvoraussetzungen (Prozessvoraussetzungen)rügt. Bei deren Fehlen darf kein Sachurteil ergehen, die Klage wird dann als unzulässig abgewiesen.
1.Begriff der Sachurteilsvoraussetzung
167Sachurteilsvoraussetzungen sind die Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit ein Sachurteil ergehen kann. Fehlen sie, kann nur ein Prozessurteil ergehen, die Klage wird als unzulässig abgewiesen. Eine Ausnahme bildet die Zuständigkeit, weil Verweisung beantragt oder durch rügelose Einlassung die Zuständigkeit begründet werden kann, §§ 281, 39 ZPO.
Klausurproblem:Der Beklagte rügt im landgerichtlichen Prozess bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit die Unzuständigkeit des Gerichts nicht. Dadurch wird das Landgericht nach § 39 ZPO zuständig. Alternativ hätte der Beklagte die Unzuständigkeit rügen können, der Kläger hätte dann durch Antrag auf Verweisung, § 281 ZPO, eine Abweisung der Klage verhindern können.
Der Begriff „Prozessvoraussetzung“ ist missverständlich, da es auch bei Fehlen von Sachurteilsvoraussetzungen zum Prozess kommt, nämlich zu einem Verfahren, in dem ihr Vorliegen geprüft wird, und ggf. die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
168 a) Die persönlichen Sachurteilsvoraussetzungen.Dies sind: Parteifähigkeit, § 50 ZPO, Prozessfähigkeit, §§ 51 ff. ZPO, und Prozessführungsbefugnis. Im Streit über ihr Vorliegen werden sie zunächst als gegeben unterstellt.
169 b) Die wichtigsten allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen.Dies sind: Ordnungsgemäße Klageerhebung, § 253 ZPO, Zulässigkeit des Rechtswegs, Rechtsschutzbedürfnis sowie Fehlen anderweitiger Rechtshängigkeit und Fehlen der Rechtskraft.
170 aa) Zulässigkeit des Rechtswegs.Für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten muss der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten beschritten werden, § 13 GVG. Für die internationale Zuständigkeit gelten Art. 2 ff. EuGVVO. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 12–39 ZPO sowie §§ 23 ff., 71, 72 GVG.
171 bb) Rechtsschutzbedürfnis.Es fehlt bei objektiv sinnlosen Klagen, bei denen der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann. Dies ist der Fall, wenn der Kläger bereits eine sonstige Vollstreckungsmöglichkeit (z. B. eine vollstreckbare Urkunde) hat. Es fehlt auch, wenn es für den Kläger einen einfacheren Weg gibt, um das erstrebte Ziel zu erreichen (z. B. Kostenfestsetzungsantrag nach § 104 ZPO statt Klage auf Gebührenerstattung; BGH NJW 1990, 2061).
172 cc) Fehlen anderweitiger Rechtshängigkeit und Fehlen der Rechtskraft.Es darf zwischen den gleichen Parteien weder bereits ein Rechtsstreit über denselben Streitgegenstand anderweitig rechtshängig sein, § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, noch bereits eine rechtskräftige Entscheidung über den Streitgegenstand ergangen sein, § 322 Abs. 1 ZPO.
173 c) Die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen.Diese ergeben sich aus den Vorschriften über besondere Verfahren oder Klagearten, es sind beispielsweise (Überblick bei Zöller/Greger Vor § 253 Rn. 21): Feststellungsinteresse bei der Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO; Urkundenbeweisbarkeit im Urkundenprozess nach § 592 ZPO; Zusammenhang mit dem Klageanspruch bei Widerklage, § 33 ZPO, und Klagefrist für Wiederaufnahmeklage, § 586 Abs. 1 ZPO.
174Die Sachurteilsvoraussetzungen sind von Amts wegenzu prüfen, es gilt der Freibeweis. Das Gericht hat auf Bedenken hinzuweisen, § 139 Abs. 3 ZPO, da sie dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Rechtspflege dienen, vgl. § 56 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte kann natürlich auch auf das Fehlen hinweisen. Nicht immer hat das Gericht ausreichende eigene Kenntnis, um das Vorliegen der Voraussetzungen zu beurteilen. So ist meist eine anderweitige Rechtshängigkeit nur den Parteien bekannt. Da die meisten Sachurteilsvoraussetzungen von Amts wegen zu beachten sind, zieht die Versäumung der in § 283 Abs. 3 Satz 1 ZPO genannten Fristen keine Ausschlusswirkung nach sich.
175Bei der Prüfung der Voraussetzungen hat das Gericht die Reihenfolge Zulässigkeit vor Begründetheit einzuhalten. Auch bei einer offensichtlich in der Sache nicht begründeten Klage muss zuerst die Zulässigkeit, also das Vorliegen sämtlicher Sachurteilsvoraussetzungen geprüft und ggf. die Klage als unzulässig abgewiesen werden, ohne dass auf die materielle Rechtslage eingegangen werden dürfte. Enthält ein solches Urteil gleichwohl Ausführungen zur Sache, so sind diese unbeachtlich (BGH WM 1991, 208). Ausnahmen bestehen nur bei offensichtlich unbegründeter Klage hinsichtlich des Feststellungsinteresses und Rechtsschutzbedürfnisses.
176Bei Streit über Sachurteilsvoraussetzungenkann insoweit eine abgesonderte Verhandlung angeordnet werden, d. h. das Gericht beschränkt das Verfahren zunächst auf die Prüfung dieser Voraussetzungen, § 280 Abs. 1 ZPO. Bei der Entscheidung ist zu differenzieren: Hält das Gericht die Klage für zulässig, kann es bei Streit ein bejahendes Zwischenurteil erlassen, § 280 Abs. 2 ZPO („Die Klage ist zulässig“). Ist die Klage unzulässig, so weist es die Klage durch Prozessurteil als unzulässig ab. Bei Unzuständigkeit ist auf Antrag des Klägers durch Beschluss nach § 281 ZPO zu verweisen.
3.Ausnahme: Prozesshindernisse
177Die verzichtbaren Sachurteilsvoraussetzungen, die sog. Prozesshindernisse, werden nur auf Rüge berücksichtigt. Insoweit sind zu beachten:
(1) Einrede des Schiedsgerichtsvertrags, § 1032 ZPO,
(2) fehlende Ausländersicherheit, § 110 ZPO,
(3) Einrede der mangelnden Kostenerstattung aus dem Vorprozess, § 269 Abs. 6 ZPO.
Beachte:Der Mangel der Vollmacht wird im Anwaltsprozess auch nur auf Rüge berücksichtigt. Das Vorliegen der Vollmacht ist jedoch nicht Sachurteils-, sondern Prozess handlungsvoraussetzung.
III.Der Beklagte geht in die Säumnis
178Der Beklagte kann aber auch in die Säumnis gehen, also auf die Klage gar nicht reagieren oder zum Prozess nicht erscheinen. Dann ergeht gegen ihn, wenn die Klage schlüssig ist, § 331 Abs. 1 ZPO, und die weiteren Voraussetzungen gegeben sind, ein Versäumnisurteil. Dies kommt vor allem bei den Amtsgerichten häufig vor. Dies kann auch sinnvoll sein, wenn etwa der Beklagte einfach nicht zahlen kann und der Kläger einen Titel braucht, damit der Anspruch nicht verjährt. Das Versäumnisurteil ist billiger als ein streitiges Urteil. Reagiert der Beklagte auf das Versäumnisurteil nicht, ist über den Anspruch endgültig entschieden, das Urteil wird rechtskräftig.
179Aber auch auf ein Versäumnisurteil kann der Beklagte noch reagieren, er kann gegen das Versäumnisurteil in das Rechtsmittel gehen. Das einzig statthafte Rechtsmittel ist der Einspruch, § 338 ZPO, der in der Frist und Form der §§ 339, 340 ZPO bei Gericht eingelegt werden muss. Legt der Beklagte den Einspruch ordnungsgemäß ein, dann wird der Prozess in das Stadium zurückversetzt, in dem er sich vor dem Erlass des Versäumnisurteils befand, § 342 ZPO.
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