Zitternd sah Joshua zu, wie Darius die freistehende Kupferwanne füllte und hin und wieder mit seinen Stiefeln auf den Fließen ausrutschte. Er gab auch eine Art Öl ins Wasser, sodass sich die Luft mit dem schweren Duft von Lavendel füllte und Seifenblasen über dem dampfenden Wasser aufstiegen. Darius hatte die Schultern unter dem Handtuch hochgezogen und er machte ein finsteres Gesicht, während er zusah, wie sich die Wanne füllte.
Joshuas Zähne klapperten, während er dastand und sich lächerlich fühlte. Er hatte diesen verdammten Aufstand verursacht. Es war beinahe zu viel, bei Darius zu bleiben. Er schämte sich so. Aber es schien ihm unmöglich, seine eiskalten Füße zu bewegen. Viel mehr, als das Profil seines Retters in dem matt erleuchteten Raum zu mustern, konnte er nicht tun.
Darius hätte ihm nicht folgen müssen. Eigentlich hätte es viele Probleme gelöst, wenn Joshua einfach im Schneesturm verloren gegangen wäre.
Warum war er ihm also gefolgt?
Joshua war nicht bewusst gewesen, wie fest er die Arme um sich geschlungen hatte, bis Darius sich abrupt umdrehte, Joshua die Handtücher und den Mantel abnahm und dann seine steifen Finger von seinen Armen löste. Methodisch zog Darius ihm die eiskalten, triefnassen Klamotten aus, riss ihm die ruinierten Schuhe von den Füßen und warf alles auf einen Haufen. Als er bei der Unterwäsche ankam, zögerte er nicht und zog sie ihm einfach nach unten, als wäre es vollkommen normal, ihn nackt zu sehen.
Joshua hatte kaum Zeit überrascht aufzukeuchen, bevor Darius ihn auf seine muskulösen Arme hob und vorsichtig in die nun volle Badewanne setzte. Das Wasser war beinahe zu heiß und Joshua zischte, aber nach dem Schnee und dem bitterkalten Wind war es auch herrlich. Innerhalb weniger Sekunden seufzte Joshua und ließ sich bis zum Kinn ins Wasser sinken. Er war froh, dass der Schaum mittlerweile seine Nacktheit bedeckte.
Darius drehte die beiden Wasserhähne ab und das Metall quietschte laut. Doch dann war es im Badezimmer seltsam still. Joshua hatte beinahe Angst, sich zu bewegen und das Wasser aufzuwühlen. Er sah zu, wie Darius zu Boden sank und sich mit dem Rücken an die Wanne lehnte, die Ellbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht in die Hände sinken ließ.
Der Lavendel in der heißen Luft öffnete Joshuas Lungen und machte ihn hellwach. Seine Haut kribbelte vor Erwartung, was als Nächstes passieren würde. Die Schuldgefühle fraßen ihn bei lebendigem Leibe auf und es dauerte nicht lang, bis sie aus ihm herausplatzten.
»Es tut mir leid.«
Er biss sich auf die Lippe und musterte in Erwartung von Darius' Reaktion seinen Hinterkopf.
Darius schnaubte und ließ die Hände zwischen die Knie sinken, den Kopf noch immer gesenkt. Die Stille breitete sich aus und ließ Joshua in dem Glauben, dass Darius vielleicht nicht antworten würde.
Allerdings tat er es schließlich.
»Du bist hier kein Gefangener«, sagte er schwerfällig, ohne den Blick von dem gesprungenen Fließenboden zu heben. »Ich meinte nicht… Ich weiß, dass keiner von uns das hier wollte. Aber ich hätte dich nie anschreien oder diese schrecklichen Dinge sagen sollen. Ich hasse es, dir Angst gemacht zu haben.«
Joshua schluckte. Das waren wahrscheinlich die freundlichsten Worte, die er bis jetzt in einem Rutsch von Darius gehört hatte. Unwillkürlich wärmten sie ihn ein wenig.
»Ich hätte nicht wie ein Kind im Wutanfall mitten im Nirgendwo in einen Schneesturm rennen sollen«, sagte Joshua mit zusammengebissenen Zähnen. Immerhin hatten sie aufgehört zu klappern. »Es war dumm. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe.«
»Dass du von mir wegwolltest«, knurrte Darius. »Ich mache dir keinen Vorwurf.«
Aus irgendeinem Grund tat das weh. Ja, Joshua hatte um sich geschlagen und versucht, einen Teil Kontrolle zurückzuerlangen. Aber Darius hatte die Situation, in der sie sich befanden, nicht verursacht. Letztendlich waren sie beide Opfer.
Joshua hob seine rechte Hand aus dem Wasser und die Tropfen fielen laut auf die Oberfläche, als er sein Bestes gab, um sie trocken zu schütteln. Dann legte er seine Hand auf Darius' Schulter und drückte sie durch das Handtuch. »Ich hatte Angst«, gab er zu und versuchte angestrengt, das Zittern aus seiner Stimme fernzuhalten. »Du hast mich wirklich angeschrien. Aber… Es war falsch, einfach so reinzuplatzen. Ich verstehe, warum du aufgebracht warst.«
Zu seiner Überraschung legte Darius plötzlich seine große, schwielige Hand auf seine und drückte sie fest. Sie war eiskalt und erinnerte Joshua daran, dass Darius ebenfalls im See gewesen war. Darius ließ seine Hand beinahe so schnell wieder sinken, wie er sie gehoben hatte, sodass Joshua angesichts dieses Anflugs eines Gefühls der Atem stockte.
»Nichts entschuldigt diese Art von Wutanfall«, sagte Darius und die Bitterkeit in seiner Stimme machte Joshua das Herz schwer. »Ich will nicht, dass du Angst vor mir hast. Das würde ich hassen.«
Joshua leckte sich die Lippen, unsicher, ob er seine Hand zurückziehen sollte, oder nicht. Anstatt sie einfach unbeholfen liegen zu lassen, drückte er Darius' Schulter, in der Hoffnung, dass es aufmunternd wirkte, ehe er seinen Arm wieder in das warme Wasser sinken ließ. Er war es nicht gewöhnt, jemand anderen als seinen Vater zu trösten – nicht einmal einen Freund, da sich Joshua bewusst den Großteil seines Lebens von ihnen ferngehalten hatte. Deshalb war ihm etwas schwindlig, weil er einem anderen Mann in einem so intimen Moment Mitgefühl entgegengebracht hatte.
»Ich glaube nicht, dass ich Angst vor dir habe«, sagte er langsam. »Es sei denn, du brüllst und wirfst Dinge. Also vielleicht, ähm…«
»Sollte ich das weniger tun?«, schlug Darius vor.
Bildete sich Joshua das nur ein, oder hatte ein Hauch von Heiterkeit in diesen Worten gelegen?
Er schluckte und betrachtete stirnrunzelnd Darius' Hinterkopf, während er versuchte, sein Herz nicht zu sehr rasen zu lassen. Aber das war alles, was er wollte. Ein wenig Freundlichkeit und Kameradschaft. Himmel, selbst diese wenigen Worte reichten aus, um Joshua etwas Glauben daran zu schenken, dass er nicht mit einem totalen Monster verheiratet worden war.
»Wir stecken gemeinsam drin«, sagte Joshua entschieden. »Wir müssen einfach besser miteinander umgehen, das ist alles.«
»Ich werde mich bessern«, sagte Darius. Es klang wie ein Versprechen.
»Danke«, antwortete Joshua und sah hinunter aufs Wasser. Es war beeindruckend, wie schnell es durchs Joshuas ausgekühlten Körper nicht mehr siedend heiß, sondern nur noch lauwarm war. Darius war vielleicht doppelt so groß wie er, aber er musste sich trotzdem auch aufwärmen.
Eine einzige, rätselhafte Sekunde lag Joshua der Vorschlag auf der Zunge, dass Darius mit ihm in die Wanne kommen sollte. Wahrscheinlich würde er reinpassen, aber die Vorstellung, dass sie sich den Platz gemeinsam nackt teilten, war vollkommen lächerlich, ganz zu schweigen davon, dass es absolut peinlich wäre. Also schlug Joshua es nicht vor. Aber er machte sich noch immer Sorgen um seinen Retter.
»Du musst aus diesen Klamotten raus«, krächzte Joshua. Er riss die Augen auf, als ihm klar wurde, was er gerade angedeutet hatte. »Du holst dir noch den Tod!«, fügte er quietschend hinzu und das Badewasser schwappte, als er sich etwas gerader hinsetzte. »Ich meine, also…«
Darius warf einen Blick über die Schulter und nickte. »Bleib da.« Er stand auf und ging durch die Tür in den einzig angrenzenden Raum, von dem sich Joshua ziemlich sicher war, dass es sich um sein Schlafzimmer handelte. Er hatte nicht gerade eine Karte erstellt, als sie hierhergekommen waren.
Als er Rascheln und das Öffnen und Schließen von Schubladen hörte, kam Joshua zu dem Schluss, dass er vielleicht eine oder zwei Minuten hatte. Also ließ er einen Teil des lauwarmen Wassers ab und drehte dann den Wasserhahn auf, um heißes nachfließen zu lassen. Außerdem gab er noch einen Schuss von dem Lavendelöl hinzu, sodass mehr Schaum seinen nackten Körper bedeckte. Darius hatte ihn bereits gesehen, aber es gab einen Unterschied zwischen einem kurzen Blick und entblößt daliegen.
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