Fe Mars
Chicas, das Böse und das Meer
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Fe Mars Chicas, das Böse und das Meer Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog Prolog Die Wellen ließen das Boot tanzen - kleine Wogen, die mit kurzen, rhythmischen Schlägen an den Rumpf der Barke schlugen und das Mondlicht auf der tiefschwarzen Wasseroberfläche zum Zittern brachten. Die echsenhaften Augen des Mannes, der auf der abgeschabten Holzbank im Bug saß, starrten auf die Silhouette der Hügelspitzen, die sich keine vierzehn Kilometer entfernt aus dem Meer hoben. Schwarz auf schwarz, von einer Lichterkette gesäumt. Afrika. Der Mann schaute so regungslos, dass sich die Lichter des fremden Kontinents in seinen Pupillen spiegelten; vielleicht war es aber auch nur die Helligkeit des Mondes. „Keine Pannen und kein Aufsehen“, sagte er. „Verstanden? Und jetzt …“ Er machte mit dem Kinn eine Bewegung in Richtung der kleinen Stadt, deren Hafenlichter sich ans Ufer kauerten, als könnten sie so den kalten atlantischen Winden entgehen. Dann wandte er seinen Blick erneut nach Afrika. Am Schaukeln des Holzkahns konnte er spüren, wie die beiden Männer hinter ihm in Bewegung gerieten. Sie verzichteten darauf, zu antworten. Sie arbeiteten schon lange zusammen. Der kleinere ließ den Motor der Jolle an und steuerte sie in die Hafeneinfahrt, nicht ohne ein Kreuzzeichen zu schlagen und seine Fingerspitzen zu küssen, wie er es immer tat, wenn er die Jesusstatue passierte, die ihre segnende Hand über sie erhob. Der andere kräuselte die Lippen und schnippte seinen Zigarettenstummel ins Wasser.
1 Wo
2 bist
3 du?
4 Meine
5 Welt
6 dreht
7 sich
8 um
9 dich.
10 Aber …
11 Wer
12 bist
13 du
14 wirklich?
15 Kann
16 ich
17 dich
18 retten?
19 Oder
20 bist
21 du
22 verloren?
23 Gibt
24 es
25 die
26 Liebe?
27 Oder
28 ist
29 das
30 Glück
31 eine
32 Illusion,
33 lost
34 girl?
Danksagung:
Impressum neobooks
Die Wellen ließen das Boot tanzen - kleine Wogen, die mit kurzen, rhythmischen Schlägen an den Rumpf der Barke schlugen und das Mondlicht auf der tiefschwarzen Wasseroberfläche zum Zittern brachten.
Die echsenhaften Augen des Mannes, der auf der abgeschabten Holzbank im Bug saß, starrten auf die Silhouette der Hügelspitzen, die sich keine vierzehn Kilometer entfernt aus dem Meer hoben. Schwarz auf schwarz, von einer Lichterkette gesäumt. Afrika.
Der Mann schaute so regungslos, dass sich die Lichter des fremden Kontinents in seinen Pupillen spiegelten; vielleicht war es aber auch nur die Helligkeit des Mondes.
„Keine Pannen und kein Aufsehen“, sagte er. „Verstanden? Und jetzt …“ Er machte mit dem Kinn eine Bewegung in Richtung der kleinen Stadt, deren Hafenlichter sich ans Ufer kauerten, als könnten sie so den kalten atlantischen Winden entgehen.
Dann wandte er seinen Blick erneut nach Afrika. Am Schaukeln des Holzkahns konnte er spüren, wie die beiden Männer hinter ihm in Bewegung gerieten. Sie verzichteten darauf, zu antworten. Sie arbeiteten schon lange zusammen.
Der kleinere ließ den Motor der Jolle an und steuerte sie in die Hafeneinfahrt, nicht ohne ein Kreuzzeichen zu schlagen und seine Fingerspitzen zu küssen, wie er es immer tat, wenn er die Jesusstatue passierte, die ihre segnende Hand über sie erhob. Der andere kräuselte die Lippen und schnippte seinen Zigarettenstummel ins Wasser.
Wenn sie früh genug lief, war nichts zu hören als das Geräusch ihrer Turnschuhe auf dem Asphalt. Anaïs mochte das: die kurzen, trockenen Schallwellen, ihr abruptes Verstummen. Der Rhythmus ihrer Schritte zwischen den Häuserschluchten. Sie mochte die Einsamkeit dieses Geräuschs.
Während sich das bleiche Morgenlicht über die Dächer schob, hatte sie das Gefühl, ganz für sich allein zu sein. Das Gefühl, dass keiner sie sah, keiner etwas von ihr wollte. Freiheit.
So war es zumindest normalerweise. Nicht heute. Sie ertappte sich dabei, dass sie konzentriert lauschte.
Eine Taube segelte fast im Sturzflug vor ihr zu Boden, landete und machte ein paar tollpatschige Hopser. Das Muster ihrer Federn glich dem des Himmels, über dessen immer heller werdendes Grau sich nun rosige Streifen schoben. Mit einem kurzen Schwenk wich Anaïs dem Vogel aus.
Wieder dieses Gefühl. Anaïs blieb abrupt stehen und drehte sich um, ihr Herz klopfte plötzlich wild.
Jemand war hinter ihr, sie spürte es. Das war in den letzten Tagen schon ein paarmal so gewesen.
Auf dem kümmerlichen Grünstreifen weiter unten an der Straße konnte sie einen Mann mit seinem Hund erkennen. Er kehrte ihr den Rücken zu mit hängenden Schultern, die Hände in den Taschen vergraben. Von irgendwoher drang das Rumpeln einer Kehrmaschine. Sonst war da nichts. Und niemand. Vielleicht machte der Schlafentzug sie paranoid? Sie hatte letzte Nacht höchstens drei Stunden geschlafen. Im Hinterraum vom Blitz , dem Club, in dem sie öfters als DJane arbeitete. Sie fühlte sich aufgekratzt, leicht betäubt, schwerelos im Kopf. Wolkenhirn.
Anaïs schüttelte den Kopf, versuchte ihn freizuschütteln. Da war nichts! Seit wann war sie so ängstlich? Sie zuckte die Achseln und lief weiter.
Sie nahm die Abkürzung durch die Gärten in den Hof ihres Wohnhauses. Vorbei an den Müllcontainern und durch den Hintereingang. Sie mochte das alte Gebäude mit den hohen Räumen und dem Stuck an den Decken. Es schien so stabil.
Seit acht Monaten wohnten sie jetzt hier in München, sie und Maxine, die große Schwester, und immer noch war es fast ein Gefühl wie Weihnachten, wenn sie nach Hause kam. Anaïs’ Schritte hallten in dem leeren Stiegenhaus. Leise sperrte sie die Wohnungstür auf, hielt dabei die Schlüssel in der Faust, damit sie nicht klimperten. Um Maxine nicht zu wecken. Falls sie da war. In letzter Zeit war das nicht mehr so sicher. Seit sie den neuen Freund hatte.
Aber ja! Maxines Stiefel standen in der Garderobe, ihr Anorak hing darüber. Anaïs schlüpfte aus ihren Schuhen, warf die Jacke über den Haken und ging auf Strümpfen in die Küche. Das Geschirr vom Vortag war gespült. Gute Maxine. Wenn sie nicht immer für Ordnung sorgen würde!
Einen Moment lang betrachtete Anaïs versonnen die Kaffeemaschine, dann holte sie die Dose mit den Greens aus dem Kühlschrank. Sie maß einen Löffel voll in ein Glas und ließ Wasser darauf laufen. Sie liebte das unglaublich saftige Grün des Getränks. Wie Frühling. Während es draußen gerade Winter wurde.
Wenigstens war heute ein Abglanz von Licht zu sehen, aber im Spätherbst und Winter, wenn die Sonne manchmal wochenlang nicht schien, war die ganze Stadt grau. Die fahle Farbe verschlang irgendwann alles. Sogar Anaïs selbst.
Anaïs betrachtete ihr diffus gespiegeltes Abbild in der Fensterscheibe. Ihre Augen? Hellgrau. Das Haar? Aschblond. Die Spitzen waren noch heller und die beiden Dreads sowieso ausgebleicht. Vielleicht sollte sie ihr Haar einfach weizengrasgrün färben. Mit einem Seufzer drehte Anaïs sich zum Küchentisch, ließ sich auf einen der Stühle fallen und legte die Füße auf die Bank.
Sollte sie sich doch einen Kaffee machen und sich erst gar nicht mehr hinlegen? Geistesabwesend hob sie ein vergilbtes Stück Zeitungspapier auf, das auf dem Tisch lag. Wie die Zeitung von heute sah das nicht aus. Sie warf einen genaueren Blick auf das Datum. Das Blatt war vierzehn Jahre alt, vom neunten Oktober. Im ersten Moment kam ihr das Datum nur vage bekannt vor, dann streifte es sie wie ein kleiner Schock. Natürlich. Das Todesdatum ihrer Eltern: der siebte Oktober. Das war die Zeitung von damals mit der Todesanzeige. Maxine musste an dem verstaubten Karton mit den alten Fotos gewesen sein.
Читать дальше