Ethel hat ihm sicher wieder in den Ohren gelegen, doch mit ihr in den Süden zu fahren, und da sucht er meine Sympathie, meine Unterstützung, nahm Wall im Stillen an.
Beide Männer hatten sich angezogen und saßen nun in einer Ecke der Cafeteria. Durch die riesigen Panoramafenster konnten sie die Aktivitäten in den verschiedenen Bassins in der Halle beobachten. Boströms kreideweißes Haar klebte ihm am Schädel. Seine rosa getönte Kopfhaut war zwischen den Kammstrichen zu erkennen, wenn er sich vorbeugte, um von dem heißen Kaffee zu trinken. Das Muttermal auf seiner Wange leuchtete kräftig und aufdringlich. »Ethel hat auf mich eingeredet«, erklärte Boström, »zuletzt heute Morgen. Deshalb bin ich zu dir gekommen.«
Aha, nun geht es los. Wohin will sie denn diesmal? Nach Spanien? Westindien? Thailand? Oder wieder nach Kreta?
Aber die Unterhaltung gestaltete sich nicht so, wie Wall es erwartet hatte.
Boström zündete eine Zigarette an und fragte: »Weißt du, wer Margareta Andersson ist?«
»Ist das nicht eine von Ethels Freundinnen?«
»Ja, genau.«
Wall sah eine schmächtige und erstaunlich kleine Frau in den Fünfzigern vor sich. Er hatte im Zusammenhang mit einem von Veganern verübten Überfall mit ihr zu tun gehabt.
»Die Sache ist die«, fuhr Boström fort, »diese Margareta wird offenbar von irgend so einem perversen Verrückten am Telefon terrorisiert und hält das nicht länger aus. Deshalb hat Ethel mich gebeten, doch dagegen etwas zu tun.«
»Wir haben in letzter Zeit überraschend viele Anzeigen wegen Telefonterror reingekriegt. Es sieht so aus, als ob da jemand wirklich in Fahrt gekommen ist. Sonst gab es immer nur mal sporadisch einen Hinweis, aber im Augenblick vergeht kaum ein Tag, ohne dass irgendeine arme Seele anruft und ihr Leid klagt. Natürlich ist das ein Grund, der Sache nachzugehen, aber deshalb musstest du mich doch nicht hier aufsuchen? Hättest du nicht direkt zum zuständigen Diensthabenden gehen können?«
»Ehrlich gesagt habe ich auf dem Weg hierher auch im Revier reingeschaut, aber da saß nur dieser bissige Dalman, und mit dem kann man doch über so etwas nicht reden. Eigentlich über vieles nicht, wenn ich recht überlege.« »Aber Dalman ist einer von denen, die an den Ermittlungen beteiligt sind.«
»Der Kerl hat ein Problem. Das wissen doch alle. Seine Ehe knackt in allen Fugen. Wird vielleicht diesen Sommer nicht mehr überleben. Nun gut. Wenn ich ihn darauf ansetze, wird er mir sagen, dass der Journalist Egon Fager hinter all dem steckt, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Dalman hat Fager auf dem Kieker, so einfach ist das.«
Wall nickte und bemerkte aus dem Augenwinkel heraus, dass ein bulliger Bademeister in weißem Overall sich ihnen näherte.
»Was meinst du, Sten, kannst du den Ermittlungen etwas mehr Dampf machen? Ist das möglich?«
»Wir sind knapp mit Leuten«, erklärte Wall ausweichend.
»Du weißt doch, dass Jan Carlsson zum Skifahren in den Bergen ist?«
»Wozu soll das denn gut sein? Skifahren in den Bergen? Na, da würde ich mich aber bedanken!«
Der Bademeister war herangekommen. Er stellte sich hinter sie und räusperte sich laut und vernehmlich.
Boström nahm keine Notiz von ihm, rauchte mit unverminderter Intensität weiter.
»Versuch es doch bitte, mir zuliebe. Ethel hat mich darum gebeten, dich um Rat zu fragen. Aus irgendeinem Grund hat sie großes Vertrauen zu dir ...«
»Es ist verboten, hier zu rauchen«, erklärte der Bademeister.
Boström warf ihm einen irritierten Blick über die Schulter zu und wandte sich dann erneut an Wall: »Sie hat mich ausdrücklich darum gebeten, dich zu fragen, ob du dich der Sache annimmst. Wenn überhaupt einer, dann könntest du es schaffen, dieser Sache ein Ende zu bereiten. Das glaubt jedenfalls Ethel. Margareta, ihre Freundin, ist vollkommen außer sich. Und so wie ich es verstanden habe, ist ihr ungehobelter Mann ihr in keiner Weise eine Hilfe.«
»Ich kann auch keine Wunder vollbringen«, sagte Wall.
»Es ist in der ganzen Halle verboten zu rauchen«, erinnerte der Bademeister.
»Um Gottes willen! Sehen Sie denn nicht, dass wir uns mitten in einem wichtigen Gespräch befinden?«, zischte Boström.
»Es sind viele Kinder in der Halle. Der Tabakrauch ...«
»Mein Bester. Glauben Sie bitte nicht, dass ich mich über Gesetze und Verordnungen hinwegsetzen will. Wenn hier Rauchverbot herrscht, nun gut. Dann muss man das respektieren. Aber nun ist es so, dass ich von keinerlei diesbezüglichen Restriktionen wüsste, und dies ist wohl auch kein Wunder, da ich kein einziges Schild finde, welches mich darüber aufklärt, dass man hier nicht rauchen darf. Gibt es irgendwo so ein Schild? Nein? Na also. Und wo stört der Rauch denn Kinder? Gibt es ein einziges Kind hier in der Cafeteria, bitte schön? Ach, gibt es nicht? Na, ich sehe auch keines, die planschen doch alle da in der großen Halle herum und scheinen großen Spaß zu haben, genau wie es sein soll. Und keine Sorge, ich bin auch gleich fertig, sofort, glauben Sie mir.«
Boström stieß eine Rauchwolke aus.
»Wir haben eine Toleranzspanne von null Prozent in diesem Land. Bald werden sie noch ein Kopfgeld auf uns Raucher aussetzen«, sagte er und starrte seinen Kollegen um Verständnis heischend an.
»Ich kann mir das ja mal anschauen«, sagte Wall, der nicht mal heimlich eine Zigarette rauchen würde, »und auf jeden Fall werde ich CeHa und den anderen einen Schubs geben. Diese anonymen Anrufe haben etwas wirklich Unangenehmes an sich, etwas Ekliges und Anstößiges.«
»Mach das«, sagte Boström zufrieden.
Der Bademeister zog sich mit einem Achselzucken zurück.
»Dann müssen wir hier wohl Rauchmelder installieren«, brummte er.
Sten Wall sagte: »Ich werde mich gleich mal über die Sache informieren, aber ich kann nichts versprechen.«
»Das erwarte ich ja auch gar nicht, nur, dass du es mal versuchst.«
»Was anderes, Helge. Guck dich doch mal um! Was siehst du? Massen an Menschen, mit den gleichen physischen Voraussetzungen. Zwei Augen, eine Nase, zwei Ohren, zwei Arme, ein Kopf und so weiter. Alle sind in dieser Beziehung gleich.«
»Da hinten sitzt ein Einbeiniger«, stellte Boström fest und zeigte durch das Panoramafenster hinaus. »Er ist nicht wie die anderen.«
»Du begreifst doch wohl, was ich sagen will?«
»Nicht alle haben zwei Beine, der da hinten nicht. Möchte wissen, was ihm widerfahren ist. Vielleicht ein Verkehrsunfall.«
»Ja, ja, aber worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Wir sind eigentlich gleich, auch wenn wir unterschiedlich aussehen. Kannst du mir dann erklären, warum um alles in der Welt mein linker Fuß deutlich mehr schwitzt als mein rechter?«
»Ach Gott, hast du auf deine alten Tage Schweißfüße gekriegt? Ich habe gar nicht gemerkt, dass du nach Fußschweiß riechst. Aber du hast ja auch immer Schuhe an, wenn wir uns sehen.«
»Wenn ich in der Sauna sitze, dauert es nicht lange, und dann beginnt es um den linken Knöchel zu perlen.«
»Und was ist mit dem rechten?«
»Der kriegt nur eine leichte Schweißschicht, mehr nicht. Verdammt merkwürdig.«
»Klingt nach was Ernstem. Du solltest mal einen Arzt konsultieren.«
»Meinst du das wirklich?«
»Nun guck nicht so ängstlich. Merkst du nicht, dass ich nur Spaß mache? Ach übrigens: Wie läuft es mit dem Abnehmen?«
»Ganz gut.«
»Das merkt man gar nicht. Nimm es mir nicht übel, wenn ich dir das so direkt sage.«
»Und wie läuft es mit dem Rauchen?«, konterte Wall streitlustig. »Hattest du Ethel nicht versprochen, ein für alle Mal aufzuhören?«
»Neujahrsversprechungen! Was sind die schon wert!«
Frisch, munter und ohne die geringste Spur von Kreislaufschwäche traf Wall im Kriminaldezernat ein, wo er direkt auf Otto Fribing stieß, den besten Schützen und fanatischsten Bodybuilder der Abteilung.
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