Björn Hellberg - Grabesblüte - Schweden-Krimi

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Eine Satanssekte treibt ihr Unwesen in der beschaulichen schwedischen Kleinstadt Stad: Die nächtlichen Rituale auf dem Friedhof und die grausamen Tieropfer versetzen die Bürger von Kommissar Sten Walls Heimatort in Aufruhr. Als dann auch noch zwei menschliche Leichen mit einem auf die Stirn gemalten Bocksfuß gefunden werden, glaubt der Kommissar an eine Verbindung zur Sekte. Doch dann verschwindet ein Sektenmitglied spurlos und das Blatt wendet sich noch einmal… Höchste Spannung und viel Lokalkolorit verspricht die beliebte 23-teilige Krimi-Serie um den sympathischen schwedischen Kriminalkommissar Sten Wall. Die meisten Fälle spielen in der fiktiven Stadt namens Stad in der südschwedischen Provinz Schonen. Bei SAGA Egmont sind die Bände "Ehrenmord", "Mauerblümchen", "Todesfolge", "Grabesblüte" und "Quotenmord" erhältlich.

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Björn Hellberg

Grabesblüte - Schweden-Krimi

Saga

Grabesblüte - Schweden-Krimi

Übersetzt

Astrid Arz

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 2005, 2020 Björn Hellberg und SAGA Egmont

All rights reserved

ISBN: 9788726444940

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Sonntag, 17. September, früher Abend

Das planvoll Böse brütete im bald undurchdringlichen Dunkel des Waldes, während der alte Mann mühsam seiner gewohnten Abendbeschäftigung nachging. Unversöhnliche Augen folgten ihm, während er, schwer auf seinen Spazierstock gestützt, vorantaperte, nur um etwa alle drei Minuten stehen zu bleiben und eine Verschnaufpause einzulegen.

In letzter Zeit war er immer gebrechlicher geworden. Früher hatte er auf seinen Spaziergängen nie Pausen gebraucht. In seiner besten Zeit war er ausdauernd wie kein Zweiter gewesen.

Ihm fiel eine bekannte Lebensweisheit ein: Je schneller man in seiner Jugend gelaufen ist, desto älter wird man.

Nun, wie auch immer, das Gehen fiel ihm nicht mehr so leicht wie früher, das stand jedenfalls fest.

Bei seinen gelegentlichen Einkaufsgängen griff er zur Gehhilfe. In der Stadt war das sehr praktisch. Nur hier nicht. Auf den weichen Waldwegen war damit nichts anzufangen. Er hatte es einmal versucht, aber sofort aufgeben müssen. Die Räder sanken zu tief in den Erdboden ein und rutschten ihm weg.

Natürlich gab es andere Spazierwege in Stad. Zum Beispiel gefiel ihm der Park in der Stadtmitte sehr gut. Aber bis dahin war es von seiner Wohnung aus zu weit. Dieses abgelegene, ruhige Gebiet hinter den tristen Hochhäusern von »Grönland« war für ihn günstiger gelegen. Auf den Straßen zwischen den vielen Mietskasernen spazieren zu gehen, sagte ihm gar nicht zu. Der Weg ins Stadtzentrum war leider zu weit, und das Gedrängel in Bussen mochte er nicht. Ein Taxi kam für einen Mann mit seinen bescheidenen Mitteln natürlich gar nicht erst infrage.

An sich konnte er sich ja auch den Seniorenfahrdienst bestellen, aber das war mit ein wenig Aufwand verbunden. Zudem wollte er niemandem zur Last fallen. Schließlich könnte eine Zeit kommen, in der er diesen Service wirklich brauchte, und er wollte nicht als ein Parasit angesehen werden, der die Gesellschaft unnötig belastete. Bislang hatte er sich aus eigener Kraft achtzig Jahre lang über Wasser gehalten, und wenn es nach ihm ging, würde er bis zu seinem Tod so weitermachen. Natürlich wusste er, dass ihm die Benutzung des Fahrdienstes zustand, doch trotz seiner ausgeprägten Sparsamkeit ging es ihm gegen den Strich, um Zuwendungen bitten oder betteln zu müssen.

Also musste er sich wohl mit diesem etwas ungemütlichen Waldgebiet abfinden. Hier war er wenigstens allein mit seinen Gedanken.

Diese Abendstunden waren wie ein Geschenk für ihn. Ein paar Mal hatte er versucht, sie ausfallen zu lassen. Immer mit dem gleichen betrüblichen Ergebnis: Er konnte sehr schlecht einschlafen.

Seine Abendspaziergängen machten einen klaren Kopf und erschöpften ihn körperlich. Davon war er geradezu abhängig.

Da er nie allzu lange fortblieb, ließ er das Licht in der Wohnung an. Das war zwar Verschwendung, keine Frage. Aber die Vorstellung, in eine dunkle Wohnung zurückzukommen, sagte ihm gar nicht zu; das kehrte seine Einsamkeit so heraus. Das Licht war wie ein Willkommensgruß, den kleinen Luxus konnte er sich wohl leisten. Außerdem hatte er nur die eine Hälfte des Jahres erhöhte Stromkosten. Und wofür sparen und hamstern, wenn man am Ende doch nichts mit hinübernehmen konnte?

In der Regel ging er zwischen sieben und acht Uhr hinaus. Wieder zu Hause angekommen, entspannte er sich dann noch ein Stündchen vor dem Fernseher, ehe er seinen Toilettengang erledigte. Danach war es höchste Zeit für ihn, ins Bett zu gehen. Er hatte festgestellt, dass er mit dieser Zeiteinteilung gut zurechtkam, also gab es keinen Grund, etwas daran zu ändern.

Der Wald zog sich Richtung Norden. Unter den Bäumen fand er Schutz vor dem Wind, der bald kalt und durchdringend heranfegen würde – wie ihm der schwedische Winter verhasst war! Aber noch ließ es sich aushalten. Dieser Septemberabend war sogar verhältnismäßig mild. Der frische, klare Sonntag hatte immer mal wieder reichlich Sonnenschein gebracht.

Die Aussichten für die nächsten Tage waren auch erfreulich. Eine Woche lang schönes Herbstwetter lautete die Voraussage. Und heutzutage lagen sie meistens richtig mit ihren Prognosen, mit all den modernen Hilfsmitteln, die ihnen zur Verfügung standen. Wie waren die Wetterfrösche nur früher zurechtgekommen, als sie noch keinen Zugang zu Satellitenaufnahmen hatten?

Der alte Mann blieb stehen. Auf seinen Stock gestützt, sog er keuchend in kurzen Atemzügen die frische Herbstluft ein. Unter den Bäumen kam das Böse leise und zielbewusst Schritt für Schritt näher, während in der Ferne gedämpft und monoton der Wochenendverkehr vorbeibrauste.

Der Alte überlegte, ob er noch ein Stück weitergehen oder sich auf den Heimweg machen sollte. Er brauchte nicht lange, um sich zu entscheiden.

Bald würde das Dunkel der Dämmerung in rabenschwarze Finsternis übergehen, also war es wohl das Sicherste umzukehren.

Nicht etwa, weil er Angst im Dunkeln hatte.

Die vielen Jahre an Deck mit dem Meer als einzigem Nachtgefährten hatten ihn abgehärtet. Im Dunkeln fürchtete er sich nicht, das war schon seit seiner Kindheit so gewesen.

Allerdings könnte er den Weg nicht mehr richtig erkennen, wenn sich das Dunkel zwischen den Stämmen verdichtete. Er fürchtete, einen falschen Schritt zu machen, hinzufallen und sich zu verletzen. So etwas konnte in seinem Alter gefährlich sein. Hatte man nicht oft genug von alten Leuten gehört, die mit einem Oberschenkelhalsbruch liegen geblieben waren?

So wollte er nicht enden. Auf gar keinen Fall.

Außerdem: Wer sollte ihm zu Hilfe kommen? Hier, in der selbst gewählten Einsamkeit, würde ihn niemand hören, wenn ein Unglück geschah. Da konnte er in seiner Qual herumliegen und sich heiser schreien, ohne dass es etwas nützte. In dieses Gebiet kamen fast nie andere Spaziergänger. Das Waldstück war nicht besonders beliebt, mit ein Grund, weshalb er es sich für seine Abendspaziergänge ausgesucht hatte. Die Einsamkeit gefiel ihm.

Eine Weile hatte er sich überlegt, ob er sich ein Handy anschaffen sollte, nur zur Sicherheit. Doch mit seiner Skepsis gegenüber allem Neumodischen hatte er sich nie zum Kauf überwinden können. Vielleicht war es an der Zeit, seine Einstellung zu ändern, aber das Ganze war ja auch eine Kostenfrage.

Er machte auf dem Absatz kehrt, holte dabei zu viel Schwung und merkte, wie er den Bodenkontakt verlor. Ein paar Schrecksekunden lang stand er schwankend da, den Stock fest und verzweifelt umklammernd, kurz davor umzufallen.

Doch er fand das Gleichgewicht wieder und konnte sich nach ein paar tiefen Atemzügen auf den Nachhauseweg machen.

In einiger Entfernung tappte lautlos das todbringende Böse, den Blick unablässig auf die gekrümmte Gestalt gerichtet, die sich mit dem Stock vorantastete und die so langsam ging, so aufreibend langsam.

Der Alte erinnerte sich an seine Zeit auf See. So lange war das her, dass er nicht mehr wusste, ob er sich danach sehnte oder nicht.

Nicht, dass es ihm jetzt noch etwas bedeutet hätte.

Und wenn er sich noch so sehr anstrengte, an die meisten Namen all der vielen Schiffe, mit denen er gefahren war, konnte er sich einfach nicht mehr erinnern.

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