»Vor nur wenigen Stunden hast du, CeHa, behauptet, dass solche Elemente sich mit Worten begnügen, dass sie nur äußerst selten physischen Kontakt zu ihren Opfern aufnehmen.«
»Ja, das habe ich gesagt, aber nach dem Gespräch mit Kerstin Jonsson bin ich mir da nicht mehr so sicher. Ich habe das Gefühl, als braue sich da etwas zusammen.«
»Wie hat sie reagiert?«
»Sie scheint ein ziemlich robuster Charakter zu sein. Ich glaube, sie hat die Ruhe bewahrt. Sie ist von den Frauen, mit denen ich geredet habe, diejenige, die den gefestigsten Eindruck gemacht hat, aber ich hatte ja nur mit dreien Kontakt. Wobei ich Eva-Louise nicht mitrechne, da sie ja eine von Evas besten Freundinnen ist.«
Wall wusste, dass nicht nur die Familien Castelbo und Dalman sich ab und zu in der Freizeit trafen, sondern auch, dass in erster Linie die Frauen ein herzliches Verhältnis zueinander hatten.
»Hast du Kerstin Jonsson gesagt, dass wir unsere Bemühungen verstärken, diesen Belästigungen Einhalt zu bieten?«
»Selbstverständlich. Aber ich habe keine Details verbreitet, sie nur ermahnt, vorsichtig zu sein, und sofort von sich hören zu lassen, wenn es etwas Neues gibt. Ich habe auch mit ihrem Mann gesprochen. Er hat das Problem gut verstanden. Er scheint übrigens auch eine besonnene Person zu sein, die mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität steht. Ich glaube, er ist eine große Stütze für sie.« »Wie schön. Soll doch am besten Maggie Larsson sie Montag besuchen.«
»Sten, ich habe das Gefühl, dass dieser Anrufer immer frecher wird, sich immer näher an seine Opfer heranwagt.«
»Das scheint so. Er meint wohl, weil es bisher so gut geklappt hat, kann er jetzt größere Risiken eingehen. Und ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass er sich früher oder später traut, direkt zuzuschlagen.«
»Dann müssen wir ihn vorher schnappen.«
»Ja, hoffen wir, dass er nach seinen ersten Erfolgen unvorsichtig wird.«
Sie beendeten das Gespräch, und Wall ging zurück ins Wohnzimmer. Das Spiel war zu Ende. Das Telefon ertönte von neuem, als er gerade im Videotext blätterte, um das Resultat zu erfahren. Mit einem Seufzer stellte er den Fernseher aus und eilte in die Küche.
Diesmal war es Margareta Andersson. Sie entschuldigte sich, nicht schon früher angerufen zu haben, und erklärte, Sverre sei erst jetzt für ein paar Partien mit den Nachbarn in die Bowlinghalle gegangen.
»Er unternimmt samstags immer etwas. Sportliches, meine ich. Bowling, Jogging, Badminton. Etwas in der Art. Er hält sich gern in Form, meint, dass er in seinem Beruf zu viel herumsitzt. Aber normalerweise geht er nicht so spät abends erst los. Meistens mitten am Tag.«
»Ich persönlich gehe samstags immer in die Sauna«, erzählte Wall, obwohl er nicht glaubte, dass diese Information für seine Gesprächspartnerin von besonders großem Interesse war.
Aber irgendwas musste er schließlich sagen.
»Ach, ja. Ich für meinen Teil mag die Sauna nicht. Fühle mich dort nicht wohl. In der Hitze kriege ich nur schlecht Luft. Jedenfalls tut es mir Leid, dass ich bei unserem letzten Gespräch so kurz angebunden war, aber Sverre hing mir fast an der Schulter, und ich wollte ihn nicht mit ekligen Details belasten. Ich meine den Details aus den Telefonaten mit diesem ...«
»Das verstehe ich nur zu gut.«
»Sverre ist nicht gerade der verständnisvollste Mann der Welt, das muss ich zugeben, auch wenn ich mit ihm verheiratet bin. Ich habe mich kaum getraut, ihm zu erzählen, was das Schwein zu mir gesagt hat, nur, dass er angerufen hat und dass es widerlich war.«
Nach kurzem Zögern sagte sie: »Ich muss Ihnen noch etwas anderes sagen.«
Der Kommissar wartete ab, wechselte nur die Hand am Hörer.
»Es ist nämlich so, dass ich eine ziemlich prüde Person bin. Vielleicht gehe ich auch deshalb nicht in eine öffentliche Sauna. Ich will mich nicht vor anderen Leuten nackt zeigen, nicht einmal vor Frauen. Und was jetzt passiert ist, das ist so schrecklich. Ich habe noch niemals so etwas Widerwärtiges erlebt, das ist ja sogar schlimmer als damals dieser Überfall der Veganer. Die habe ich ja wenigstens gesehen, auch wenn sie Masken trugen, schwarze Larven, die sie sich übers Gesicht gezogen hatten. Es war schrecklich, und dennoch ... das jetzt, das ist noch viel schlimmer. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt Einzelheiten berichten möchte.«
»Das ist auch gar nicht nötig, in der Beziehung brauchen Sie sich wirklich keine Sorgen zu machen.«
»Aber so viel kann ich doch sagen: Er hat schreckliche Dinge gesagt. Der Kerl muss ernsthaft gestört sein. Meistens habe ich den Hörer sofort wieder aufgeschmissen, aber er hat es dennoch jedes Mal geschafft, noch etwas Kränkendes loszuwerden. Etwas ... Persönliches.«
»Das kann ich mir denken.«
»Und er hat so eine Art Technik, die dazu führt, dass ich manchmal geradezu gezwungen bin, ihm zuzuhören, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Wie oft hat er angerufen?«
»Viel zu oft. Sechs, sieben, acht Mal vielleicht. Ich habe nicht mitgezählt.«
»Und Sie haben keinen Verdacht, wer es sein könnte?«
»Absolut keinen.«
»Wissen Sie, wir haben eine weibliche Beamtin bei uns im Polizeirevier. Ja, wir haben natürlich mehrere, aber ich denke da an eine, sie heißt Maggie Larsson, und mit ihr kann man sehr gut reden. Ich habe gedacht, ob sie beide, Sie und Maggie, sich nicht einmal treffen wollen, um ...«
»Aber erst, wenn Sverre weggefahren ist. Vorher nicht. Hören Sie? Er fährt am Dienstagmorgen nach Norwegen. Vorher ist es ausgeschlossen, dass ich zu einem Verhör komme.«
»Es handelt sich nicht um ein Verhör«, betonte Wall freundlich. »Betrachten Sie es lieber als ein Gespräch. Mein Gedanke war nur, dass es leichter sein kann, sich in diesem Fall einer Frau anzuvertrauen als einem Mann.«
Er machte eine Pause und interpretierte ihr Schweigen als Zustimmung.
»Und natürlich warten wir ab, bis die Gelegenheit günstig ist, bevor ...«
»Bitte missverstehen Sie mich nicht«, unterbrach sie ihn erneut. »Sverre und ich, wir leben gut zusammen, es gibt eigentlich keine größeren Probleme, aber leider braust er schnell auf und deutet Worte und Dinge falsch. Und wenn er auf die Idee kommen sollte, dass dieser widerliche Kerl und ich ...«
Jetzt war Wall an der Reihe, sie zu unterbrechen.
»Lassen Sie mich bitte etwas sehr Wichtiges festhalten. Männer wie dieser Kerl suchen sich ihre Opfer fast immer nach dem Zufallsprinzip aus, vielleicht, indem sie im Telefonbuch nachgucken, vielleicht, indem sie sich an jemanden hängen, den sie auf der Straße gesehen oder dessen Foto sie in der Lokalzeitung gefunden haben oder Ähnliches. Nur in Ausnahmefällen wählen sie jemanden, den sie in privaten Zusammenhängen getroffen haben, außer natürlich, wenn es sich um Rache irgendeiner Art handelt. Und bedenken Sie, dass wir viele Anzeigen erhalten haben, von mehreren Frauen, die nichts miteinander zu tun haben. Und keine einzige von ihnen hat auch nur die geringste Ahnung, wer es sein könnte, der sie da terrorisiert.«
»Aber Sverre hat manchmal eine so merkwürdige Phantasie. Er könnte auf die Idee kommen, dass ich, vielleicht ja ganz unbewusst, jemanden ermuntert habe.«
»Vergessen Sie’s.«
An ihrem Atem konnte er hören, dass sie nicht überzeugt war.
»Bis jetzt hat er sich mit Telefongesprächen begnügt. Wird er weiter gehen?«
»Wohl kaum.«
»Aber ausgeschlossen ist das nicht? Dass er einen Schritt weiter geht und mich angreift? Er hat Sachen in dieser Richtung angedeutet.«
»Das Risiko ist minimal.«
»Aber es besteht dennoch?«
»Ich denke, nicht«, sagte Wall und hoffte, dass er sie damit nicht in falscher Sicherheit wiegte.
Was hatte er doch zu Dalman gesagt?
Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass er sich früher oder später traut, direkt zuzuschlagen.
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