1. Prolog 1. Prolog Später, als der Boden um ihn herum brannte, als die Schreie in seinen Ohren gellten und sein Tod mit gefletschten Reißzähnen auf ihn zuflog, dachte er an Lukacs. Er dachte immer an Lukacs. Morgens, wenn er sich mit steifgefrorenen Gliedern erhob, wenn er sich bereit machte, einen weiteren Tag zu überleben (oder auch nicht). Wenn sein Schwert auf das eines Feindes traf, wenn er Rauch schmeckte, Blut und Eisen, wenn Klingen sich in weiche Gedärme bohrten. Wenn er sich schlafen legte, zu müde, um den Frost zu spüren, der die Erde unter ihm verhärtete. Immer dachte er an Lukacs. Und immer dachte er dasselbe: Es tut mir leid.
Hamparal Hamparal
2. Gal Oshin
3. Ein Lichtschimmer
4. Morgen
5. Gesegnete Zeiten
6. Ein Angebot
7. Erntefest
8. Ein dreibeiniges Schwein
9. Im Stall
10. Bitteres Erwachen
Der Frost
11. Im Krieg
12. Drache
13. Nachhall
14. Schnee und Schuld
15. Rückkehr
16. Leere
17. Etwas fehlt
18. Frostschäden
19. Juma Cristello
20. Gefrorenes Blut
21. Assunta
22. Feuer mit Feuer
23. Kalt und gefährlich
24. Der Frost
25. Wiedersehen
26. Pläne
27. Flucht aus dem Institut
28. Die Katastrophe
29. Splitter
30. Feuersiegel
31. Anders
32. Lukacs Andon
33. Die Größte Schlacht
34. Das Ende der Siegel
35. Ein Zuhause
36. Am Meer
Impressum
Frostsklave: Der Schöne und das Biest 3
Text Copyright © 2020 Regina Mars
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Regina Mars
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Umschlaggestaltung: Sylvia Ludwig, Regina Haselhorst
Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.
Später, als der Boden um ihn herum brannte, als die Schreie in seinen Ohren gellten und sein Tod mit gefletschten Reißzähnen auf ihn zuflog, dachte er an Lukacs.
Er dachte immer an Lukacs.
Morgens, wenn er sich mit steifgefrorenen Gliedern erhob, wenn er sich bereit machte, einen weiteren Tag zu überleben (oder auch nicht). Wenn sein Schwert auf das eines Feindes traf, wenn er Rauch schmeckte, Blut und Eisen, wenn Klingen sich in weiche Gedärme bohrten. Wenn er sich schlafen legte, zu müde, um den Frost zu spüren, der die Erde unter ihm verhärtete. Immer dachte er an Lukacs. Und immer dachte er dasselbe:
Es tut mir leid.
Hamparal
»Junge«, begann seine Mutter und Gal wusste, dass sein schlimmster Alptraum wahr wurde.
Einen Moment lang tat er so, als würde er sie nicht hören. Er packte einen Kürbis, ein warziges, fettes Ding, und wuchtete ihn vom Karren. Staub wirbelte auf und kratzte in seiner Nase, füllte sie mit erdigem Geruch. Erst dann holte Gal tief Luft und sah sich zu ihr um. Nickte seiner Mutter zu, die klein und vertrocknet aussah, vor dem wilden Treiben auf dem Marktplatz. Vor der wogenden Menschenmenge, durch die kreischende Kinder glitten wie Stichlinge durch einen Schwarm fetter Karpfen.
»Was ist?«, knurrte Gal und richtete sich auf. Hoffte, dass sie schweigen würde, wider alle Vernunft. Doch sie sprach.
»Junge, wir können dich nicht mehr durchfüttern.« Die Worte kamen gehetzt, als hätte seine Mutter sich den Satz im Kopf zurechtgelegt, den ganzen Weg über. Den ganzen Weg von ihrem Hof bis zum Marktplatz, dem Zentrum von Hamparal, der größten Stadt, die Gal kannte. Der einzigen Stadt, die Gal kannte.
»Ihr füttert mich nicht durch«, sagte er und versuchte, das Zittern aus seiner Stimme herauszuhalten. Wütend zu schauen, so wütend, wie man es von einem Biest erwartete. »Ich arbeite. Ich schufte mir den Rücken krumm für Vati und dich. Was ist das für eine Scheiße, die du da laberst?«
Sie hob das Kinn. Das breite Oshin-Kinn, das seinem so ähnelte, obwohl er sie um zwei Köpfe überragte. Einen Moment lang trug sie das verschlissene Kopftuch wie die Bürgermeisterin ihren gefiederten Hut.
»Wir können den Hof auch ohne dich bestellen, Junge. Und dein Bruder sucht sich 'ne Frau, hoffentlich bald, und dann ist kein Platz mehr für dich. Sie werden Kleine haben und so. Du musst gehen.«
»Warum ich?«, fragte er, obwohl er die Antwort kannte. Sie waren zu elft. Mutter, Vater, zwei ältere Geschwister und sechs jüngere.
Aber nur einer von ihnen war verflucht.
»Du weißt, warum.« Ihre Stimme war hart. Ihr Blick war härter. »Ich kann es nicht ändern. Wenn ich deinem Vater gut zurede, lässt er dich noch bis zum Herbst hier.«
Gal schwieg. Dabei hätte er eine Menge dazu sagen können. Zum Beispiel:
Klar, für die Ernte im Herbst braucht ihr mich ja noch. Aber dann kann ich gehen.
Oder:
Wenn Vati mich loswerden will, soll er es mir ins Gesicht sagen. Egal, wie scheißhässlich mein Gesicht ist.
Oder:
Es ist nicht meine Schuld, dass das Monster auf dich gezeigt hat.
Ein Monster wie das, das mitten auf dem Marktplatz stand, die Hände im Pranger, und mit stierem Blick in die Ferne schaute. Pferdeäpfel und Kohlblätter klebten auf seinem Kittel und den bloßen Armen. Es sah aus wie ein magerer Mann mit Hakennase, kaum älter als Gal mit seinen siebzehn Jahren. Aber alle wussten, dass es kein Mann, sondern ein Monster war. Ein Brandstifter.
Sie hatten ihn aus einem der Dörfer östlich von Hamparal geholt. Er stand am Pranger, weil sein Onkel ihn gestern dabei erwischt hatte, wie er ohne Feuerstein oder Glut ein Feuer entzündet hatte. Nur mit seinen Händen. Die Hände, die nun im Metallpranger steckten. Morgen würden sie ihn fortjagen. Wenn er Glück hatte. Dem letzten Brandstifter hatte man die Kehle durchgeschnitten, nachts, während er am gleichen Platz gestanden hatte wie der Mann da oben.
Gal kannte ihn vom Sehen. Einmal hatte der Kerl ein Stück Pökelfleisch bei ihm gekauft und wie alle versucht, ihm nicht in die Augen zu sehen. Nichts von dem Fluch abzubekommen, der Gal zur hässlichsten Missgeburt des gesamten Herzogtums machte.
Nun stand er da oben, voll Scheiße, und Gal war immer noch eine hässliche Missgeburt. Noch. Bald würde er eine heimatlose hässliche Missgeburt sein.
Er sah sich um. Krumme Fachwerkhäuser stachen in den bewölkten Himmel. Der Boden zu seinen Füßen war uneben und plattgetrampelt. Von den unzähligen Menschen, die an ihrem Karren und dem Stand vorbei strömten, kannte er nur wenige. Doch alle erkannten ihn. Das verfluchte Balg. Das, auf das einst ein Brandstifter gezeigt hatte, als Gal Mamas Bauch noch fett und rund gemacht hatte. Der Mistkerl hatte ihn verflucht, bevor sie ihn aufgeknüpft hatten.
Du wirst einen Dämon gebären, Weib.
Gal unterdrückte das Bedürfnis, seine Hörner zu berühren, wuchtete einen weiteren Kürbis vom Karren und stierte ein Kind böse an, das ihn aus kreisrunden Augen ansah. Es erschrak und flüchtete zurück in die Menge.
Niemand würde ihn aufnehmen, egal, wie hart er arbeitete. Er hatte nur eine Möglichkeit, und die war tödlich.
»Du willst, dass ich mich den Söldnern anschließe«, sagte er zu seiner Mutter. Bitterkeit triefte aus seiner Stimme. »Richtig?«
Sie nahm einen weiteren Kürbis aus dem Wagen. »Sie zahlen gut. Dreizehn Gulden im Monat. Ganz bestimmt. Balogs Jüngster hat dreizehn bekommen.«
»Balogs Jüngster ist tot.« Er versuchte, sich nicht zu fürchten. Redete sich ein, dass einem hässlichen, riesigen, verfluchten Mistkerl nichts Angst machen konnte. Aber die Angst scherte sich nicht darum. Wie ein Dolch bohrte sie sich durch seine Eingeweide. Er schmeckte Galle. »Er ist gefallen, kaum, dass er sich eingeschrieben hatte. Das sind sie alle. Weißt du noch, wie die Anheurer hier aufgekreuzt sind? Wie sie jedem Jungen einen Humpen Dunkles gekauft haben und erzählt haben, wie viele Gulden sie vom Herzog bekommen? Dafür, dass sie gegen den Drachenbaron kämpfen.« Beim Erntefest hatten sie sie angeworben, weil sie wussten, dass im Winter jedes hungrige Maul eins zu viel war. Weil die Eltern händeringend nach einem Weg suchten, jeden Sohn loszuwerden, der kein Stammhalter war. So wie er. »Sie sind alle tot. Nagy, Gaspar und Fodor. Und die beiden aus Onnere, die sie schon dabei hatten. Jeder, den sie angeheuert haben, ist verreckt.« Wütend sah er sie an. »Soll ich auch abkratzen? Willst du das?«
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