1. Besichtigung des Grauens
2. Ein unfähiger Einbrecher
3. Hausbesetzung für Anfänger
4. Barbecue-Frühstück
5. Freundliche Übernahme
6. Ruhe und Frieden und Langeweile
7. Überredungskunst
8. Ein miserabler Mitbewohner
9. Lügengespinste
10. Schuld
11. Schweigen im Hause
12. Gesprächspause
13. Die Wochenendplanung
14. Trainingstag
15. Frisch geduscht
16. Ein fauler Samstag
17. Psychisch einwandfrei
18. Ein annehmbares Abendessen
19. Montag
20. Entlarvt
21. Ungeschickte Themenwahl
22. Berichte
23. Gemein und fies
24. Heimkehr
25. Der peinlichste Abend aller Zeiten
26. Ekstase
27. Ein alter Schmerz
28. Das Gift der Vergangenheit
29. Ungebetener Besuch
30. Ausharren
31. Wartezimmerblues
32. Ein letzter Tag
33. Weihnachtsfunkeln
34. Letzte Nacht
35. Abschied
36. Ein überfälliges Treffen
37. Überraschung
38. Epilog
Liebe Bayern,
es tut mir leid.
Impressum
Das Monster im 5. Stock
Text Copyright © 2019 Regina Mars
Alle Rechte am Werk liegen beim Autor.
Regina Mars
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10247 Berlin
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Umschlaggestaltung/-illustration: Regina Haselhorst
Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.
Reale Personen wären auch vernünftig genug, Safer Sex zu praktizieren, im Gegensatz zu den Fantasiegestalten in diesem Roman. Die müssen sich darum keine Sorgen machen, da es sie nicht gibt.
1. Besichtigung des Grauens
Schwitzende Leiber drängten sich an Wastl. Eine Schulter rammte sein Schlüsselbein, eine Hand streifte seinen Hintern, aufgeregtes Keuchen drang in sein Ohr. Stimmen schwollen zu einem undefinierbaren Geräuschteppich an. Schweißgeruch vermischte sich mit dem nach Parkettpolitur.
Wenn ich die Augen fest schließe, kann ich mir einreden, ich wäre auf einem Konzert , dachte er. Oder auf meiner ersten Gangbangparty. Gibt es sowas in München?
Leider war er auf einer Wohnungsbesichtigung. Die mietwilligen Horden hatten die Frau von der Hausverwaltung zwischen Küche und Bad in eine Ecke gedrängt und redeten auf sie ein.
»Ich putze saumäßig gern«, brüllte ein Mann, der Wastl an seinen alten Nachbarn, den Elektriker-Toni, erinnerte. »Daheim wienere ich jeden Tag die Treppe blitzeblank.«
»Das ist schön«, sagte die Frau von der Hausverwaltung. Trotz des sorgfältig aufgetragenen Make-ups ähnelte ihre Haut inzwischen der weißen Tapete hinter ihr. Die Sonnenbrille zitterte in ihren strohgoldenen Haaren. »Aber wir beschäftigen einen Reinigungsdienst …«
»Meine Eltern bürgen für mich!«, rief ein junger Kerl dazwischen. Student, wenn Wastl die kunstvoll chaotische Frisur, den nervösen Blick und die schwindende Akne richtig deutete. Die Akne war auf dem Rückmarsch, der Student nicht. »Sie sind beide Beamte. Lehrer. Ich würde sagen, ich bin total wie die, echt pflegeleicht. Ich mag überhaupt keine Partys und … Mann, hör auf zu schubsen, du Miststück!«
Die winzige Frau, die ihn zur Seite gedrängt hatte, beachtete ihn nicht. Sie packte die Hausverwaltungsfrau mit beiden Händen an den Schultern. Grob. Silbern lackierte Krallen gruben sich in den cremefarbenen Blazer.
»Ich brauche die Wohnung!« Speicheltropfen flogen. »Bitte, das ist die fünfundsechzigste Besichtigung und ich muss übermorgen ausziehen!«
Die Hausverwaltungsfrau machte sich los. Schweiß glänzte auf ihrer faltenfreien Stirn.
»Danke für Ihr Interesse«, sagte sie. »Aber ich muss alle Interessenten begutachten. Bitte legen Sie Ihre Bewerbungsunterlagen auf den Tisch dort und verlassen Sie die Wohnung, sobald Sie alle Zimmer besichtigt haben. Es nützt Ihnen nichts, sich mir vorzustellen. Ich bin nicht die, die entscheidet!«
»Ja, aber Sie könnten doch ein gutes Wort für mich einlegen, oder?« Die Silberlackierte blickte flehend. »Das können Sie bestimmt.«
»Nein, kann ich nicht.« Die Hausverwaltungsfrau straffte sich und betupfte ihren Hals. »Die Bewerbungsunterlagen. Auf den Tisch. Bitte.«
Das funktionierte. Murrend schlichen die Massen durch die Wohnung, legten ihre Mappen auf den immer höher wachsenden Stapel und zogen weiter. Wie immer. Wastl sah, wie ein gutgekleideter Mann den Großteil des Stapels einsteckte, als gerade niemand anders schaute, und ihn in den Papierkorb im nächsten Flur warf. Unauffällig hob Wastl die Mappen heraus und legte sie zurück auf den Tisch. Seine drapierte er gleich obendrauf. Dann hätte er gehen können.
Das ist deine letzte Chance . Mach was.
Bewerbungssituationen waren ihm zuwider, aber er musste einfach etwas tun. Mit einem flauen Gefühl im Magen dachte er an den Rucksack, der unter seinem Schreibtisch auf der Arbeit lag. Heute Morgen hatte er aus dem Hostel ausziehen müssen. Er hatte gedacht, dass ein Monat reichen würde, um in München ein Heim zu finden. Ein WG-Zimmer, eine eigene Wohnung. Irgendetwas. Aber alles, was er bisher vorzuweisen hatte, waren 87 Absagen und ein überzogenes Bankkonto. Also straffte er sich und ging auf die Hausverwaltungsfrau zu. Sie tippte auf ihr Handy ein. Ihre Körpersprache war so einladend wie ein stacheldrahtbewehrter Zaun mit Selbstschussanlage.
»Servus.« Er räusperte sich.
Sie brummte etwas Unbestimmtes und tippte weiter. Er konnte sie verstehen. Aber er war verzweifelt.
»Ich wollt fragen, ob's … irgendetwas gibt, was man tun kann, um … Ich mein, was ist denn wirklich wichtig, um eine Wohnung zu bekommen? Ich versuch's schon seit vier Wochen und hab keinen Erfolg gehabt.«
»Da geht es vielen wie Ihnen«, sagte sie und sah auf. »Trösten Sie sich, damit stehen Sie nicht alleine …« Sie zögerte. Ihr Blick scannte sein verzweifeltes Lächeln, die breiten Schultern in der billigen Jacke und die Haare, die keinen Friseur mehr gesehen hatten, seit er seine Heimat verlassen hatte. Interesse flammte in ihren hellen Augen auf. Eindeutiges Interesse. »Nun, es gibt einige Faktoren, die Ihre Bewerbung hervorheben könnten. Haben Sie einen Bürgen?«
»Nein.« Der böse Kloß schnürte seinen Hals ab. Wie immer, wenn er sich daran erinnerte, wie allein er war.
»Niemanden?« Eine perfekte Augenbraue hob sich. »Keine Onkel, Tanten … Großtanten?«
»Nein«, sagte er. »Niemanden.«
»Ah.« Ihr Mund wurde schmaler. »Aber die Kaution von 3300 Euro könnten Sie schon aufbringen?«
»Da müsst ich um Ratenzahlung bitten.« Er versuchte es mit einem weiteren Lächeln. Doch er wusste, dass er verloren hatte. Das Licht hinter ihren Augen war erloschen.
»Das sind leider keine guten Voraussetzungen.«
»Ja, ich weiß.« Er seufzte. »Vielen Dank, trotzdem. Für die Auskünfte.«
»Bitte, bitte.« Statt sich wieder ihrem Handy zuzuwenden, legte sie den Kopf schief und lächelte. Sie hatte kleine, scharfe Zähne. Wie ein Marder. »Hast du heute Abend Zeit? Kann ich Du sagen? Ich kann dir die Wohnung nicht geben, aber ich könnte dir helfen, deine Unterlagen etwas aufzupolieren. Um neun im Brotlos?«
Wastls Hände wurden schwitzig. Das war eine Anmache, oder? Das war ganz bestimmt so ein … so ein Spruch mit den Unterlagen … Doch was, wenn sie ihm helfen konnte?
Nein , sagte seine Mutter in seinem Hinterkopf. Auf sowas lass dich nicht ein, Wastl. Das bereust du nachher nur. Die nette Frau nutzt du nicht aus.
»Oh, ich … ich muss spät arbeiten«, behauptete er, räusperte sich und flüchtete. Seine Wangen brannten. Daheim in Würzen hatte sich ab und zu mal eine für ihn interessiert, aber nie hatte eine Frau ihn so direkt eingeladen. Nicht, dass er das gewollt hatte. Deshalb war er ja in die Stadt gezogen. Um den blöden Fragen von seinen Freunden zu entgehen, die stets wissen wollten, wann er denn endlich eins der armen Mädels erhören würde. Würde er nämlich nicht. Würde er nicht können.
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