Inhaltsverzeichnis
1. Die Abenteuer von Bengalo Stutenknaller
2. Brötchen verdienen
3. Jute Jecken
4. Wettsaufen
5. Äh …
6. Reue, zu spät
7. Party!
8. Schlechter Sex
9. Mehr schlechter Sex
10. Gemeinsam
11. Oscar
12. Notruf
13. Wettrennen
14. Gute Taten
15. Romantik
16. Ein schwerer Gang
17. Sonntagsessen
18. Böller bauen
19. Kallenbroich
20. Spazierengehen
21. Märzen-Anstich
22. Nachwirkungen
23. Aufwärts
24. Mareks neues Leben
25. Drei Worte
26. Friedlich
Impressum
Sexy Versager
Text Copyright © 2016 Regina Mars
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Regina Mars
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1. Die Abenteuer von Bengalo Stutenknaller
»Junge, jetzt sei doch mal fröhlich.«
»Nein.«
Ben versuchte, mit der rechten Hand das Zigarettenpapier aus der winzigen Box zu ziehen, während er mit der linken sein Handy ans Ohr hielt. Klappte nicht. Also klemmte er das Ding zwischen Schulter und Kopf, eine Haltung, die nicht nur wehtat, sondern auch so wackelig war, dass das Display schon drei Sprünge davongetragen hatte.
Immerhin konnte er so Tabak aus der Packung rupfen. Die blaue Packung mit dem Foto, das er beim ersten Hinsehen für den Arsch einer Kuh gehalten hatte, die gerade furzte. Aber bei genauerer Betrachtung erkannte er es: Das schwarze Loch in der Mitte saß im faltigen Hals eines alten Mannes, nicht in einem Kuhhintern. »Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit«, las er. Und anscheinend verursachte es Halslöcher.
»Junge, hörst du mir überhaupt zu?«
Was?
»Ja klar, Mutti.«
»Nein, tust du nicht.« Sie klang todunglücklich. Wie immer, wenn sie mit ihm sprach. »Und du wirst nie auf mich hören. Du … dir ist ja egal, dass du uns hier zurücklässt. Ganz allein bin ich. Aber das stört den feinen Herrn ja nicht.«
»Wieso allein?«, knurrte Ben. »Andreas und Carolin wohnen doch noch bei euch und …«
»Carolin hat morgen einen Auftritt!« Mit einem Mal war seine Mutter wieder heiter wie ein Sommertag. »Hast du gehört? Im Gemeindehaus, mit der ganzen Truppe. Wir gehen alle hin. Willst du nicht auch kommen? Du hast es ja nicht so weit. Und an Karneval kannst du dir doch frei nehmen.«
»Mutti, bis Kallenbroich brauch ich sechs Stunden. Minimum.«
»Du hättest ja nicht so weit wegziehen brauchen«, zischte sie. »Du hattest doch alles hier: deine Eltern, deine Geschwister, deine Freunde … na, Freunde nicht, aber wenigstens Bekannte. Hättest nur ein bisschen glücklicher sein müssen, dann hättest du dich auch wohler gefühlt …«
Bens Gedanken schweiften ab. Er wusste eh, was jetzt kam: Ein Vortrag darüber, was für eine dumme Idee es gewesen war, nach Hamburg zu ziehen. Dass in der Heimat alles besser war. Dass er verdammt nochmal endlich ein bisschen lachen sollte, weil seine Mutter nicht glücklich sein konnte, wenn eines ihrer Kinder unglücklich war.
Er wusste ja auch nicht, was mit ihm nicht stimmte. Resigniert zündete er die schief gedrehte, murkelige Zigarette an und betrachtete sich in den beiden ausgeschalteten Bildschirmen: zu mager, zu mürrisch, zu blass. Die schwarzen Haare waren ungeschnitten und der graue Pullover hing von seinen knochigen Schultern wie ein leerer Mehlsack. Immerhin war er jung, was ihm in Hamburg ein paar Dates eingebracht hatte. Aber sobald die Kerle herausfanden, was er sonst noch für Probleme hatte, meldeten die sich auch kein zweites Mal.
Ben seufzte und nahm einen tiefen Zug. Wenn er aussähe wie dieser dämliche Marek aus seinem Studiengang, würden sich die Männer um ihn reißen, das war klar. Nur wollte er nicht aussehen wie der. Wie ein geleckter Anwaltssohn oder so. Immer gebügelt und geschniegelt und …
»… weiß auch nicht, was mit dir los ist, Junge«, sagte seine Mutter gerade. Ihre Stimme wurde immer schriller. »Du machst das doch mit Absicht! Du … du willst mich doch unglücklich machen!«
»Will ich nicht, Mutti«, murmelte Ben. »Mach ich nur irgendwie.«
»Ach, hör doch auf! Wenn du dir einmal Mühe geben würdest … Wenn du einmal versuchen würdest, ein glücklicher Mensch zu sein und die Sonne in dein Herz zu lassen …« Sie wurde poetisch, ein sicheres Zeichen dafür, dass das Gespräch gleich beendet sein würde. Ben wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Also rauchte er. »Ach, du hörst ja doch nicht. Du willst gar nicht hören! Ich … ich lege jetzt auf.«
»Mach's gut, Mutti.«
Ben hörte ein Klicken und fühlte sich ungefähr fünfhundert Kilo schwerer. Dabei wog er nicht mal siebzig. Bei starkem Wind hatte er Probleme, sich auf dem Bürgersteig zu halten und Hamburg war verdammt windig.
Aber das sonntägliche Telefonat mit seiner Mutter hatte immer diese Wirkung auf ihn. Diese beschwerende Wirkung. Als wären ihre Worte Blei, die durch sein Ohr krochen und sich in seiner Brust festsetzten. Mist, jetzt wurde er poetisch. Das konnte kein gutes Zeichen sein.
Ben erhob sich von seinem Schreibtischstuhl. Verlangend sah er auf die ausgeschalteten Bildschirme. War noch Zeit … Nein, war nicht. Er musste los, zur Arbeit. Sonntagszulage und so. Jetzt, wo die Klausurphase vorbei war, musste er sich um seine Finanzen kümmern. Seine wirklich sehr trostlosen Finanzen.
»Benni!« Nora klopfte an die Tür, die er wohlweislich abgeschlossen hatte. »Benniii!«
Aus dem Klopfen wurde ein Hämmern. Er drehte den Schlüssel im Schloss und riss die Tür auf.
»Was?«, blaffte er.
»Benniii!« Seine Mitbewohnerin strahlte ihn an. In ihren perfekt manikürten Händen hielt sie ein DVD-Cover. »Heute Filmabend? Bitteee!«
Ben sah auf das Cover. »Ein Mann zum Wegwerfen«, las er. Vorne drauf eine strahlende Blondine und ein verwirrt guckender Kerl mit dunklen Haaren.
»Ist das wieder so eine romantische Komödie?«
»Ja, klar«, schrillte sie. »Was ist? Filmabend? Nur ich und mein schwuler bester Freund.«
»Ich muss arbeiten.« Ben marschierte an ihr vorbei, ihre Proteste überhörend.
Schwuler bester Freund. Von wegen. Aus irgendeinem Grund glaubte sie, er hätte Interesse daran, mit ihr Mädchenfilme zu gucken und dabei rosa Marshmallow-Kekse zu futtern. Eine grobe Fehleinschätzung. Na ja, so hatte er wenigstens ein WG-Zimmer bekommen.
»Aber Benni, du arbeitest viel zu viel. Du musst mal entspannen.« Sie lachte.
»Keine Zeit«, knurrte er. »Muss die Miete zahlen. Essen kaufen. Überleben und so.«
»Aber du musst doch … Oh, übrigens, hattest du mal wieder ein Date?« Sie zwinkerte und wackelte aus irgendeinem Grund mit den Hüften.
»Nein.«
Fast hätte er es aus der Tür geschafft, als Rudi vor ihm auftauchte.
»Kein Date?« Rudis speckiges Gesicht verwandelte sich in eine lachende Buddha-Fratze. »Kein Problem, Dr. Love kann dir helfen. Gib mal her.«
Schon hatte er sich Bens Handy geschnappt, das er immer noch in der Hand hielt. Dr. Love?
»Wie heißt diese Dating-App nochmal? Weißt du, das Wichtigste ist ein guter Name. Du heißt da bestimmt nur Ben oder so … aber du brauchst einen richtigen Hammer-Namen. He, Hammer wäre schon mal gut. Hammerhengst oder Mr. Schwanzlurch oder … Ich hab's! Stutenknaller.«
»Gib das her!« Ben riss ihm sein Handy aus den Pfoten. »Ich muss zur Arbeit. Wenn ihr euch so für Dates interessiert, dann versucht doch mal selbst welche zu kriegen.«
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