Inhaltsverzeichnis
1. Kai, 15 1. Kai, 15 Kai öffnete die Tür und da stand er. Der Gentleman. Gepflegt, in einem perfekt geschnittenen Hemd, auf das die Sonne fein gesprenkelte Flecken warf. Seine rostbraunen Haare waren akkurat frisiert und der Seitenscheitel zog eine unverrückbare Grenzlinie durch den glänzenden Schopf. Sofort wollte Kai sich in die eigenen Haare greifen, um sie zu ordnen. Als ob das möglich gewesen wäre. Einmal hatte er versucht, die ausgebleichten Strähnen in etwas zu verwandeln, das nicht wie ein elektrisierter Staubwedel aussah. Stundenlang hatte er sie gebürstet. Hatte nichts gebracht. Die Augen des Gentlemans weiteten sich, als er Kai erkannte. Er erkannte ihn? Irgendwie machte das Kai ein wenig stolz. Sein Herz legte einen Trommelwirbel hin, während sich alles andere zu verlangsamen schien. Die Vögel zwitscherten gedehnter, der Wind in den Pappeln rauschte dröhnend träge und das Lächeln, das sich auf dem Gesicht des Gentlemans ausbreitete, erschien im Zeitlupentempo. Erst tauchten blitzende, gerade Zähne auf, dann tiefe Grübchen, und dann verengten sich seine Augen zu leuchtenden Schlitzen. Er sah so schmerzhaft vollkommen aus. Wie alt mochte er sein? Kaum älter als Kai. Kaum älter als fünfzehn. Er wurde sich bewusst, dass er den Kerl anstarrte. Aber ihm fiel nichts ein, was er sagen konnte. Sein Kopf, in dem sonst hundert Rädchen gleichzeitig ratterten, war wie leergefegt. Zum Glück sagte der Gentleman etwas. Etwas Magisches. »Hallo.« Kais Knie verwandelten sich in Gelee.
2. Arthur, 15
3. Kai
4. Arthur
5. Kai
6. Arthur
7. Kai
8. Arthur
9. Kai
10. Arthur
11. Kai
12. Arthur
13. Kai, 17
14. Arthur, 17
15. Kai
16. Arthur
17. Kai
18. Arthur
19. Kai
20. Arthur
21. Kai
22. Arthur
23. Kai
24. Arthur
25. Kai
26. Arthur
27. Kai
28. Arthur
29. Kai
30. Arthur
31. Kai
32. Arthur
33. Kai
34. Arthur
35. Kai
36. Arthur
37. Kai
38. Arthur
39. Kai
40. Arthur
41. Kai
42. Arthur, 18
Impressum
2 Jahre später
Text Copyright © 2017 Regina Mars
Alle Rechte am Werk liegen beim Autor.
Regina Mars
c/o
Papyrus Autoren-Club,
R.O.M. Logicware GmbH
Pettenkoferstr. 16-18
10247 Berlin
regina@reginamars.de
www.reginamars.de
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Brunhilde Witthaut
http://www.brunhilde-witthaut.de/
Umschlagbild und Umschlaggestaltung: Regina Haselhorst
Illustration Copyright © Regina Haselhorst
www.reginahaselhorst.com
Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.
Reale Personen wären auch vernünftig genug, Safer Sex zu praktizieren, im Gegensatz zu den Fantasiegestalten in diesem Roman. Die müssen sich darum keine Sorgen machen, da es sie nicht gibt.
Aufgrund vereinzelter homoerotischer Szenen ist dieses Buch nur für Personen über 18 Jahren geeignet. Ja, es enthält schwulen Sex. Gern geschehen.
Teil 1: Villa Blau
Kai öffnete die Tür und da stand er.
Der Gentleman.
Gepflegt, in einem perfekt geschnittenen Hemd, auf das die Sonne fein gesprenkelte Flecken warf. Seine rostbraunen Haare waren akkurat frisiert und der Seitenscheitel zog eine unverrückbare Grenzlinie durch den glänzenden Schopf.
Sofort wollte Kai sich in die eigenen Haare greifen, um sie zu ordnen. Als ob das möglich gewesen wäre. Einmal hatte er versucht, die ausgebleichten Strähnen in etwas zu verwandeln, das nicht wie ein elektrisierter Staubwedel aussah. Stundenlang hatte er sie gebürstet. Hatte nichts gebracht.
Die Augen des Gentlemans weiteten sich, als er Kai erkannte. Er erkannte ihn? Irgendwie machte das Kai ein wenig stolz. Sein Herz legte einen Trommelwirbel hin, während sich alles andere zu verlangsamen schien. Die Vögel zwitscherten gedehnter, der Wind in den Pappeln rauschte dröhnend träge und das Lächeln, das sich auf dem Gesicht des Gentlemans ausbreitete, erschien im Zeitlupentempo. Erst tauchten blitzende, gerade Zähne auf, dann tiefe Grübchen, und dann verengten sich seine Augen zu leuchtenden Schlitzen.
Er sah so schmerzhaft vollkommen aus. Wie alt mochte er sein? Kaum älter als Kai. Kaum älter als fünfzehn.
Er wurde sich bewusst, dass er den Kerl anstarrte. Aber ihm fiel nichts ein, was er sagen konnte. Sein Kopf, in dem sonst hundert Rädchen gleichzeitig ratterten, war wie leergefegt.
Zum Glück sagte der Gentleman etwas. Etwas Magisches.
»Hallo.«
Kais Knie verwandelten sich in Gelee.
»Fahr schon mal vor«, hatte seine Mutter gesagt. »Wir kommen nach, sobald wir können.«
Irgendeine wichtige Besprechung mit dem Label. Arthur kannte das schon. Trotzdem konnte er nichts gegen die Leere in seinem Bauch tun. Hunger war das nicht. Das war etwas anderes. Seit er klein war, war er seinen Eltern hinterhergerannt. Erst auf rundlichen Stummelbeinchen, dann auf immer längeren. Aber sie waren nie lang genug geworden, um die beiden einzuholen. Immerzu sah er nur ihre Rücken.
Er kannte es nicht anders. Besprechungen, Termine, wichtige Meetings. Arbeit rund um die Uhr. Selbst in den Sommerferien. Selbst jetzt.
Drei Tage lang hatte er sie für sich gehabt. Klar hatten sie jede Mahlzeit durchtelefoniert, aber zwischendurch, für eine oder zwei Stunden, waren sie eine Familie gewesen.
Sie hatten ihn aus der Sprachschule, die er als Zweitbester abgeschlossen hatte, abgeholt und noch ein paar Tage in Paris verbracht. Dann wollten sie in das Ferienhaus weiterziehen, das sie im letzten Jahr gekauft hatten. Das im Schwarzwald, umringt von Bäumen und gewärmt von der süddeutschen Sonne. Heimaturlaub lag voll im Trend, behauptete seine Mutter. Urlaub zuhause waren die neuen Malediven, das sagten auch all ihre Freunde.
Aber so toll hatten sie es im letzten Sommer wohl doch nicht gefunden. Als Arthur abreisebereit die Stufen ihrer Pariser Suite herunterkam, hatten sie ihm eröffnet, dass sie sich noch um etwas kümmern mussten. Eine Besprechung halt. Wie immer.
Er war alleine geflogen, hatte alleine ein Taxi genommen, alleine einen horrenden Betrag dafür gezahlt und war schließlich vor ihrer Ferienvilla gelandet. Villa Blau hieß sie.
Der Kies knirschte unter seinen italienischen Lederschuhen, als er ausstieg. Die Nachmittagssonne wärmte seine Kopfhaut und die Ruhe hier überraschte ihn. Nach drei Tagen Paris war es beinahe unheimlich. Der Wald hinter dem Gebäude war so dicht, dass sich alle Details in Schwärze verloren.
Als das Taxi hinter ihm startete und Steinchen verspritzend abfuhr, beschloss Arthur, das Beste daraus zu machen. Das Beste daraus, dass er ganz allein hier festsaß. Vielleicht gab es andere Leute in seinem Alter. Im angrenzenden Dorf oder der nahen Kleinstadt. Vielleicht fand er in der Bibliothek ein Buch auf Französisch oder gar Tschechisch und niemand würde ihn davon abhalten, etwas derart Nutzloses zu lesen.
Vielleicht würde er den Luchs wiedersehen.
Letztes Jahr, als sie das erste Mal hier Urlaub gemacht und seine Eltern beide während des Frühstücks am Telefon gehangen hatten, hatte er ein leises Geräusch vernommen. Aus den Bäumen, die die Villa umgaben.
Der Mischwald begann direkt hinter dem hohen Holzzaun, der die Terrasse einrahmte. In einer der dichten Kronen hatte sich etwas bewegt. Fast unmerklich, aber da war eindeutig ein Geräusch gewesen.
Читать дальше