Auf dem Weg vom Plaça Major hatte er sich beim Verfolgen vergewissert, dass niemand Tomas folgte und dass er niemanden zu kontaktieren versuchte. Ray trank einen großen Schluck aus dem beschlagenen Bierglas und fühlte sich ziemlich zufrieden. Er stellte fest, dass Tomas seine Pepsi mit einem Strohhalm trank und dachte, dass das hier wohl der amateurhafteste Kurier sein musste, mit dem er je zu tun gehabt hatte. Das musste nichts Schlechtes sein, es bedeutete nur, dass auch der Auftraggeber ein Amateur war und solche Bestellungen nicht oft aufgab. Er selbst war der einzige Profi und musste deshalb die Verantwortung für seine eigene Sicherheit und die des eventuellen Auftraggebers übernehmen.
Exakt eine Stunde, nachdem Ray auf dem Plaça Major aufgelegt hatte, betrat Tomas pflichtschuldig die andere Telefonzelle. Im selben Moment klingelte das Telefon.
„Legen Sie den Umschlag in das Telefonbuch, wo es mit C losgeht“, sagte Ray.
„Es sind zwei Umschläge“, unterbrach ihn Tomas.
„Nicht das Geld! Nur die Mitteilung. Dann gehen Sie zur Bushaltestelle die Straße runter und nehmen den erstbesten Bus.“
„Ich brauche eine Antwort von Ihnen“, protestierte Tomas und hörte, wie die Stimme im Hörer den Faden verlor. Es entstand eine kurze Pause.
„Fahren Sie mindestens drei Haltestellen und kommen Sie dann in exakt zwei Stunden zu dieser Telefonzelle zurück“, sagte Ray und legte auf.
Tomas holte aufgeregt den blauen Umschlag aus der Jackentasche, öffnete das Telefonbuch und blätterte zum Buchstaben C. Er legte den Umschlag hinein und versuchte ihn in der Bindung festzustecken.
Mit schnellen Schritten ging er zur Bushaltestelle, an der bereits ein Bus stand. Eine lange Schlange von Leuten stieg gerade ein und er hatte Sorge, dass er nicht mehr mitkommen würde. Er drückte sich als Letzter in den überfüllten Bus, obwohl die Mitfahrenden protestierten. Als der Bus die Haltebucht verließ, spähte Tomas zur Telefonzelle und glaubte einen Mann mit dunklem Anzug hineingehen zu sehen, aber die Distanz war zu groß und er erkannte Ray nicht wieder.
Ray Lambert aß ein spätes Mittagessen in einem Restaurant in der Altstadt. Er spülte einen Calamare de la plancha mit einer Flasche hellem Bier runter. Er kannte das Restaurant und wusste, dass sie eine hervorragende Crema Catalan machten. Er bestellte eine als Nachtisch. Er mochte nicht viele Süßspeisen, aber diesem Gericht konnte er nicht widerstehen.
Er saß an einem abgelegenen Tisch im Inneren des Restaurants und hatte den Umschlag sofort nach der Bestellung geöffnet. Inzwischen waren nur noch wenige Mittagsgäste da.
Im Brief hatte ein kleinerer grauer Umschlag und ein Stück Papier gelegen. Auf dem Papier stand, dass er bei Interesse am nächsten Freitag um halb elf Uhr morgens in ein kleines Café gegenüber vom Hauptbahnhof in Zürich kommen sollte, um die Bedingungen zu besprechen. Das Geld in dem Umschlag, den er verweigert hatte, war für die Reise dorthin gedacht gewesen.
Im grauen Umschlag hatte sehr direkt gestanden, dass jemand den schwedischen Staatsminister tot sehen wollte, so schnell wie möglich und egal, wie. Es stand nicht da, was er bekommen sollte, er sollte selbst seinen Preis sagen.
Als er den Text zweimal gelesen hatte, war er aufgestanden und zur Toilette gegangen. Dort hatte er die Mitteilungen zerrissen und zusammen mit dem Umschlag heruntergespült.
Ray sah auf die Uhr und stellte fest, dass er noch reichlich Zeit hatte, bis er Tomas Ekberg Bescheid sagen musste. Er bestellte einen Kaffee solo und ein Glas Mascaro als Abschluss seiner Mahlzeit.
Es lag etwas Unschuldiges über der ganzen Sache. Das verlieh ihm einen Vorteil, den er im Zusammenhang mit Profis nie bekommen konnte. Da wäre er derjenige gewesen, der ungeschützt und exponiert gezwungen war, den Auftraggebern Folge zu leisten. Mit Amateuren war es andersrum. Darum irritierte es ihn, so häufigen und nahen Kontakt mit dem Mittelsmann zu haben. Er beschloss, aufs Reisegeld zu verzichten. Wenn dieser Auftrag zustande kam und der Auftraggeber so darauf erpicht war, wie er dachte, würde Geld keine Rolle spielen. Sein Preis würde so hoch sein, dass er sich alles leisten konnte.
Das war ein Vorteil von Amateuren: Sie waren immer bereit, viel mehr zu zahlen als Profis. Sie überschätzten den Preis für ein Menschenleben grundsätzlich – es würde ihnen nicht im Traum einfallen, wie wenig es wert sein konnte.
Zur ausgemachten Zeit stand Tomas Ekberg erneut in der Telefonzelle und wartete. Er hob sofort ab, als es klingelte. Das Gespräch war kurz, es dauerte nicht mehr als fünf Sekunden:
„Hallo?“
„Sagen Sie, dass die Antwort ‚ja‘ ist.“
Der Hörer wurde aufgelegt.
Tomas war erfreut. An der Brust spürte er das Gewicht des dicken Geldumschlags.
Schon am selben Abend rief er seinen Chef in Zürich an und erzählte, dass sein Auftrag nun erledigt war und dass die Antwort des Kontakts positiv gewesen war. Er erwähnte nicht, dass Ray das Geld nicht angenommen hatte.
Erik Hellberg dankte und wünschte Tomas weiter einen schönen Urlaub. Dass der Urlaub tatsächlich ganz besonders werden würde, stellte Tomas fest, als er den Umschlag öffnete und 5000 amerikanische Dollar darin vorfand.
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