Carlo Fehn
Der Sträubla-Mord
Nachdem eine engagierte Journalistin der Tageszeitung einen Bericht über Unregelmäßigkeiten und einen möglichen Betrug bei der Wahl zur »Sträubla-Kunnl« des Landkreises Kronach veröffentlicht hat, steht plötzlich auch Hauptkommissar Pytlik als eines der Jurymitglieder am Pranger.
Zum selben Zeitpunkt wird die Leiche von Inga Daum, einer der Finalteilnehmerinnen des Wettbewerbs, gefunden. Allem Anschein nach hat sie sich in ihrem Haus in Teuschnitz erhängt.
Als sich jedoch während der Ermittlungen herausstellt, dass die zurückgezogen lebende Lehrerin mehr als nur ein Geheimnis mit sich herumtrug, überschlagen sich die Ereignisse, wobei auch Pytlik und sein Assistent Hermann bei ihrer Jagd nach einem Unbekannten beinahe selbst zu Opfern werden.
Der Sträubla-Mord - Hauptkommissar Pytliks zwölfter Fall
Carlo Fehn
published by: epubli GmbH, Berlin
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Copyright: © 2019 Verlag Carlo Fehn
ISBN 978-3-750253-75-9
Samstag, 15. Oktober 2011
Pytlik hatte den Tisch mit viel Liebe zum Detail gedeckt. Sogar eine rote Rose in einer langhalsigen dünnen Vase hatte er in der Mitte platziert. Das Plätschern der Dusche konnte er schon einige Minuten nicht mehr hören. Seine Freundin Martina, die er vor zwei Jahren bei einem Kuraufenthalt am Starnberger See kennengelernt hatte, war am Vorabend von einer Geschäftsreise aus den USA zurückgekehrt. Nach ihrer Ankunft in Kronach hatten die Beiden nur wenige Worte miteinander sprechen können, da die selbstständige PR- und Kommunikationsberaterin wegen der Reisestrapazen erschöpft und früh ins Bett gegangen war.
Zwischen ihnen hatte sich im Laufe der Zeit ein unregelmäßiger Rhythmus für gegenseitige Besuche an den Wochenenden im Rheinland bei ihr oder in Kronach beim Hauptkommissar eingestellt, mit dem beide glücklich waren und sich gut arrangierten. Obwohl sie zwischen den gemeinsamen Tagen nicht allzu oft miteinander telefonierten, war Pytlik sicher, seine Partnerin mittlerweile einigermaßen gut zu kennen und ihre Stimmung und ihr Verhalten deuten zu können. Er hatte den Eindruck, dass irgendetwas nicht stimmte.
»Na, gar keinen Hunger auf ein leckeres fränkisches Frühstück?«, rief er ihr ins Obergeschoss zu und versuchte dabei, mit seiner Stimme heitere Samstagmorgenlaune zu verbreiten. Ihr promptes »Bin gleich bei dir!« nahm er erfreut zur Kenntnis.
Pytlik ließ zwei weichgekochte Eier behutsam in die Porzellanbecher rutschen. Dann überprüfte er mit einem letzten Blick, ob er auch nichts vergessen hatte, bevor er in die Küche lief, um die Kaffeekanne zu holen. In diesem Augenblick kam Martina auch schon ins Esszimmer gelaufen. Sie schaute zunächst auf den gedeckten Tisch, machte dann höflich große Augen und sagte danach mit einem Lächeln, dass sie so etwas in den letzten Monaten sehr vermisst habe. Anschließend ging sie auf den Hauptkommissar zu, um ihn zu umarmen.
»Danke! Das sieht richtig großartig aus! Und über die Rose freue ich mich auch sehr!«
Danach gab sie ihm einen zärtlichen Kuss auf den Mund, klapste ihm mit ihren Händen zweimal sanft auf den Oberkörper und wandte sich wieder von ihm ab.
»Ich habe einen Riesenhunger. Ich glaube, ich könnte zwar noch ein paar Stunden Schlaf brauchen, aber mein Magen hat einfach zu sehr geknurrt.«
Pytlik sah, dass Martina sich kindlich freute, und so sagte der Hauptkommissar erst einmal nichts.
»Ein Drei-Minuten-Ei?«
Pytlik nickte.
»Drei Minuten und keine Sekunde länger!«
Nachdem die ersten beiden Brötchenhälften geschmiert waren und er Kaffee eingeschenkt hatte, machte er es sich einfach und stellte die obligatorische Frage.
»Na, jetzt erzähl mal: Wie war New York? Wie war deine Arbeit?«
Martina hatte gerade ihr Ei geköpft, den flüssigen Dotter mit etwas Salz bestreut und genussvoll einen ersten Löffel genommen.
»Gott, wie habe ich das vermisst!«
Pytlik hakte ein.
»Was hast du denn da drüben gefrühstückt? Gab es da keine gekochten Eier?«
Martina hatte den Mund gerade voll und winkte nur ab. Erst nach einigen Sekunden konnte sie antworten.
»Von geregeltem Alltagsleben war ich in den letzten drei Monaten so weit entfernt wie die Erde vom Mond. Glaub mir! Du hast ja selbst gemerkt, dass wir kaum miteinander telefonieren konnten. Und wenn, dann immer nur ein paar Minuten. Abends haben wir meistens erst sehr spät Schluss gemacht, dann noch irgendwo etwas gegessen, einen Absacker vielleicht – danach ins Bett! Ich glaube, ich habe in der gesamten Zeit nur ein- oder zweimal im Hotel gefrühstückt. Ansonsten immer einen Kaffee mit ins Büro und irgendjemand hat dann Sandwiches oder was Süßes hingestellt. Und dieser Rhythmus tagaus, tagein! Und deswegen ist dieses Frühstück für mich gerade wirklich wie ein kleiner Lottogewinn. Danke, Franz!«
Pytlik nickte souverän und ließ sich nicht anmerken, wie froh er war, Martina gegenüber sitzen zu haben. Dennoch hätte er sie am liebsten gleich ganz direkt gefragt: Hattest du etwas mit einem Anderen in New York? Und natürlich hätte sie darauf geantwortet, wie er denn darauf komme und dass sie natürlich nichts mit einem anderen Mann gehabt hätte. Er konnte es einfach nicht beschreiben, aber er spürte, dass das Vierteljahr, in dem sie in den USA gewesen war, etwas verändern würde oder bereits verändert hatte. Er fasste sich ein Herz.
»Hast du mich denn auch vermisst?«
Sie antwortete, ohne ihn dabei anzuschauen.
»Klar doch! Und das weißt du auch! Du kannst dir auch gar nicht vorstellen, wie schnell die Zeit für mich vergangen ist, weil ich gefühlt eigentlich nur gearbeitet habe und wir auch ziemlich viel erreicht haben für die bevorstehende Fusion dieser beiden Firmen. Aber es gab immer wieder Momente, da konnte ich nachts nicht einschlafen und hätte mir gewünscht, dass du bei mir gewesen wärst.«
Danach streckte sie ihren Arm aus und streichelte Pytliks Handrücken. Sie schenkte ihm ein Lächeln. Er erwiderte es.
Der Hauptkommissar beließ es dann zunächst dabei. Auch er hatte Hunger und das Frühstück am Wochenende war für ihn dennoch immer etwas ganz Besonderes. Auch die Lektüre der Tageszeitung gehörte für ihn dazu, aber nachdem seine Partnerin ihm dann noch von ihrer spannenden Aufgabe erzählte und er auch interessiert zuhörte, verschob er das auf später.
»Naja…«, machte Martina Anstalten, den Bericht über ihre Zeit in den Staaten langsam beenden zu wollen. Als sie die Kuppe ihres Zeigefingers an ihrem Mund leicht befeuchtete und danach begann Krümel auf ihrem Teller zu sammeln, merkte Pytlik, wie es ihm flau im Magen wurde. Die Kaffeetasse, aus der er gerade getrunken hatte, stellte er sehr bedächtig wieder ab. Ihre Blicke trafen sich, und er wusste, dass sie ihm jetzt noch etwas Anderes sagen würde.
»Naja was?«, bohrte er nach. Sie rieb mit ihren Handflächen schnell über ihre Oberschenkel, presste die Lippen zusammen und schaute hinüber in die Küche. Dann stützte sie die Ellenbogen auf dem Tisch ab, führte die Fingerspitzen zu einer Art Dreieck zusammen und lehnte ihren Kopf daran an.
»Naja, sie waren mit meiner Arbeit sehr zufrieden. Vielleicht sogar mehr als das! Sie möchten mich für die nächsten Steps unter allen Umständen wieder buchen.«
Pytlik hörte einfach nur zu ohne das, was ihm relativ klar zu sein schien und abrupt durch den Kopf ging, zunächst an ihn heranzulassen. Martina machte eine Pause und wartete wohl darauf, dass er eine Frage stellen würde. Pytlik schob seinen Stuhl zurück, nahm den leeren Teller und einige Sachen, die in den Kühlschrank gehörten und ging in die Küche. In der Wohnung war es mucksmäuschenstill; nur das Geräusch der Teller, die der Hauptkommissar abstellte und das leise Quietschen der Kühlschranktür waren zu hören. Martina saß immer noch auf ihrem Stuhl.
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