1 ...8 9 10 12 13 14 ...18 Waldenström hatte eine große, weiße, dreistöckige Villa in Djursholm an der Grenze von Stockholm. Das Haus war wunderschön, mit einer großen Veranda, die auf den gepflegten Park mit dem englischen Rasen hinausging, der sich bis zum Wasser erstreckte. Unten am Steg lag normalerweise Lennarts Cigarette-Racerboot im Bootshaus. Aber nun war Winter und es lag noch immer Eis auf dem See, der das Wasser daran hinderte, stimmungsvoll an den Steg zu plätschern. Das Haus und vor allem seine Umgebung sahen im Sommer am besten aus.
Der Park wurde, ebenso wie das Haus, von einem einzigen Mann gepflegt: Evert Jakobsson, der als Familieninstitution bereits seit fast 35 Jahren angestellt war. Evert war schlicht und ergreifend unverzichtbar. Anna-Lisa Waldenström pflegte zu sagen, dass man ohne ihn die Djurholmsvilla auch einfach abreißen könnte. Er wohnte unten in der Dienstbotenwohnung an der Rückseite des Hauses. Der Rest der Villa stand die meiste Zeit leer. Die Herrschaften Waldenström selbst wohnten, seit auch das jüngste Kind ausgezogen war, in ihrer Wohnung auf Östermalm und benutzten die Villa nur bei besonderen Einladungen.
Wenn eine solche Einladung stattfand, war es Everts Aufgabe, sich um die Arrangements zu kümmern und die Köchin und den Kellner herzubeordern. Seit fünfzehn Jahren waren es immer dieselben: Ebba Johansson und Kjell Ekberg. Wenn weiteres Personal gebraucht wurde, kümmerte sich Evert auch darum, schnell und effektiv. Mit den Jahren hatte er ausgezeichnete Kontakte mit den besten Hotels und Restaurants in Stockholm aufgebaut. Sie standen immer kurzfristig zur Verfügung, wenn es nötig war. Waldenström war ein Name, der nicht nur bei den Banken gut funktionierte.
Es verlieh Sicherheit, dass die Bediensteten fast immer dieselben waren, zuverlässige Leute aus renommierten und bekannten Lokalitäten.
Außerdem war das Personal von der Sicherheitspolizei geprüft. Bevor sie ihren Dienst antraten, mussten sie eine absolute Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Das war für die Sicherheit entscheidend. In der Villa trafen sich hohe Staatsleute und Politiker mit den Spitzen der Wirtschaft, und oft wurde über Milliardengeschäfte diskutiert oder sie wurden abgeschlossen. Evert hatte selbst Präsidenten gesehen, die Verträge unterschrieben, bei denen es um Summen ging, die in der Höhe des Bruttosozialprodukts eines kleineren Landes lagen.
In diesem Haus wurden große Geheimnisse gelüftet. Industriespione und Paparazzi mussten auf Abstand gehalten werden. Gar nicht zu reden von Drohungen von Terroristengruppen. Das Grundstück war daher mit einem umfassenden Alarmsystem ausgestattet. Empfindliche Sensoren auf hohen Stahlpfeilern, die im regelmäßigen Abstand an der Innenseite des hohen Zauns platziert waren, machten es unmöglich, sich uneingeladen und unbemerkt zur Villa zu begeben, ohne den Alarm auszulösen.
Das Abendessen, das an einem Donnerstag im Februar stattfinden sollte, war jedoch von anderer Natur. Weder Sicherheitswachen noch ein Alarmsystem waren notwendig. Es war eine ganz private Veranstaltung für Waldenströms enge Freunde und Kollegen. Dennoch würde dieses Treffen eine große Bedeutung haben – zumindest indirekt.
Drei Tage zuvor hatte Evert Jakobsson telefonisch mitgeteilt bekommen, dass das Ehepaar Waldenström am nächsten Donnerstagabend einige gute Freunde zum Abendessen einladen würde. Es handle sich um acht Gäste und sie würden um sechs Uhr ankommen. Anna-Lisa Waldenström würde jedoch früher kommen, bereits um vier, um persönlich die letzten Vorbereitungen zu überwachen.
Evert Jakobsson hatte sofort Ebba Johansson angerufen, die umgehend zusagte. Der Kellner Kjell Ekberg hatte ebenfalls Zeit. Mehr Bedienstete würden nicht vonnöten sein.
Auf der großen, mit Fenstern ausgestatteten Veranda stand ein Esstisch aus Birnenholz, den Lennart Waldenströms Vater Anfang der 20er-Jahre aus Argentinien nach Hause verschiffen lassen hatte. Wenn weniger als zehn Gäste kamen, ließ Frau Waldenström gern draußen auf der Veranda eindecken, auch im Winter. Es reichte ihr, kein Tischtuch aufzulegen, sondern die Teller auf Platzsets aus Leinen zu stellen, damit man die schöne Maserung des Birnenholzes sehen und bewundern konnte.
An diesem wunderschönen Tisch genossen die Gastgeber und ihre acht Gäste in Weißwein gebratene Seezunge, serviert mit Zitrone, fein geschnittenem Dill und gedünsteten Kartoffeln. Die Köchin hatte sich selbst übertroffen.
Der Salat bestand aus Tomaten mit Knoblauch, bestreut mit fein gehackter Petersilie in einer Vinaigrette, die Anna-Lisa selbst zubereitet und eine Stunde vor dem Servieren vorsichtig über den Salat gegeben hatte. Zum warmen Gericht wurde ein kühler Chablis Grand Cru serviert sowie importiertes Tafelwasser ohne Kohlensäure.
Neben Herrn und Frau Waldenström, die jeweils am kurzen Ende des Tisches saßen, nahmen Erik Dritz und seine Frau Karin an dem Essen teil. Erik war CEO in einer der zahlreichen Firmen des Konzerns in der Zellulosebranche. Seit über dreißig Jahren war er ein treuer Angestellter. Er war von Lennart direkt nach seinem Studium der Volkswirtschaft angestellt worden, um sich im Konzern weiterzubilden.
Erik Dritz hatte Lennart Waldenström immer unterstützt, auch als dessen Ansehen im Familienkonzern ganz unten gewesen war. Er war es auch gewesen, der am Schluss dafür gesorgt hatte, dass Vater und Sohn sich wieder versöhnten. Lennart hatte das nicht vergessen und Erik war seit vielen Jahren sein nächster Vertrauter.
Vilhelm und Greta Sundberg arbeiteten beide bei der Bank. Greta seit fünfzehn Jahren in der Kreditabteilung, Vilhelm seit siebzehn Jahren als Chef der Südregionen Schwedens. Vilhelm war der geborene Banker. Es lag ihm im Blut. Zwar hatte er seine Karriere bei einer Konkurrenzbank begonnen, aber der alte Waldenström, der eine Nase für Talente hatte, hatte den begabten Jüngling mit dem breiten Lächeln entdeckt und ihn schon früh in die Familienbank gelockt. Vilhelm verband Charme mit einer eiskalten Analysefähigkeit und vollkommener Skrupellosigkeit. Eigenschaften, die für seine Position passten wie ein Deckel auf den Topf.
Links von Anna-Lisa saß der mittlerweile pensionierte Oberst Sune Gren. Gegenüber, an der Seite von Vilhelm, saß Sunes Frau Lilian. Die beiden waren alte und enge Freunde der Waldenströms und besaßen den Nachbargrund in Östermalm.
Der ebenfalls pensionierte Weißwarendirektor Bo-Erik Svanström und seine Frau Eva machten die Einladungsliste komplett. Bo-Erik, der nach fünfundvierzig Jahren im Konzern noch immer genauso neugierig und voller Ideen war wie zu seiner aktiven Zeit, war inzwischen Lennarts persönlicher Ratgeber. In der Elektronikbranche war er noch immer seiner Zeit weit voraus und hatte offenbar gute internationale Kontakte, besonders nach Asien.
Beim Essen drehte sich das Gespräch vor allem um Privates. Bo-Erik Svanström erzählte von ihrem Haus auf Dalarö, das er und seine Frau Eva jetzt bauen und einrichten wollten, sodass man dort den Großteil des Jahres wohnen konnte.
„Ich habe in der Stadt kaum noch etwas zu schaffen“, erklärte er.
„Aber gibt es da draußen wirklich alles, was man braucht?“, fragte Anna-Lisa.
„Man kann ja ins Einkaufszentrum gehen, wenn man einmal pro Woche in die Stadt fährt“, sagte Frau Svanström loyal, aber mit etwas weniger Enthusiasmus. Sie wusste, dass sie die Gesellschaft ihrer Freundinnen vermissen würde. Ihre privaten Kaffeekränzchen und den täglichen Besuch im Einkaufszentrum.
Die Herren beschwerten sich über die Steuererhöhungen, die die Mitbürger vollkommen unnötig zwangen, ihre Steuerzahlungen zu planen, was der Reichsteuerkasse jede Menge unnötiger Arbeit einbrachte.
„Das ist wahrscheinlich genau das, was sie vorhatten. Arbeit zu schaffen. Und Gott weiß, dass ich ordentlich zu der Arbeit beitrage!“, sagte Erik Dritz mit übertriebenem Ernst und brachte alle um den Tisch herum zum Lachen.
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