Liane Sanden - Schiffbruch der Liebe

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Als Assistenzarzt Malte Rasmussen eine Beziehung mit der mondänen Lucie Brandow beginnt und ihrem Liebesgarnen nach kurzer Zeit völlig verfällt, stehen ihm schlimme Zeiten bevor. Dem Luxusweibchen ist die Stellung als Frau Assistenzarzt bald zu wenig, und als sie merkt, dass Malte Rasmussen der Eid des Hippokrates und das Heilen wichtiger sind, als beruflich vorwärtszukommen, lässt sie ihn fallen wie eine heiße Kartoffel. An der Seele verwundet nimmt er eine Stelle als Assistenzarzt in einem Krankenhaus an und lernt dort die Schwesternschülerin Christine kennen, die ein wenig herb und dennoch schön und vor allem voll echter Menschlichkeit ist. Darin ähnelt sie seiner Schwester Dorothee, die ihn zu Hause langsam wieder ins Gleichgewicht bringt. Doch sein Ziel ist es, selbständig zu sein, und als er auf ein Angebot zur Übernahme einer Praxis an der Ostsee stößt, beschließt er, zusammen mit seiner Schwester nach Swanhöh zu übersiedeln. Am Abend vor der Abreise feiert er mit Christine Abschied, die sich inzwischen in ihn verliebt hat.....-

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Liane Sanden

Schiffbruch der Liebe

Saga

Schiffbruch der Liebe Copyright © 1930, 2019 Liane Sanden und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711593356

1. Ebook-Auflage, 2019

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

Absprache mit SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk– a part of Egmont www.egmont.com

1.

„Schwester Christine!“ klang eine scharfe, harte Frauenstimme von der Tür.

„O weh!“ Die kleine Lehrschwester Gertrud verschwand blitzschnell im Verbandzimmer, das neben der Station gelegen war.

Schwester Christine hatte sich hastig von dem Kinderbett erhoben, das in der letzten Reihe an der hellgrünen Wand stand.

„Frau Oberin?“

„Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, Sie haben sich jetzt nicht hier aufzuhalten, die Kinder sollen chlafen.“

„Frikchen hat so geweint, Frau Oberin, er scheint sich schwer einzugewöhnen.“

„Je mehr man ein Kind verzieht, um so schwerer gewöhnt es sich ein! Wenn wir hier einem jeden Kinde eine Extrawurst braten wollten, wo kämen wir da hin!“

Schwester Christine erhob sich mit blutrotem Gesicht, aber die kleine Kinderhand, die ihre fest umklammert hielt, gab sie nicht frei.

„Hierbleiben, hierbleiben!“ schrie es in jammernder Bitte.

Aus den Betten nebenan erhoben sich schlaftrunkene Kindergesichter, die Kleinsten fingen an, mitzuweinen.

„Was ist denn das für ein Geschrei?“ fragte die Oberin streng. „Werdet ihr wohl still sein!“ Sie ging rasch zu Schwester Christine an das Kinderbett:

„Sofort bist du vernünftig, legst dich auf die Seite und schläfst. Du hast keinen Grund, zu schreien. Also, was willst du?“

Streng sah die Oberin Hartung aus ihren Brillengläsern auf das bleiche magere Kerlchen, das da in dem weissen Anstaltsbett lag. Aber es war, als hätte der Blick der Oberin das Kind nur noch mehr erregt, es schrie gellender und klammerte sich mit aller Kraft seiner durchsichtigen Händchen an Schwester Christine.

„Er hat Angst, Frau Oberin. Es ist noch die Erinnerung an all das, was er daheim durchgemacht hat.“

„Unsinn! Er muss lernen, sich zusammenzunehmen. Das ist doch alles längst vorbei. Hier tut ihm kein Mensch etwas. Er macht mir die anderen Kinder, die vernünftig sind, noch rebellisch.“

„Was gibt es denn hier, Frau Oberin?“

Eine ruhige, energische Männerstimme klang von der Tür. Doktor Malte Rasmussen kam schnell durch den grossen Raum.

„Der kleine Fritz, Herr Doktor.“ Schwester Christine sah bittend zu dem jungen Arzt.

„Ich bin gefragt, Schwester Christine. Seien Sie nicht immer so vordringlich!“

Ärger und eine gewisse Feindseligkeit sprachen aus den tadelnden Worten der Oberin.

„Nichts gibt es. Ungezogen ist der Junge, schreit ohne Grund und lässt mir die anderen Kinder nicht zur Nachmittagsruhe kommen.“

Doktor Rasmussen sah mit einem Blick die Angst die hinter der Ungebärdigkeit des kleinen Kranken steckte.

„Auch Unart hat ihre tieferen Gründe, Frau Oberin. Wenn wir die klarlegen, ist es gewöhnlich auch mit der Unart vorbei.“

„Also Sie sind der Meinung, dass man jedem Eigensinn eines Kindes nachgeben muss, Herr Doktor? Da käme ich weit in meinem Krankenhause.“

„Nicht dem Eigensinn im allgemeinen, aber in einem besonderen Falle, und der scheint mir hier vorzuliegen.“

„Haben Sie sonst noch etwas für mich, Herr Doktor?“ fragte die Oberin knapp.

Sie wartete die Antwort des jungen Arztes nicht ab, sondern ging mit ihren kurzen, harten Schritten hinaus.

Christine Storm sah ihr angstvoll nach. Diese Auseinandersetzung, deren unschuldige Ursache sie war, würde sie wieder büssen müssen. Der kleine Kranke aber hatte sich in dem Augenblick, in dem die Oberin sich entfernte, schon beruhigt. Ein letztes Aufschluchzen endete das wütende Schreien. Er legte sich auf die Seite, Schwester Christines Hand dabei nicht loslassend.

Doktor Rasmussen setzte sich auf das Bett:

„Sag mal, mein Kerlchen“, meinte er und strich über das dünne blonde Haar, das wirr in die bläulichweisse Stirn hing, „willst du die arme Schwester Christine nicht loslassen? Sieh einmal, die hat noch anderes zu tun, als nur bei dir zu stehen. Und du wirst ja jetzt sicher ruhiger sein. Schön schlafen!“

„Nicht weggehen, nicht weggehen!“ flüsterte der kleine Fritz, und die Tränen kamen schon wieder in seine hübschen braunen Augen.

„Vollkommen überreizt“, meinte Doktor Rasmussen zu Schwester Christine. „Wissen Sie Näheres, Schwester Christine?“

„Ja, Herr Doktor.“ Aber sie zögerte, warf einen Blick auf das Kind. Sie wollte offenbar vor diesem nervösen kleinen Kerlchen hier nicht sprechen.

„Lassen Sie nur, wir reden später darüber.“

„Darf ich noch ein Weilchen bei Fritz bleiben? Er schläft mir sonst nicht ein.“

Rasmussen nickte:

„Schön, für ein paar Tage wollen wir ihn noch ein bisschen verwöhnen. Ich denke, es wird dann schon gelingen, ihn allmählich in die Ordnung hier hineinzubekommen.“

„Sicherlich, Herr Doktor. Wenn er nur ein bisschen Mut gefasst hat und glaubt, dass man ihm hier nichts tut.“

Rasmussen nickte freundlich, ging hinaus, hier und dort an einem Kinderbett stehen bleibend. Die kleinen Gesichter leuchteten, schmerzverzerrte Münder lächelten dem jungen Arzt entgegen. Der kleine Fritz lag ganz still, und seine Hände hielten immer noch die der Schwester Christine. Aber seine Augen folgten aufmerksam dem jungen Doktor Rasmussen.

„Der soll auch hierbleiben“, sagte er plötzlich, „den mag ich. Magst du ihn auch?“

Seine helle Kinderstimme trompetete durch den Raum. Rasmussen drehte sich in der Tür um und sah belustigt hinüber:

„Eine Gewissensfrage, nicht wahr, Schwester Christine?“

Schwester Christine beugte sich tiefer über das Kinderbett:

„Du sollst jetzt nicht immerfort schwatzen, Fritz. Schwester Christine bleibt nur bei dir, wenn du dich ganz brav auf die Seite legst und schläfst. Das könnte dir so passen, kleiner Frechdachs, alle Leute um dich herum zu haben!“

„Nein, bloss du und der dort“, sagte Fritz noch einmal entschieden. Dann drehte er sich auf die Seite und schloss die Augen.

Die helle Morgensonne lag in den Korridoren des Krankenhauses. Sie blitzte auf den schneeweiss gestrichenen Wänden, legte sich zärtlich auf die blühenden rosa und weissen Hyazinthen, die zwischen den Blattpflanzen auf den breiten Fensterbrettern standen. Schwester Christine hielt einen Augenblick still, beugte sich über das duftende Rosa und Weiss der kleinen Blumenglöckchen, atmete tief den süssen Duft ein. So zart er war, er drang doch durch diese Krankenhausatmosphäre mit ihrem Geruch nach Äther und Seife.

Doktor Rasmussen kam im weissen Kittel eilig von der Station. Er sah die zarte Biegung des hellen Nackens, der aus dem Schwesternkleide herausstieg.

„Morgen, Schwester Christine.“

Sie fuhr herum.

„Na nu, so schreckhaft? Ist doch nicht verboten, schnell eine Portion Frühling mitzunehmen.“

„Ich dachte, die Frau Oberin“, stammelte Christine.

„Na und wenn?“ sagte Doktor Rasmussen seelenruhig. „Selbst die Frau Oberin kann keinem Menschen verbieten, sich über die schönen Blumen hier zu freuen. Sie mögen wohl Blumen gern?“

„O ja.“ Schwester Christines Blick streichelte förmlich die zarten Hyazinthen. Wie aus Wachs gebildet waren ihre eben aufgebrochenen Glockenkelche.

„Wir hatten viel schöne Blumen daheim, als wir noch das Haus hatten. Ich habe viele selber gezogen und gepflegt.“

„Gute Vorbereitung auf Ihren Beruf, Schwester Christine. Wer Kinder pflegen will, muss eigentlich verstehen, mit Blumen umzugehen. Klingt sehr sentimental, hängt aber wirklich miteinander zusammen. Für Kinder und Blumen sind die zartesten Hände gerade gut genug.“

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