Liane Sanden
Roman
Saga
Im Schatten einer Frau
© 1935 Liane Sanden
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711593349
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
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„Achtung, Aufnahme!“
Peters rief durch das Mikrophon. Wie abgeschnitten war sofort jeder Laut. In der Tonkamera sass Meersmann, schaltete die Apparatur ein. Die Jupiterlampen flammten auf. Nichts mehr war im ganzen Raum als dies ganz leise Zischen und der hastige Schritt der Stella Hollmers, die von der Seite her ins Bild kam. Mit einer sehnsüchtigen Gebärde wandte sie sich um, sah nach der Tür. Schon kam schnell Gregor Schuwaroff, ihr Partner, auf sie zu. Ein leidenschaftlicher Dialog der beiden Helden begann, den Peters mit angespannten Sinnen und losen Gesten leitete, dirigierte, entwickelte. Nun lagen sich Stella Hollmers und Schuwaroff in dem Arm. Die grosse Szene des dritten Aktes ging dem Höhepunkt zu. In dem Seitengang stand Michael Heinsigk. Sein kantiges Gesicht sah mit dem Ausdruck äusserster Spannung auf die Szene, die sich da vorn im Jupiterlicht abspielte. Herrlich, wie Stella diese Liebesszene aufbaute! Immer aufs neue war er hingerissen von der unmittelbaren Kraft ihrer Gestaltung. Immer wieder, wenn er sie sah, so hingegeben an ihre Kunst, rückte sie ihm fern, war sie etwas, was über ihm stand ganz hoch auf einem Gipfel, auf den er niemals emporklimmen würde. Dann konnte er es immer wieder nicht glauben, dass sie sein war, seine Frau, die ihn liebte und ihm gehörte. Dann fühlte er so ganz den unendlichen Abstand zwischen ihnen beiden. In seiner Entzückung schattete immer erneuter Schmerz. Noch gelang es ihm, durch seine Liebe diesen Abstand zu überbrücken. Aber wie lange?
Immer wieder klang diese Frage in ihm.
In einer Ecke des grossen Atelierraums stand Madelen Reddinghaus. Ihre Augen lagen mit spöttischer Feindseligkeit bald auf Stella Hollmers, bald auf Michael. Diese Hollmers war ihr ein Dorn im Auge. Sie hatte alles, was sie wollte, den Ruhm, den Reichtum, die Schönheit — und alle Männer, die sie nur haben wollte. Da war Michael, mit dem Malen in der kleinen Provinzstadt zusammen am Stadttheater engagiert gewesen war. Sie hatte damals versucht, Michael für sich zu gewinnen. In der Reihe der aus aller Herren Länder zusammengewürfelten Kollegen war er etwas Besonderes gewesen. Immer höflich, immer tadellos in den Manieren, hatte er nichts von der Saloppheit vieler anderer gehabt. Es hatte sie gereizt, diesen scheuen und vornehm wirkenden Menschen mit dem leidenschaftlichschönen Kopfe für sich zu gewinnen. Aber Michael war nur einigemal mit ihr zusammen gewesen — auf Spaziergängen und einmal beim Tee in ihrer kleinen Wohnung. Da aber hatte er sich so steif und zurückhaltend benommen, als ob er nicht gemerkt hätte, was sie wollte. Er war auf keinen zärtlichen Blick, auf kein versteckt lockendes Wort eingegangen. Schliesslich hatte sie es aufgegeben. Sie hatte keine Lust gehabt, über Gott und die Welt mit ihm zu philosophieren. Wenn er nicht wusste, was er einer jungen schönen Frau schuldig war, sie hatte keine Ursache ihm nachzulaufen. Aber sie hatte es ihm nicht verziehen, dass er als Einziger ihre Schönheit nicht zu sehen schien.
Es war ihr wie ein persönlicher Triumph, dass er in seiner künstlerischen Laufbahn nicht vorwärtskam. Sie hatte es ja gewusst, jemand, der Fischblut in den Adern hatte, wie konnte der ein Künstler werden, der die anderen Menschen entflammte? Der musste ja unbekannt und im Dunkel enden.
Madelen in ihrer Oberflächlichkeit wusste nicht, dass die künstlerische Leidenschaft nichts zu tun zu haben brauchte mit der Leidenschaft der Sinne. So beurteilte sie Michael Heinsigk völlig falsch. Er war kein temperamentloser Mensch. Aber er hasste mit dem Abscheu des seelisch feinfühligen Menschen Frauen, die ihrer Leidenschaft hemmungslos Ausdruck verliehen. Er hatte in sich tief verborgen ein Idealbild der Frau — und es war in nichts Frauen wie Madelen ähnlich. So übersah er ihre spöttische Nichtachtung, ja er bemerkte sie wohl nicht einmal. Seine Seele war erfüllt von Träumen, die einen ganz anderen Inhalt hatten. Als er später Stella Hollmers kennenlernte, wusste er, wofür er sich so lange aufbewahrt hatte. In Stella Hollmers fand er jenes reine Ideal der wirklichen Frau verkörpert, das er mit der ganzen Inbrunst seiner scheuen Seele gesucht. Dass dieses Frauenideal als ein lebender und ihn liebender Mensch ihn zum Lebensgefährten erwählen würde, hätte er niemals zu hoffen gewagt. Stella Hollmers, eine der grössten Künstlerinnen — und er, ein unbedeutender kleiner Schauspieler? Aber das Wunder geschah. Stella Hollmers erwählte ihn vor allen andern Bewerbern um ihre Hand. Glück und Angst waren in seiner Seele seltsam gemischt, als sie beide vor dem Altar in Stella Hollmers Heimat, der schönen Hansastadt standen. Glück, weil er die schönste, edelste Frau sein eigen nennen durfte. Angst, weil er alle die Konflikte vorausfühlte, die sein Leben beschatten mussten. Hier in Berlin sah er unerwartet Madelen wieder. Sie war von der Bühne ganz zum Film übergegangen und war nun an der gleichen Filmgesellschaft wie Stella Hollmers engagiert. So kam sie wieder in Berührung mit Michael. Ihr Groll gegen ihn war nicht geschwunden. Im Gegenteil, dem Manne der Stella Hollmers galt ihre besondere Abneigung. Stella Hollmers stand ja ihrer eigenen Karriere im Wege. Sie hatte beim Engagementsabschluss die Hoffnung gehegt, die grossen Starrollen bei der neuen Gesellschaft spielen zu können. Da war im letzten Augenblick ein Vertrag mit Stella Hollmers zustande gekommen, die bis dahin bei einer anderen Gesellschaft tätig gewesen. Mit den stolzen Träumen Madelens war es vorbei. Sie konnte noch so viel intrigieren, noch so liebenswürdig gegen die gewaltigen Direktoren des Films sein, man konnte gegen Stella Hollmers nicht ankommen.
„Was wollen Sie, Kind“, hatte einer der Direktoren achselzuckend gesagt, „das Publikum frisst jeden Stella-Hollmers-Film wie der Feinschmecker den Kaviar.“
„Oder wie der Esel die Heubündel“, war Madelens boshafte Erwiderung gewesen. Da hatte der Direktor nur milde lächelnd geschlossen:
„Schön, auch das, wenn Sie wollen. Wenn Sie das Publikum als Esel bezeichnen, kann man nichts machen. Obwohl im Falle Stella Hollmers ich das Publikum gar nicht dumm finde. Das eine aber ist sicher, wenn wir die Beliebtheit der Hollmers nicht ausmünzen würden, wären wir wahrhaftig die Esel. Was wollen Sie übrigens? Sie sind in jedem Film unserer Produktion in einer Rolle beschäftigt. Sie könnten also zufrieden sein.“
Er hatte ihr begütigend die Wange streicheln wollen, aber sie hatte sich mit blitzenden Augen losgerissen:
„Tragende Rolle — immer neben der Hollmers. Immer im Schatten dieser Frau.“
Spottend hatte der Direktor gemeint, „dann trösten sie sich mit dem guten Michael. Der steht immer im Schatten seiner Frau.“
Dies Wort hatte Madelen sofort kolportiert. Michael hiess seitdem nur noch „Der Mann im Schatten.“
Der Direktor hatte nicht gewusst, dass er mit seinen nur spöttisch gemeinten Worten Madelen doppelt getroffen. Denn dass Michael, der sie verschmäht hatte, nun Stella Hollmers Mann war, war ein erneuter Grund für Madelens Wut. Wenn sie diese beiden Menschen nur auseinander bringen könnte! Daran dachte sie jetzt, wie sie seitlich an eine Kulisse gelehnt stand und das Spiel der Stella Hollmers betrachtete. Sie stellte wieder einmal mit brennendem Neide fest, wie alle hier, soweit sie nicht beschäftigt waren, mit Begeisterung diesem Spiel folgten. Sogar Schuwaroff, der einen Augenblick aus dem Bilde zu gehen hatte, sagte leise zu einem Kollegen: „Geradezu unvergleichlich, wie diese Frau spielt.“
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