Liane Sanden
Roman
Saga
Dem Licht entgegen
© 1935 Liane Sanden
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711593417
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
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Oel?“ fragte Ambarzum Tschaltikjanz. „Interessiert Sie das wirklich, Mister Meredith?“
Sein Ton war höflich erstaunt. Doch sein Gesicht, dies dunkle, feingeschnittene Gesicht, war in der Krümmung der sehr roten Lippen, im Ausdruck der Augen vollkommene Verachtung.
Wie ein Filmheld!, dachte Meredith angewidert. Immer wieder ging ihm, dem Engländer, diese mimische Beweglichkeit auf die Nerven. Wenigstens wenn es sich um einen Mann handelte. Bei einer Frau konnte dieser Wechsel im Ausdruck ein Reiz sein; gehörte geradezu dazu. — Die kleine Aslanä hatte das auch gehabt. Ihre ganze kleine, dumme Seele war immer in jeder Bewegung des dunklen Gesichts deutlich gewesen. Er hatte lange nicht an sie gedacht; jetzt war in dem Gesicht des Armeniers eine Linie, ein Ausdruck, plötzliche Erinnerung an jene kleine Sekretärin — und schon vorüber.
„Natürlich interessiert mich das Oel!“ sagte er unzufrieden. „Wozu habe ich denn die blödsinnigen Terrains da unten gekauft?“
Tschaltikjanz zuckte die Achseln:
„Was soll das ganze Oel auf der Welt? Amerika hat Oel, England hat Oel, Russland hat Oel. Wohin Sie sehen, die Welt ertrinkt in Oel oder in Krieg um Oel. Der Kaukasus hat noch andere Schätze.“
„Welche?“ fragte Meredith kurz.
„Diese hier!“ Ambarzum griff in die Tasche. So wie ein anderer ein paar Schillinge hervorholt, zog er etwas heraus, legte es vor Meredith auf den Tisch. Auf dem Dunkel der Palisanderplatte schimmerte es metallisch auf.
„Gold!“ sagte Meredith; seine Augen funkelten. —
„Gold!“ bestätigte der Armenier trocken. „Und noch mehr.“ Wieder fuhr seine Hand in die Tasche. Es klirrte kalt und sprühend. Neben dem kleinen Goldklumpen auf dem Tische lag eine Handvoll Edelsteine: Diamanten, schwarz wie geheimnisvolle Kohle, nur mit einem phosphoreszierenden Glanz, daneben das weisse Feuer von Brillanten.
„Was sagen Sie nun?“ fragte Ambarzum. Er hatte jetzt ein völlig unbewegtes Gesicht, wie aus glattem Elfenbein. Die Augen sassen schwarz und leuchtend unter den feinen Brauen. Er war schön, aber von einer Schönheit, die beunruhigte.
Meredith nahm ein paar von den Steinen auf. Kalt und sprühend lagen sie in der breiten Männerhand.
„Ein Bluff, Ambarzum! Von welchem Händler haben Sie diese Steine gekauft?“
Ambarzum lächelte. Es war ein ganz schnelles Lächeln, das Meredith nicht sah. Der konnte trotz seiner angenommenen Gleichgültigkeit von den Steinen nicht fortkommen. Sie waren kalt, und dennoch schienen sie in seiner Hand zu brennen. Ihr Feuer flammte geradeswegs in seine Seele.
„Sie werden alt, Meredith! Haben Sie schon jemals gehört, dass irgendein Händler oder irgendein Geschäft auf den Boulevards oder in Regentstreet derartige Steine hat? Ungeschliffen? In solcher Grösse? Nicht einmal Amsterdam hat so etwas.“
„Also wirklich aus dem Kaukasus? Wie kommen die jetzt herüber?“
„Mein Geheimnis, Meredith! Sie können nicht verlangen, dass ich Ihnen das auch so auf dem Präsentierbrett bringe wie hier die Steine. Erst muss unsere Geschäftsabmachung perfekt sein. Dann werden wir weiter sehen. Ich sage Ihnen noch einmal, Gold muss man schürfen, nicht Oel bohren.“
„Nun, ich will es mir überlegen.“
Aber Meredith wusste, es gab hier gar nicht viel zu überlegen. Er hatte so viel Kapital unten investiert, dass er sich eine neue Einnahmequelle erschliessen musste. Freilich auch das hiess wieder neues Geld aufbringen, ehe man mit Goldsuchen in grossem Stil beginnen konnte. Wenn Ambarzum sich selbst mit Geld beteiligt hätte, dann wäre es leichter. So aber sollte er alles allein bereitstellen, dafür noch an Ambarzum für die Konzessionsbeschaffung die Hälfte vom Gewinn. Das Risiko musste man also zunächst wieder allein tragen.
Und doch brauchte er Ambarzum für alle anderen Geschäfte unten. Er hatte alle Verbindungen. Wenn man unten an der Grenze etwas unternehmen wollte, kam man ohne Ambarzum nicht mehr aus. Die Zeit war endgültig vorbei, wo man als Engländer, nur auf das Empire gestützt, allmächtig war. Die anderen Völker hatten allmählich auch begriffen, was sie wert waren. Die Russen besonders. Sie unterboten in einer geradezu märchenhaften Weise. Man konnte den Zeitpunkt beinah vorausberechnen, zu dem die Oelfelder mit den Bohrtürmen und allen Investionen für ein Butterbrot an den Börsen gehandelt wurden.
„Also wollen wir in Borschom Standquartier nehmen?“ fragte er. „Dann würde ich beizeiten Zimmer bestellen. Es ist nicht leicht, zur Saison dort etwas zu bekommen. Oh, wir sind sehr modern, Meredith! Wir haben eine richtige Saison!“
„Gut, reisen wir! Wenn es auch weiter nichts sein wird, als dass wir einen kleinen Erholungstrip machen. Denn die Geschichte von Ihrem Diamantenfeld — nehmen Sie es mir nicht übel —, Ambarzum, sie scheint mir doch ein Märchen zu sein!“
„Der Orient ist das Land, in dem die Märchen wahr werden, Meredith“, sagte der andere fast feierlich. Ueber Merediths Gesicht zuckte es belustigt. So skrupellos Ambarzum als Geschäftsmann war — wie er dies sagte, klang es so pathetisch, als ob er wirklich noch in dem Märchenglauben seiner Heimat befangen wäre. Nun, um so besser. Menschen, die an so etwas hingen, waren letzten Endes zu besiegen.
„Wird Mistress Meredith auch mitkommen?“ Ambarzum Tschaltikjanz fragte es vielleicht um eine Nuance zu schnell.
Meredith sah auf. „Gewiss — warum fragen Sie?“
„Oh, ich meinte nur. Ich habe den Eindruck, als wäre sie reisemüde.“
„Sie ist zäh!“ Etwas Unterdrücktes lag in Merediths Ton.
Sie war zäh, Beate, aber auch in einem anderen Sinne. Im Seelischen. Meredith hatte geglaubt, leichtes Spiel zu haben. Aber zum ersten Male hatte er sich in seiner Berechnung getäuscht in seiner Frau. Alle bisher waren sie zu biegen gewesen: durch Geld, durch Lockungen, durch Drohung. Nur Beate nicht. Hinter ihrer Gelassenheit war etwas Eisernes. Es bog sich nicht. Es zerbrach auch nicht. Er hatte sie. Aber er besass sie nicht. Als ob sie eine Schutzwehr um sich geschlossen hätte, sah sie, wenn er brutal wurde, wie durch ihn hindurch oder über ihn hinweg. Niemals war auch nur etwas wie Furcht in ihren Augen gewesen. Eher eine ganz feine Verachtung. Und dieser, Beates Widerstand, band ihn immer noch mit den Sinnen. Sie sollte sich ihm fügen. Sie sollte sein, wie er es wollte. Sie war nicht mehr die Prinzessin wie früher. Sie hätte dankbar sein müssen, dass er sie aus dem Zusammenbruch herausgeholt und den Bruder geschont hatte. Aber Dankbarkeit stand offenbar nicht in ihrem Lexikon. Wie verletzend war sie erst gestern wieder gegen Ambarzum Tschaltikjanz gewesen. Dabei wusste sie genau, wieviel ihm daran lag, den Mann bei guter Laune zu erhalten.
Ambarzum schien Gedanken lesen zu können.
„Wissen Sie, in bezug auf Mistress Merediths Reise mit uns habe ich noch andere Bedenken. Ich glaube, meine Anwesenheit ist Mistress Meredith nicht genehm.“
„Wie kommen Sie darauf?“ Es klang erstaunt und vollkommen unbefangen.
„Ich habe nun einmal das Empfinden. Mistress Meredith behandelt mich noch eine Nuance abweisender als andere. Ich muss Ihnen offen sagen, Meredith, es kränkt mich etwas! Ich könnte eigentlich, um unserer Freundschaft willen, etwas anderes erwarten. Aber offenbar“ — er fügte es etwas spöttisch hinzu — „haben Sie in dieser Hinsicht keinen Einfluss!“
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