Susanna Egli
Gefangen im Körper einer Frau
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Inhaltsverzeichnis
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Impressum neobooks
Rotterdam, Niederlande
Ich saß auf der Kaimauer in Rotterdam und hielt meine Angelschnur ins Wasser. Kein Fisch biss an, obgleich ich sie so gut mit Blutwurst fütterte, die ich von einem schwedischen Schiff mitgebracht hatte. Dort war ich zum »Abkochen« gewesen, auf Deutsch gesagt: zum Betteln.
Dieses Abkochen, das Betteln von Essen auf Schiffen, die im Hafen liegen, ist nicht immer eine würdige Sache. Ein Mensch, der gute Arbeit hat - oder es glaubt, in guter Position zu sein -, fühlt sich gegenüber dem Menschen, der arbeitslos ist, zuweilen sehr überlegen. Und diese Überlegenheit lässt er den Arbeitslosen auch fühlen.
„Na, alles Geld bei den Huren verfickt - und nun wollt ihr euch bei uns vollfressen!“ Dieses wurde uns ständig vorgeworfen.
Da las ich eines Abends in einer alten Zeitung eine Anzeige, die mein Leben vollkommen veränderte:
» Bekanntes Laboratorium sucht für medizinische Versuche (Erprobung neuer Arzneimittel) eine kräftige männliche Person nicht über Dreißig. Freie Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld, evtl. Vertrag «
Obwohl die Zeitung alt war, machte ich mich sofort auf den Weg. Das moderne Labor stand verlassen im ehemaligen Industrieviertel und war von einem hohen Zaun umgeben. Ich zeigte dem Pförtner die Anzeige.
„Längst besetzt“, sagte er belehrend.
Ich drehte mich um und wollte zum Hafen zurück. Aber er hatte es sich offenbar überlegt und hielt mich auf.
„Ich werde doch lieber mal den Boss fragen, vielleicht ist doch noch was frei - das kann man nie wissen bei den Herren.“
Er sprach in ein eingebautes Telefon hinein.
Nach einer Weile sagte er: „Sollst raufkommen. Zimmer 17, erster Stock. Viel Glück!“
Als ich die Tür zum Gebäude öffnete, empfing mich ein kalter Luftstrom. Aha, dachte ich, Klimaanlage. Nachdem ich zwei Treppen hinaufgelaufen war, stand ich unmittelbar vor Nummer 17. Ich klopfte kurz entschlossen.
„Herein“, hörte ich und öffnete die Tür. Mitten in einem Raum mit vielen großen Fenstern stand ein Schreibtisch, und hinter ihm saß ein älterer weißhaariger Mann in einem weißen Mantel, der mich freundlich anlächelte und mir einen Sitzplatz anbot.
„Kommen Sie auf die Anzeige, die wir in der Zeitung hatten?“, fragte er freundlich.
Ich nickte.
„Eigentlich sind Sie mir etwas zu muskulös.“
„In der Anzeige suchten Sie doch eine kräftige Person.“ Ich stand enttäuscht auf. „Dann ist es also wieder nichts.“
„Nun setzen Sie sich erst mal wieder hin. Ungeduldige Menschen kann ich nicht brauchen.“
Ich setzte mich und blickte ihm fragend in die Augen. „Um was geht es hier denn eigentlich?“
„Ja“, antwortete er, „das ist nicht ganz einfach zu erklären, denn wir kennen uns doch noch gar nicht, und außerdem müssen Sie erst mal untersucht werden, ob Sie geeignet für unsere Versuche sind, denn schließlich investieren wir einen Haufen Geld. Für Sie wäre es eine Anstellung für mindestens zwei Jahre mit einem guten Gehalt.“
Na, lass ihn mal erzählen, dachte ich erwartungsvoll und blieb ganz still und aufmerksam. Zwei Jahre - das klang nicht schlecht!
„Dann ziehen Sie sich mal aus.“
Ich zog mich aus und legte mich auf die Liege.
Er untersuchte mich. Zuerst verfolgte er die Muskeln, die von der Schulter zur Brust laufen, und sagte ein paarmal: „Gut, gut.“
Dann nahm er meinen Schwanz in die Hand: „Gut gepolsterter Hügel; brauchbar, äußerst brauchbar. Das wird zu machen sein.“ Mit einem kurzen Blick unter den Sack sagte er dann: „Sie können sich wieder anziehen.“
Als ich mich angezogen hatte, lehnte er sich in seinem Sessel zurück. Ich blickte den Mann fragend an.
„Nun erzählen Sie mal etwas von sich“, sagte er.
Ich fing also mit der alten Leier an: Ich bin da und da geboren und dort und dort zur Schule gegangen, fuhr dann zur See, war bei den verschiedensten Reedereien beschäftigt. Augenblicklich bin ich arbeitslos und wohne im Seemannsheim“, schloss ich meinen Bericht.
„Ich bin allerdings mehr an der menschlichen Seite Ihres Lebens interessiert; zum Beispiel Ihre Kindheitserinnerungen.“
„Da könnte ich natürlich stundenlang erzählen; wofür interessieren Sie sich denn besonders?“
„Ja“, sagte er schmunzelnd, „da wären zuerst die sexuellen Eindrücke in Ihrer Jugend, eventuelle homosexuelle Gefühle oder Erfahrungen.“
„Homosexuelle Gefühle hatte ich eigentlich nie, auch keine Erfahrungen. Aber da ist etwas anderes“, ich zögerte, ob ich es ihm überhaupt sagen sollte. „Ja, da war was Komisches. Ich wünschte mir schon seit meiner frühesten Jugend, ein Mädchen zu sein. Ich stolzierte oft in den Kleidern meiner Schwester herum; selbst jetzt noch trage ich gern Damenunterwäsche und betrachte mich dann im Spiegel.“
Jetzt schämte ich mich fast ein wenig.
„Das ist ja wirklich famos“, sagte er freudig, „dann sind Sie der richtige Mann für uns. Nun kann ich Sie ja auch über die Gründe, warum Sie hier sind, aufklären. Wir machen Versuche mit weiblichen Hormonen. Dabei kann es vorkommen, dass Sie weibliche Brüste bekommen und auch stärkere Hüften. Wären Sie damit einverstanden?“
„Nun muss ich aber mal dumm fragen. Was springt denn für mich dabei raus?“
Der Arzt lachte. „Wir werden mit Ihnen natürlich einen Vertrag abschließen, das ist ganz klar. Sie bekommen von uns für die Zeit der Versuche freie Unterkunft und Verpflegung und ein angemessenes monatliches Gehalt.“
„Gut“, antwortete ich, „damit wäre ich schon einverstanden; aber wie sieht es mit der Behandlung aus? Ich mache alles mit - nur keine Operation.“
Der Arzt drehte sich zum Fenster und blickte auf das Meer hinaus. „Sie werden von mir jeden Morgen Spritzen bekommen und dazu noch einige Pillen; leider müssen Sie hier auf dem Grundstück Ihre Zeit verbringen...“
Ich unterbrach ihn entrüstet: „Sie meinen, ich soll hier Jahre eingesperrt verbringen? Das kann niemand von mir verlangen!“
„Nein, nein, so war das nicht gemeint. Nur in der ersten Zeit. Ich muss leider darauf bestehen, denn sollten Sie nach Seemannsart so richtig an Land gehen, dann würde durch das Saufen unsere Arbeit schnell zerstört.“
„Also keinen Alkohol, kein Rauchen, keine Weiber“, erwiderte ich aufgebracht.
„Ich sprach nur vom Saufen - gegen ein bisschen Alkohol sowie Rauchen und Weiber, wie Sie so schön bemerkten, habe ich gar nichts.“
„Wie soll ich denn hier unter Verschluss zu Weibern kommen?“
„Das muss ich schon Ihnen überlassen; aber hier wimmelt es von Chemikerinnen, Schwestern und Sekretärinnen - auch einige Fußbodenkosmetikerinnen sind nicht schlecht, wenn man an der Hautfarbe keinen Anstoß nimmt. Sind Sie nun zufrieden?“
Ich nickte.
„Kommen Sie bitte morgen um zehn Uhr hierher. Sie können dann den Vertrag durchlesen und mit der Behandlung anfangen.“
„Auch wieder hier?“
„Richtig. Immer hier. In der Zwischenzeit werde ich Ihr Zimmer richten lassen; es liegt genau gegenüber. Nummer 22.“
Er reichte mir die Hand.
„Ja, bis morgen.“
Ich zottelte zum Seemannsheim zurück und bezahlte meine Rechnung.
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