Auch die Männer meinen, es seien doch auch dem König Schranken gezogen ...
Aber gerade in diesem einen Punkte verrechneten sich sowohl Männer wie Weiber gründlich. Es zeigte sich bald, daß der König es sehr gut aushalten kann. Ruiniert? Im Gegenteil!
Es ist ja mit dieser schönen Sache ein ganz neues Feuer über ihn gekommen. Er funkelt und glüht förmlich vor gewaltigen Entschlüssen und frischer Unternehmungslust.
Er läßt Erling Eichennase aufs Kontor kommen, stattet ihn mit Papieren und Mustern aus und schickt ihn auf die Reise ins Land hinaus. Und Erling Eichennase reist nun unermüdlich im Lande herum und verkauft und sendet mit jedem Postschiff seine Bestellungen nach Mjelvik. Der König muß gegen den Herbst zu seine Fabrik wiederum vergrößern. Er fabriziert von nun ab außer Seife auch noch Stiefelschmiere.
Und noch später im Herbst kauft er zu seiner alten Fischjacht eine neue und größere hinzu. Sollte es da vielleicht nicht gehen?
Es geht sogar glänzend. Der junge Schreiber Mikkelsen wird auch schon schief in den Schultern vom vielen Rechnen. Er muß von frühmorgens bis in die Nacht hinein auf seinem Stuhl sitzen, mit Feder und Lineal und Kopierpresse hantieren, und hört kaum einen Vogel singen und weiß kaum, ob die Wiesen blühen oder ob Schnee darauf liegt. Und wenn es so weitergeht, muß er das Schicksal des alten Ellingsen teilen, der rechnete und rechnete, bis er tot umsank. So treu diente er dem König.
Ein stiller und feiner Mensch, dieser Mikkelsen. Ein Schwestersohn von Kristin. Eine Waise. Er kam schon mit zehn Jahren nach Trollhaugen, als seine Mutter starb und der Vater bankerott und gleichzeitig dem Leben ein Ende machte. Mikkelsen wuchs im Schatten des Königs auf. Und weiß nichts anderes.
Er sitzt nun seit fünfzehn Jahren an des Königs Tisch. Und der König bezeigt ihm Wohlwollen. Da sich aber ein armer Mensch in irgendeiner Weise nützlich machen muß und Müßiggang nur dem Reichen gebührt, steckte der König seinen jungen Vetter aufs Kontor, als der alte Ellingsen dahingewelkt war. Und da schreibt sich Mikkelsen also die Schultern schief und verdünnt sein Blut.
Abends, nach Geschäftsschluß, spielt Mikkelsen auf seiner Ziehharmonika. Darin ist er ein wahrer Meister. Aber er hat das Schicksal gegen sich.
Fürs erste verliebte er sich fürchterlich in Küsters Petrine, die rötliches Haar und volle Formen besaß und hellblaue Augen und eine herrlich süße Stimme und einen goldenen Humor. Das wäre alles recht und gut. Aber der Herr selber hat sein Auge auf diese Magd geworfen.
Es ist nicht ratsam, sich gegen des Herrn Willen aufzulehnen.
Was den Kontoristen Mikkelsen anbetrifft, so hätte er sich wohl blutenden Herzens ins Unvermeidliche gefügt und seine Zeit abgewartet. Er hätte gewartet, bis Petrine ihre zwei Jahre im Königsschlosse abgedient und wieder frei geworden wäre. Oh, er hätte wohl dabei gejammert und sogar geflucht, sein Geschick verwünscht — und wäre dennoch weiter und weiter im Schatten des Königs gewandelt und dabei immer krümmer geworden im Rücken.
Petrine aber war von anderer Sorte. Sie sagte: „Nein!“
Und da war es auch nein und blieb nein.
Als der König es scherzhaft auffassen wollte, sagte sie als allererste: „Uff — da!“ Und schüttelte seine Hand ab.
Damit fing eigentlich des Königs Ungemach in der Liebe an. Seht, es wollte sich nun kein Mädchen in Mjelvik finden, das sich selber geringer achtete als Petrine.
Petrine liebte den simplen Kontoristen Mikkelsen. Und so war der Konflikt da.
Doch gerade im Augenblick, als es am schlimmsten stand, fuhr die Dame Oline Jensen aus der großen Welt übers Meer heran, stieg an den Strand von Mjelvik. Gott segne sie! Sie ersparte zwei jungen Leuten viel Herzenspein.
Was keinem Menschen von Mjelvik mit Bitten und Tränen gelungen wäre, das vollbrachte Oline mit einem einzigen Blick ... Zehn Schritte machte sie auf den König zu — dann sank er schon in die Knie.
Nun hat es wahrlich nicht so viel zu bedeuten, daß Oline so ungewöhnlich fein und gebildet ist, und daß sie nicht mit einem gewöhnlichen Schreiber am Tische sitzen und essen mag, und daß sie die Musik einer ordinären Ziehharmonika nicht ausstehen kann. Es wird ihr ja ganz übel von so viel Gewöhnlichkeit.
„Wenn er wenigstens noch Geige spielte oder Flügel“, sagt Oline. Gut. Der König spricht ein Wort.
Von da ab ißt der Kontorist Mikkelsen in der Küche am Gesindetisch. Und nach dem Abendessen wandert er mit seiner Ziehharmonika in den Wald, so weit, daß er von der Königsburg nichts mehr sehen kann. Dort trifft er Petrine. Und alles ist gut.
Petrinens Augen leuchten wie blaue Sterne und schimmern feucht. Ihre Hände sind voller Sinnenfreude. Ihr Nacken ist weiß und weich. Hat man vielleicht je gehört, daß zwei junge Menschen sich in grüner Waldeseinsamkeit grämen oder über die Zukunft unnötige Sorgen machen? Sie schauen einander an. Und es braucht nicht mehr.
Die Dame Oline hat den König auf die Knie gezwungen, des Königs Burg erobert, alle Weiber von Mjelvik geärgert und die Männer aufgeregt. Sie hat den Kontoristen Mikkelsen von seinem Platz am Herrentisch vertrieben — ist sie vielleicht jetzt satt und zufrieden?
Weit entfernt! Ihr Geist hat einen hohen Flug und wird voller Unruhe immer noch mehr aufwärts getrieben.
Wenn nun also dieser Schmied Nils Ytra, der ja nichts als ein gewöhnlicher Häuslerbub ist, mit seinem Motorrad in der Welt herumknattern kann, warum sollte da eine Oline Jensen nur auf ihren Füßen das elende Stücklein Weg zur Landungsbrücke gehen und im besten Falle mit der Reitpeitsche pfeifen? Glaubt man denn, Oline sei so harmlos?
Da irrt man sich. Oline führt mit dem König im dunklen Zimmer ein Zwiegespräch. Der König nickt kurz und amerikanisch, obschon es keiner sehen kann. Der König schreibt einen Brief in die Stadt und bestellt ein Automobil.
Denn Oline hat ihm im Dunkeln zugeflüstert: „Alle besseren Leute haben ihr Automobil. Warum solltest gerade du, der du doch der König von ganz Mjelvik bist, kein Automobil haben?“
Gut gesagt! Dieser Schuß saß mitten im Schwarzen. Und so mußte also der König schreiben und konnte nicht anders. Er gab vielleicht sein letztes Geld her. Niemand kann wissen, wie schwer es ihm gerade in diesen Tagen wurde.
Aber ein König ist kein Kärrner. Der nächste Dampfer brachte das Automobil. Es wurde von acht Männern vorsichtig und mit großem Aufwand an Reden und Zurufen zur Burg hinaufgeschoben.
Herrgott, welche Aufregung, welches Wundern! An diesem Tage rauchten alle Gassen Mjelviks nach verbrannter Hafergrütze.
Am Abend standen die Weiber in langer Reihe am Bach entlang und schabten ihre Kochtöpfe mit feinem Sand. Ja, das war ein Spektakel.
Auf Trollhaugen stand nun der Wagen, rotlackiert und glänzend auf seinen Gummirädern, roch nach Wohlstand und Leder und verwegener Leichtfertigkeit.
Aber leider war nun kein Mensch da, der diese Maschine in Gang bringen konnte. Der König berief Thorfinn, den blonden Sohn des verstorbenen Kontoristen Ellingsen, zu sich, stattete ihn aus und befahl ihm, schleunigst in die Stadt zu fahren und die neue Wissenschaft mit den Motoren zu erlernen. Nach kaum einem Monat kehrte Thorfinn wieder zurück, mit zwei Fässern Benzin und vielerlei Kenntnissen. Er schraubte ein wenig am Wagen herum, füllte die Behälter und schwang einen Hebel. „Pf — pf ... Brrrrr.“ Los ging die Motorkraft.
Es tobte im Wagen, daß die Erde erbebte und das gewöhnliche Volk die Flucht ergriff. Thorfinn öffnete die Tür, und Oline stieg unerschrocken ein. Großartig!
Selbst die Weiber vergaßen für ein paar Minuten ihren Neid und ihren Haß vor aufrichtigem Staunen.
Ja, da flog nun Oline durchs lange Tal hinan und achtete wohl darauf, daß der blaue Seidenschleier tüchtig hinter ihrem Haupte herflatterte. Sie erregte überall ungeheures Aufsehen. Hühner und Pferde ergriffen die Flucht. Auch die Menschen flüchteten. Nur die tapfersten Hunde empfingen das rote, fauchende Ungeheuer mit wütendem Gekläff.
Читать дальше