1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 Der Hornlöffelmeister nimmt Almosen und Freundlichkeit und Milde gelassen entgegen. Ohne Dank und Rührung. Er knüllt die Geldscheine zusammen, steckt sie in die Tasche und betrachtet seinen Gönner mit leeren Fischaugen. O, dieser Mann ist ein Vulkan, dessen Feuer erloschen. Nur der Krater blieb übrig.
Vor langer Zeit ging Haldor Oevreseth über diesen Bach und war damals ein junger Bursche mit leichten Fersen. Man führte ihn fort, nachdem man ihn aus gutem Schlummer geweckt, und hängte ihm Bleikugeln an die Füße.
„Gott soll mein Zeuge sein!“ rief Haldor Oevreseth so manches liebe Mal laut.
Aber ein Mann in schwarzem Rock und weißem Kragen und hoher Lappenmütze stand hinter einem Tisch und redete mit müder Stimme viele Worte. Und er verlangte Haldors Leben. Das gab einen seltsam leisen Ton — als ob man einem Kalb das Messer in den Hals stößt ... Und hierauf kam das Gefängnis. Haldor gewöhnte sich bald an diesen Zustand. Seine Beine wurden dünn und seine Finger gelb und feucht und kalt ... aber wozu wäre denn sonst das Schicksal noch da?
Ein Haldor Oevreseth ist wohl nicht deshalb auf die Welt gekommen, um mit starken Schenkeln in den Bergen von Mjelvik herumzuklettern und seine Haut von Wind und Sonne bräunen zu lassen. Jedem sein Teil. Benjamin Sagensen empfing den Laden und wurde Krämer ... Und von fernher kam also nun der Emissär Ole Mathiessen, erlebte auf Trollhaugen eine Niederlage und stieß in des Herrn Namen Verwünschungen aus und verfluchte ein schamlos sündiges Paar.
Aber im Herzen ist der Emissär tief ergriffen und dankbar, dazu auserkoren zu sein, mit dem Bösen zu ringen.
Der Emissär tritt in den Kramladen von Mjelvik, im gleichen Augenblick, als Benjamin mit seinen Hornlöffeln und seiner erschütterten Seele von der Begegnung auf der Brücke zurückkehrt. Magnhild nimmt ihm selber das Wolltuch vom Halse.
„Große Welt — wie du schwitzest!“ ruft Magnhild. „Der Dampf steht ja fömlich aus dir heraus! Das kommt von der Schwäche her“, sagt sie. „Und was sind denn das für Löffel?“
Nun, das sind natürlich Hornlöffel, und der Benjamin wird versuchen, die gute alte Sitte wieder in Mjelvik einzuführen. Warum sollte denn nicht abermals jedermann seinen Hornlöffel mit sich in der Tasche herumtragen?
„Benjahmin, Benjahmin!“ ruft Magnhild.
Seit sie so reich und vornehm wurde, zieht sie das a wirklich allzusehr in die Länge. Und sie jammert, daß der Krämer sich vor lauter Geschäftseifer noch zugrunde richte. So besorgt und zärtlich ist sie.
Und da erscheint also Ole Mathiessen, umstrahlt von düsterer Feierlichkeit. O ja! Dieses Haus wird ihm geöffnet. Hier mag er sich niederlassen. Dieser Acker wurde gepflügt und harrt nur des Sämanns.
„Es ist nur ein geringes Haus“, sagt der Krämer-Benjamin. „Wenn Sie es nicht verschmähen wollen ...“
Und Magnhild führt den hohen Gast in das beste Zimmer und umsorgt ihn mit weiblicher Güte.
„Hier ist gut sein!“ denkt wohl der Emissär. „Das ist nun der Lohn“, denkt er wohl.
Am Tisch wird ihm der Hochsitz willig überlassen. Der Krämer und sein Weib bedienen ihn mit Eifer und freuen sich über seine gesegnete Eßlust. Benjamin holt französischen Senf und echten Roquefortkäse und Ölsardinen vom Laden; alles Dinge, die sonst nur vom Herrenhaus oder höchstens vom Distriktsarzt verwendet werden. Wohlan, der Emissär streicht Butter aufs Brot und Senf auf die Butter, legt dicke Roquefortschnitten darüber und eine Schicht Ölsardinen darauf. Allmählich rötet sich sein Gesicht, und um Kinn und Nase zeigt sich ein fast überirdischer Glorienschein.
Nach dem Essen faltet er seine Hände und dankt dem Spender aller Dinge. Er wischt sich mit einem Zipfel des Tischtuches das Gesicht ab und segnet seine Wirte.
Nun kommt die Zeit, sich nach dem Frauenzimmer mit dem schillernden Sonnenschirm zu erkundigen. In diesem Geschöpf vermutet der Emissär seinen gefährlichsten Feind. Benjamin verspricht, die Kunden im Kramladen ein wenig auszuhorchen. Und mehr kann an diesem Tage nicht vollbracht werden.
Der Würfel ist gefallen. Der Emissär legt sich ins Bett und sinkt nach den Mühen des Tages bald in einen erquicklichen Schlaf. Sein Schnarchen durchdringt mit ungeheurer Gewalt alle Holzwände und mahnt unerbittlich den Krämer-Benjamin an alles das, was er in seinem Leben Böses getan und Gutes unterlassen.
Natürlich ist durch die Ankunft der drei Persönlichkeiten großer Aufruhr im Orte Mjelvik entstanden. Diese armen Menschen, deren Herzen im Grunde so unberührt und deren Seelen in der Sünde sogar noch ziemlich rein bleiben, wissen nicht mehr aus und ein vor weltlichen und geistlichen Kräften. Sie verbringen Stunden mit leerem Schwatz und Kopfschütteln und Fragen und haltlosen Vermutungen.
Und so vergeht der erste Tag. Und so vergehen mehrere Tage.
Der Hornlöffelmeister kam in den Laden und kaufte leere Kisten, starke Glaskisten und glattgehobelte Margarinekisten. Der Krämer-Benjamin bezeigte auch bei dieser Gelegenheit aufs neue seine Nächstenliebe. Er gab alle seine leeren Kisten fast umsonst her.
„Aber du sollst nicht darüber reden“, sagte der Krämer. „Es ist das nicht wert.“
„Nein“, sagte der Hornlöffelmeister.
Nein — und kein einziges Wort des Dankes und der Erkenntlichkeit. Nein, nein, dieser Vulkan ist völlig ausgebrannt. Nur noch ein gähnendes Loch.
Und jetzt trägt er alle die vielen Kisten an den Waldrand. Langsam und schleppend macht er den Weg hin und zurück und trägt jedesmal zwei Kisten. Er baut eine Hütte. Eine winzig kleine, lächerliche Hütte — ein hölzernes Zelt.
Wahrlich, der Krämer-Benjamin schenkt ihm eine Rolle Teerpappe fürs Dach. Er ist unergründlich.
Und wenn der Hornlöffelmeister auch kein einziges Wort verlautet, man errät doch allgemach in Mjelvik des Krämers Wohltaten und lobt sie um so mehr, weil sie im Verschwiegenen vor sich gehen.
Die Menschen von Mjelvik sind nicht schlecht. Die Menschen sind überhaupt nicht schlecht. Sie sind nur oft unwissend und zumeist ohne Gedanken und Gefühle für andere.
Der Hornlöffelmeister baut einen kleinen Herd in seine Hütte und einen unförmigen Kamin aus grauen runden Waldsteinen. Ein wahres Ungeheuer von einem Schornstein. Er steht außerhalb der Hütte. Aus drei Margarinekisten zimmert der Hornlöffelmeister sich ein Bett und füllt es mit Heidekraut und trockenem Moos. Und dann geht ihm das Geld aus.
All sein Geld, das er in fast dreißigjähriger Arbeit verdiente, ist ihm ausgegangen zum Bau dieser elenden Hütte. Die Hütte ist dabei nicht einmal fertig und vollkommen geworden. Ach, da fehlt noch viel.
Eine Tür zum Beispiel erscheint unbedingt notwendig. Wenn aber eine Tür da ist, muß auch ein Fenster her, denn sonst wird die Hütte ohne Licht, sobald die Tür geschlossen ist. Und so gibt eins das andere und wird zur Notwendigkeit und bringt den Hornlöffelmeister in eine schwierige Lage.
Nun aber zeigt es sich endlich, wie gut und freigebig die Leute von Mjelvik im Grunde ihrer Herzen sind. Es bedurfte ja nur des Anfangs und der Aufmunterung durch den Krämer-Benjamin, und schon fühlen alle den unwiderstehlichen Drang zur Wohltätigkeit in sich.
Wahrhaft rührend ist es, wie sie da in edlem Wettstreit alles mögliche aus ihren fast leeren Hütten hervorziehen und dem Hornlöffelmeister an den Waldrand hinaustragen.
Im Handumdrehen ist die Tür da, und das notwendige Fenster ist da, und Wolldecken fürs Bett und ein Stuhl und Kochgeschirr. Und sogar eine alte Kaffeemühle kommt — Herrgott, es wird der reine Luxus! König Sigmund schickt einen halben Sack Mehl und eine Vierteltonne Salzhering. Niemals hätte der König in bezug auf Nobilität hinter den andern zurückstehen dürfen.
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