»Hi.«
In dem Moment, in dem ich meinen Freund sah, verschob sich etwas in mir. Die Wut war komplett verschwunden und an ihre Stelle traten Erschöpfung und Verzweiflung. Ein unterdrücktes Schluchzen entfuhr mir und Duncan war sofort an meiner Seite. Kommentarlos zog er mich in seine starken Arme und wiegte mich sanft hin und her, während ich mir einen Moment der Schwäche gönnte.
»Es ist okay«, flüsterte Duncan mir zu, »lass einfach alles raus, Liebling.«
Und das tat ich. Nachdem die Tränen einmal begonnen hatten zu fließen, gab es kein Halten mehr.
»Hast du … hast du uns gehört?«, schniefte ich und vergrub mein Gesicht an Duncans breiter Brust.
»War nicht zu überhören.«
»Tut mir leid, dass ich dich in diese Situation gebracht habe.« Duncan seufzte und schob mich ein Stück von sich.
»Er wird sich wieder beruhigen. Mach dir keinen Kopf um mich. Aber …«, er musterte mich aufmerksam, »warum hast du Drake geküsst, Lilly? Ich weiß, wie du für Lucan empfindest, also … warum?«
»Es war seine Bedingung«, flüsterte ich leise.
»Seine Bedingung, dir zu helfen, war ein Kuss?« Ich nickte zustimmend.
»Dann ist er entweder sehr klug oder sehr dumm.«
»Er weiß, was ich für Lucan empfinde. Er hat gesagt er …«, ich hickste leicht, »er wollte seine einzige Chance ergreifen, mich zu küssen. Wenigstens einmal.«
»Dieser Bastard.«
Ein Bastard war Drake nicht, aber ich war zu müde um Duncan zu verbessern. Und ich würde einen Teufel tun, Drake nach dem heutigen Tag vor Duncan zu verteidigen. Immerhin hatte mein Freund meinetwegen Stress mit seinem Ziehvater und König. Egal was ich sagte, Duncan würde es nicht verstehen. In seinen Augen war ich Lucans Gefährtin und damit seine zukünftige Königin. Basta.
»Aber es … es ist immer noch Lucan, oder?« Duncan räusperte sich. »Also für dich?«
Ich stockte. Aufrichtig irritiert. »Immer.«
»Gut.«
Dass er mich das überhaupt fragte, schockierte mich über alle Maßen. Wenn Duncan an mir zweifelte, was ging dann gerade in Lucans Kopf vor sich?
»Was glaubst du denn, warum ich hier heulend rumsitze?« Wütend auf mich selbst wischte ich mir über die nassen Wangen.
»Du wirst auch das durchstehen, Prinzessin.«
»Wieso bist du dir da so sicher?«
»Weil das Feuer in dir stärker ist als das Feuer, das um dich herum brennt.«
»Duncan, ich«, gerührt schnüffelte ich leise, »ich weiß nicht was ich sagen soll.«
Solch wunderschöne Worte. Sprachlos erwiderte ich den Blick aus seinen blauen Augen. Wie konnte er bloß so viel Vertrauen in mich haben, so sehr an mich glauben?
»Manchmal verstehen die Leute um uns herum unsere Reise nicht«, erklärte Duncan und strich mir sanft über die Wange, »aber das ist okay. Es ist deine Reise, Lilly. Nicht ihre.«
»Wann bist du so weise geworden?«, neckte ich ihn, nun wieder lächelnd.
»Irgendwann in den letzten zwei Stunden, in denen Lucan mich ununterbrochen angeschrien hat. Oder vielleicht in Permata, als er lächerlicherweise gedroht hat, mich zu enterben und umzubringen, um mich danach irgendwo zu verscharren, wo mich niemand findet.«
Ich zuckte schuldbewusst zusammen. »So schlimm?«
»Es ist nicht das erste Mal, dass Lucan und ich uns streiten, Lilly.« Er zwinkerte mir fröhlich zu. »Immerhin war ich mal ein Teenager.«
»Ich danke dir. Für alles.«
In dieser Nacht lag ich noch lange wach und grübelte über Duncans Worte. Es war meine Reise, ja, aber sie betraf so viele Personen. Ganze Königreiche. Die Verantwortung auf meinen Schultern war enorm. Ich konnte es mir nicht erlauben, auch noch meine Freunde und Familie gegen mich aufzubringen. Wenigstens hatte ich geduscht, dachte ich seufzend und drehte mich, nicht zum ersten Mal in dieser Nacht, unruhig auf die andere Seite.
Nachdem ich meine Haut geschrubbt hatte, bis sie leicht gerötet und wohlduftend war, hatte ich gemeinsam mit Alina in meiner Suite gegessen und war dann direkt ins Bett gegangen. Sie hatte sich unnötigerweise dafür entschuldigen wollen, dass sie Nick nicht länger hatte ablenken können. Wenn jemand jedoch Verständnis dafür hatte, dann war ich das. Ein Geräusch ließ mich herumfahren und ich wollte mich gerade lautstark darüber beschweren, dass hier niemand mehr anklopfte, als ich spürte, wer sich da gerade im Dunkeln in mein Zimmer schlich. Ich erstarrte mitten in der Bewegung und hielt den Atem an.
Ohne ein Wort von sich zu geben, hob Lucan meine Bettdecke geräuschlos an und ließ sich neben mir auf die weiche Matratze gleiten. Mein Herz begann augenblicklich, schneller zu schlagen und in der anonymen Stille der Dunkelheit hörte ich, wie mein Atem sich beschleunigte, lauter wurde. Bevor ich überhaupt reagieren, geschweige denn etwas sagen konnte, war er bereits über mir. Lediglich mit einer tiefsitzenden Jogginghose bekleidet spürte ich wie jeder Zentimeter von Lucans nackter, mehr als definierter Brust sich gegen meinen Oberkörper presste. Sofort liefen meine Nervenenden auf Hochtouren und das Blut begann schneller durch meine Adern zu rauschen. Das war es, was ich in Drakes Armen vermisst hatte. Die Leidenschaft, die Hingabe und die Kompromisslosigkeit waren es, die mir gefehlt hatten. Lucans starke Unterarme stützten sich links und rechts neben meinem Kopf ab und ich atmete seinen einmaligen Geruch aus Mann und Magie ein, der so absolut Lucan war, dass mein Herz zu singen begann. Noch immer stumm, senkte er den Kopf, bis seine Lippen federleicht meinen Hals berührten.
War es das, was du gefühlt hast, als er dich berührt hat?
»Nein, ich …«
Er biss mir spielerisch in den Hals.
»Ahh.« Stöhnend hob mein Körper sich leicht von der Matratze und ich legte meine Hände auf Lucans muskulösen Rücken. Sanft streichelte ich die definierten Muskelstränge und genoss das Gefühl, unter diesem tödlichen Krieger begraben zu sein, in vollen Zügen.
War es das, was du gefühlt hast, als er dich küsste? Lucans Lippen strichen hauchzart über meine. Niemals.
Instinktiv zog ich ihn noch dichter an mich und diesmal küsste er mich richtig. Von Gefühlen überwältig, gab ich mich den Emotionen, die Lucan in mir auslöste, komplett hin. Seine Zunge schnellte vor und begann einen sinnlichen Tanz mit meiner, während eine seiner Hände meinen Hals hinunter wanderte und sich dann schwer und absolut köstlich auf eine meiner Brüste legte.
In einem winzigen Teil meines Hirns, der nicht von Lust vernebelt war, registrierte ich, dass wir noch nie zuvor so weit gegangen waren. Wir hatten uns geküsst, ja, aber wir waren noch nie so … körperlich geworden. Lucan schien das jedoch nicht im Geringsten zu stören. Seine Finger begannen geschickt, meine Brüste zu reizen und ich stöhnte verlangend auf. Tief in mir erwachte meine Magie träge zum Leben. Ganz so, als hätte ich ihr zugerufen: Hey, unser Gefährte ist hier zum Spielen. Und spielen wollte er, das verriet mir seine Erregung, die sich gegen meinen Bauch presste, deutlich. Heilige Balance, wie gern wollte ich mitspielen. In diesem Moment wollte ich nichts sehnlicher, als dem Verlangen nachgeben und mit Lucan schlafen. Dem Warten endlich ein Ende setzen. Aber es gab zu viel Unausgesprochenes zwischen uns. Zu viele Probleme. Zu viel Frustration. Und dann noch unser Streit …
Hast du dich so gefühlt?
Nein! Und das weißt du ganz genau, Lucan.
Plötzlich und ohne Vorwarnung löste sich Lucan von mir und rollte sich fluchend auf den Rücken. Ich beobachtete ihn einen Moment stumm. Zu irritiert davon, dass man mich des schönsten Gefühls der Welt beraubt hatte.
»Verdammt«, flüsterte er erneut und legte einen Arm über seine Augen, wobei sich sein Bizeps anspannte. Ich atmete ein paar Mal tief durch und versuchte sowohl meine Magie als auch die pulsierende Lust in meinen Adern unter Kontrolle zu bekommen.
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