Frauenroman
Anny von Panhuys
Flammen um Margot
© 1955 Anny von Panhuys
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711592199
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
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Der Sühnetermin war ergebnislos verlaufen. Margot von Lindner hatte auf alle Vermittelungsversuche des Richters geantwortet:
„Ich kann mit meinem Mann nicht länger zusammen leben, er macht mir das Dasein zur Hölle. Ich kann nicht mehr und will nicht mehr!“
Endlich durfte sie das Gerichtsgebäude verlassen. Ihr Anwalt, Justizrat Doktor Lenz, begleitete sie ein Stück des Weges. Er sagte zufrieden:
„Die Scheidung wird nun ausgesprochen werden, gnädige Frau, dann sind Sie wieder frei. Alles wird gut gehen. Ihr Mann bekommt Unrecht, und das Kind bleibt bei Ihnen.“
Sie sah ihn groß an.
„Natürlich muß ich das Kind behalten. Sonst wäre das Leben ja gar nicht zu ertragen.“
Er blieb stehen.
„Verzeihung, gnädige Frau, daß ich mich jetzt empfehle. Ich habe noch einen Termin wahrzunehmen.“
Margot von Lindner reichte ihm die Hand, und beide verabschiedeten sich voneinander.
Margot ging langsam weiter. Ihre Gedanken waren noch bei dem Sühnetermin, und sie erinnerte sich mit leichtem Frösteln an den seltsamen Blick ihres Mannes, der sie getroffen, als sie am Schluß noch ziemlich scharf geantwortet: Lieber spränge ich mit meinem Kind in den Waldsee, als daß ich zu ihm zurückkehrte!
Sie hatte einen ziemlich weiten Weg. Ihre verwitwete Mutter wohnte draußen vor der Stadt, und sie hatte das Auto weggeschickt. Sie wollte laufen. Dabei hoffte sie frei zu werden von der Erregung der vergangenen Stunde. Die Häuser wurden seltener; die leicht aufwärts führende Straße näherte sich dem Friedhof.
Margot dachte daran, wie glücklich sie im Anfang ihrer Ehe gewesen war, und wie sich dann doch bald alles so ganz anders gestaltete, weil ihrem Mann jedes hübsche Mädchengesicht gefiel.
Immer wieder betrog er sie, machte sie schließlich lächerlich.
Erst weinte sie und bat ihn, vernünftig zu sein, und er versprach das Blaue vom Himmel herunter; schließlich aber blieb ihr doch nichts weiter übrig, als zu ihrer Mutter zurückzukehren. Wie schön, wie wunderschön war der Anfang einer Ehe gewesen, die nun schmutzig geworden — o, so häßlich und schmutzig!
Sie hatte den Friedhof erreicht.
Hinter den dichten Büschen trat ein schlanker Mann hervor, stand an ihrer Seite, ehe sie sich recht besinnen konnte. Er hatte ein schönes, ebenmäßiges Gesicht und dreiste Augen.
Margots Atem ging hörbar.
„Weshalb lauerst du mir hier auf, Fred? Laß mich in Frieden! Wir beide haben einander nichts mehr zu sagen.“
„Wir beide haben einander noch sehr viel zu sagen“ gab er zurück, und seine braunen Augen blitzten.
Plötzlich wurde sein Blick weich und seine Stimme war voll Zärtlichkeit:
„Versuche es noch einmal mit mir, Margot, ich bitte dich flehentlich. Und wenn ich dich betrog, verzeihe es mir. Trotz aller Torheiten, die ich beging, geliebt habe ich doch nur eine einzige — dich, Margot, dich! Du bist das Glück meines Lebens, und wenn du nichts mehr von mir wissen willst, gehe ich zugrunde.“
Sie kannte den zärtlichen Tonfall, den warmen, bittenden Blick und glaubte längst nicht mehr daran.
Sie sah sich um. Niemand war in der Nähe und so erwiderte sie rauh und hart:
„Befreie mich von deiner lästigen Gegenwart. Nach dem, was ich in der Ehe mit dir durchgemacht, graut mir vor dir!“
Sie bereute schon, nicht das Auto benützt zu haben.
Er bettelte: „Mache mich nicht für das ganze Leben unglücklich, Margot.“
Sie wußte ja, seine Bitten waren Lüge; ihm lag nur daran, sich ihren Reichtum zu erhalten. Seine Liebe war falsch gewesen von Anbeginn; nur hatte er sich im Anfang der Ehe gut zusammengenommen.
Sie stieß ihn beiseite. Dabei glitt er aus und stürzte, die Straße war feucht von dem Regen, der nachts gefallen war. Fred von Lindner erhob sich mit beschmutztem Paletot und großen Flecken an den Beinkleidern.
Margot kannte seine übertriebene Eitelkeit und als er den heruntergefallenen, ebenfalls schmutzig gewordenen Hut aufnahm, konnte sie nicht anders, sie mußte lachen, so wenig ihr sonst der Sinn danach stand.
Er maß sie von oben bis unten mit Blicken voller Wut.
„Das Lachen sollst du hundertfach bereuen, das schenke ich dir nicht, und die Blamage beim Sühnetermin auch nicht! Nichts schenke ich dir, nichts! Du wirst noch an mich denken!“
Verachtung kräuselte ihre Lippen. Sie ging hastig weiter. Jetzt hatte sich der Mann gegeben, wie er wirklich war.
Ekel empfand sie vor ihm und Widerwillen.
Er starrte ihr nach, und sein schön geschnittenes Gesicht war vor Wut verzerrt.
*
Margot von Lindner kam, zu Tode erschöpft von der Begegnung mit ihrem Manne, zu Hause an. Ihre Mutter war eine liebe, gute Frau, schleppte aber schon seit Jahren ein schweres Herzleiden mit sich herum. Schonung brauchte sie, immer wieder Schonung.
Margot erzählte ihr nun von dem Sühnetermin, doch nichts von der Begegnung mit Fred. Wozu die arme leidende Mutter mit der Wiederholung der Drohung ängstigen, die der Abscheuliche ausgestoßen, dessen Namen sie trug?
„Alles wird gut gehen, Mutter“, erklärte sie. „Der Justizrat meinte, ich werde nun bald frei sein.“
Die Frau mit dem milden Gesicht und dem ergrauten Haar nickte.
„Wenn es nur erst so weit wäre, Margot! Ich will Gott auf den Knien danken, wenn du all das Häßliche hinter dir hast, was mit deiner Ehe zusammenhängt.“
Später ging Margot in das Kinderzimmer, und beim Ankleiden ihres herzigen kleinen Mädelchens schwand alles, was sie quälte und verwirrte. Sie nahm die Kleine zärtlich auf den Arm, hauchte einige Küsse auf das niedliche Gesichtchen. Wundervolle tiefblaue Augen hatte Klein-Hedi. Von jenem seltenen Blau, das dem der Veilchen gleicht. Sie hatte die schönen Augen ihrer jungen Mutter.
Das Kinderfräulein war eine hübsche, üppige Person mit dunklen Augen und dunklem Haar. Sie war schon von der Geburt des Kindes an bei Margot in Stellung und hatte im Haushalt der jungen Eheleute manches Unerquickliche mitangesehen und mitangehört. Daß sie selbst ebenfalls Fred von Lindners Küsse geduldet hatte, davon ahnte Margot nichts, und sie ahnte auch nicht, daß Betty Fellner sich heimlich mit ihrem Manne traf — ahnte nichts von den ehrgeizigen Träumen des dunkelhaarigen Mädchens.
Als Betty jetzt fragte: „Haben Sie mit dem heutigen Gang zum Sühnetermin nun alles Unangenehme hinter sich, gnädige Frau?“ hörte sie nur Anhänglichkeit, Treue und Ergebenheit aus der Frage heraus; das Lauernde, das hinter den Worten stand, hörte sie nicht.
Sie wiegte das einjährige Kind zärtlich im Arm hin und her, während sie antwortete:
„Ich habe mich auf keinen Versöhnungsversuch meines Mannes eingelassen und werde bald frei sein.“
„Gott sei Dank, daß Sie dann endlich Ruhe bekommen werden, gnädige Frau!“ kam es teilnehmend über die Lippen Bettys. In ihren Augen glomm es freudig auf. Sie selbst liebte Fred von Lindner; sie gönnte ihn keiner anderen.
Die Lösung dieser Ehe war ihr Herzenswunsch. Sie fragte:
„Darf ich heute gegen Abend ein Stündchen ausgehen, gnädige Frau? Meine Freundin hat sich verlobt, und wir hängen sehr aneinander. Ich möchte mich doch einmal mit ihr über ihren Verlobten unterhalten.“
„Natürlich dürfen Sie ausgehen, Betty. Aber kommen Sie nicht zu spät wieder.“
Betty dachte gar nicht daran, eine Freundin zu besuchen, sondern traf sich, als es Abend wurde, mit Fred von Lindner in einer abgelegenen Gegend der kleinen Stadt.
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