Die Abneigung zeitgenössischer Philosophen und Wissenschaftler, die Sichtweise anzunehmen, dass Tiere Verstand haben, sagt in erster Linie etwas über ihre Philosophie und ihre Wissenschaft aus, denn über die Tiere .
– Dale Jamieson, „Science, Knowledge and Animal Minds“ –
Wenn Tiere bellen, heulen, schnurren, winseln, grunzen, lachen oder quieken, hat das für sie etwas zu bedeuten. Was sie sagen, sollte auch uns etwas bedeuten, denn ihre Gefühle sind von Bedeutung. Lynne Sharpe weist in ihrem wundervollen Buch Creatures Like Us? darauf hin, dass die Interessen und Sorgen von Tieren für diese ebenso wichtig sind, wie unsere es für uns sind. Ruten teilen uns mit, was Tiere fühlen, und das gleiche tun verschiedene Posen, Gangarten, Gesichtsausdrücke, Geräusche und Gerüche. Manchmal wünsche ich mir, ich hätte eine Rute und bewegliche Ohren, damit ich besser mit Hunden und anderen Tieren kommunizieren könnte, deren Ruten und Ohren uns viel darüber erzählen, was sie denken und fühlen. Wildes Wedeln oder die Rute, die zwischen den Beinen herunterhängt, schenken uns den Einblick in ihre eigene Form von Empfindungsvermögen.
Was Tiere wissen – und wie viel Ich-Bewusstsein sie besitzen – ist ein Thema weit verbreiteter und oftmals hitziger Debatten. Die sich sammelnden wissenschaftlichen Beweise besagen, dass sie ganz schön viel wissen, doch die Schwierigkeit der Kommunikation über Artengrenzen hinweg mag es unmöglich machen, jemals genau zu wissen, wie viel. Mein Grundsatz tierische Emotionen und Empfindungsfähigkeit betreffend ist ziemlich einfach – Tiere werden immer ihre Geheimnisse haben, doch ihre emotionalen Erfahrungen sind erkennbar. Mit anderen Worten: Wir wissen, dass zahlreiche Tiere ein reiches Spektrum an Emotionen haben, von denen einige, wie die Empathie, einen bestimmten Grad an bewusstem Denken erfordern. Viele Tiere zeigen Sinn für Humor. Einige wenige Tiere, darunter Schimpansen, Delfine und Elefanten, haben Tests absolviert, die Ich-Bewusstsein erkennen lassen [14]. Manche mögen einen Sinn für Ehrfurcht haben und manche mögen moralische Wesen sein, die „Richtig“ von „Falsch“ unterscheiden können.
Selbstverständlich bestehen Unterschiede zwischen den Arten. Wir würden Variationen auf der Basis sozialer, ökologischer und physikalischer Faktoren erwarten. Trotz der manches Mal extremen Unterschiede bestehen jedoch auch bezwingende Ähnlichkeiten. Ein allgemein gebräuchlicher Maßstab nennt sich die „relative Gehirngröße [15]“ (die Größe des Gehirns im Verhältnis zur Körpergröße) und tatsächlich stimmen fast alle Forscher darin überein, dass beim Vergleich von Arten die relative Hirngröße in Bezug auf verschiedene Verhaltensaspekte einen Unterschied macht, wozu nichträuberische Lebensweise und Fütterungsstrategien gehören. Nur, was diese Differenzen zu bedeuten haben, bleibt größtenteils ein Geheimnis. Es gibt jedoch keinen Nachweis dafür, dass es bedeutet, Tiere mit einem geringeren Größenverhältnis hätten kein reiches Gefühlsleben. Da wir alte Gehirnbereiche mit ihnen teilen, die für die menschlichen Emotionen wichtig sind, namentlich das limbische System mit der mandelförmigen Struktur, die Amygdala genannt wird, ist der reine Fokus auf die relative Hirngröße irreführend. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, was wir mit anderen Tieren teilen und nicht darauf, wie viel wir mit ihnen teilen. Die Gehirne von Mäusen, Hunden, Elefanten und Menschen unterscheiden sich stark in ihrer Größe, doch alle diese Arten empfinden Freude und Empathie.
Leider werden gerade in sehr populären Büchern noch immer falsche Vorstellungen über die ungestützten Verallgemeinerungen der kognitiven, emotionalen und empathischen Fähigkeiten von Tieren verbreitet. Zum Beispiel behauptet der Harvard-Psychologe Daniel Gilbert in seinem beliebten Bestseller Ins Glück stolpern: „Das menschliche Tier ist das einzige Tier, das über die Zukunft nachdenkt.“ Gilbert selbst schreibt dies kursiv und behauptet, dass dies ein Merkmal zur Definition des Menschseins sei. Nicht einmal die Skeptiker gegenüber Emotionen bei Tieren, die ich kenne, würden so etwas jemals behaupten. Es existieren buchstäblich Bände voller Daten, die beweisen, dass Individuen vieler Arten über die Zukunft nachdenken, von mexikanischen Blauhähern, Rotfüchsen und Wölfen, die Futtervorräte anlegen, bis hin zu rangniederen Schimpansen oder Wölfen, die in Anwesenheit eines dominanten Individuums vorgeben, ein bevorzugtes Futter nicht zu sehen und später wiederkehren, um es zu fressen, wenn das ranghöhere Tier nicht mehr in der Nähe ist. Außerdem erzählt uns Gerald Hüther in seinem Buch Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn entgegen aller wissenschaftlichen Beweise, dass die Fähigkeit zur Empathie das menschliche Gehirn von allen anderen Nervensystemen abhebt.
Die einfache Wahrheit lautet letzten Endes, dass ein Hund über eine Reihe emotionaler und kognitiver Fähigkeiten nach Hundeart verfügt. Ethologische Untersuchungen und Forschungen im Bereich der sozialen Neurowissenschaften zeigen, dass Menschen nicht die einzigen Bewohner des Gefühlsuniversums sind. Hunde und viele andere Tiere können glücklich, traurig und sauer sein. Sie lassen ihre Ruten sprechen. Tiere sprechen zu uns über eine unendliche Vielzahl von Verhaltensmustern – Posen, Gesten und Gangarten – sowie mit ihren Schnauzen, Schwänzen, Augen, Ohren und Nasen [16].
TIERE UND MENSCHEN
Geteilte Gefühle, geteilte Leben
Tierische Emotionen sind für sich genommen von großer Wichtigkeit, doch allein schon die Anwesenheit von Tieren – mit ihren frei geäußerten Emotionen und ihrer Empathie – ist für das menschliche Wohlbefinden von großer Bedeutung. Die Gefühle von Tieren sollten uns wichtig sein, denn wir brauchen sie in unserem Leben. Sie helfen uns. Wir werden deshalb so von ihnen angezogen, weil sie Emotionen haben; in Ermangelung einer gemeinsamen Sprache stellen Emotionen wahrscheinlich sogar unser effektivstes Mittel zur Kommunikation über die Artengrenzen hinweg dar. Wir können unsere Emotionen mit anderen Lebewesen teilen, wir können die Sprache der Gefühle verstehen und das ist der Grund, weshalb wir tiefe und dauerhafte Bindungen mit anderen Lebewesen eingehen. Emotionen sind der Kitt, der uns aneinander bindet. Sie katalysieren und regulieren soziale Handlungen bei Tieren und Menschen.
Das Buch Heilende Haustiere des Tierarztes Marty Becker zeigt, auf welche Art und Weise Haustiere Menschen gesund und glücklich machen können – sie unterstützen die Heilung einsamer Menschen in Pflegeheimen, Krankenhäusern und Schulen. In dem Buch Kindred Spirits zeigt der holistische Veterinärmediziner Allen Schoen 14 konkrete Beispiele auf, in denen die Beziehung zwischen tierischen Gefährten und Menschen eine Stressreduzierung ermöglichte. Dazu gehören die Senkung des Blutdrucks, die Steigerung der Selbstachtung bei Kindern und Erwachsenen, das Erhöhen der Überlebensrate von Patienten nach Herzinfarkt, die Verbesserung des Lebens von Senioren, die Hilfe bei der Entwicklung einer humanen Einstellung bei Kindern, das Bieten einer gewissen emotionalen Stabilität für Pflegekinder, die Reduzierung der Arztbesuche wegen kleinerer Probleme bei Medicare-Patienten sowie die Verringerung der Einsamkeit bei Vorpubertierenden. Und Michelle Rivera erzählt in ihrem Buch Hospice Hounds zahlreiche Geschichten, wie Hunde und Katzen Menschen helfen können, die im Sterben liegen.
Eine kürzlich durchgeführte Studie zeigt, dass der Besuch eines freundlichen Welpen eine gute Medizin für ein krankes Herz darstellen kann [17]. Bei einer Zufallsstudie an 76 stationär behandelten Herzpatienten fanden Forscher der UCLA heraus, dass die Angstgefühle bei Patienten, die mit Hunden gleich welcher Rasse interagierten, um durchschnittlich 24% abnahmen. Die Hunde lagen für 12 Minuten auf den Betten der Patienten, während diese die Hunde einfach streichelten und hinter den Ohren kraulten. „Diese Studie demonstriert, dass bereits die kurzzeitige Anwesenheit eines Hundes vorteilhafte physiologische und psychologische Auswirkungen auf den Patienten hat, der diesen Kontakt wünscht“, sagte Kathie Cole, eine Krankenschwester am UCLA Medical Center .
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