Peter Wohlleben
Die Gefühle
der Tiere
Von glücklichen Hühnern,
liebenden Ziegen
und träumenden Hunden
illustriert von Margret Schneevoigt
Mit Gefühl und Verstand
Sind frei laufende Hühner glücklich? Wovon träumen Fruchtfliegen und Hunde? Welches Zeitgefühl hat ein Schmetterling?
Peter Wohlleben schreibt leicht verständlich über Emotionen, Intelligenz und Bewusstsein der Tiere und fordert zu ethischem Handeln auf. Dabei macht er wenig Unterscheide zwischen liebenswerten Katzen, Milch gebenden Ziegen oder lästigen Fliegen. Und er scheut sich nicht, Parallelen zu menschlichen Gefühlen zu ziehen und provokante Thesen zu vertreten.
Seine faszinierenden Ansichten zu Liebe, Mitgefühl, Trauer und Schmerz bei Tieren belegt der Autor anhand aktueller Studienergebnisse von Verhaltensforscher und Biologen, aber auch durch viele Beobachtung der Wildtiere im Eifeler Forst und seiner eignen Haustiere. Der bekannte Förster und Naturschützer beleuchtet dabei auch zahlreiche Vorurteile, wie die Märchen vom bösen Wolf oder der blöden Ziege und das Bild vom scheuen Reh.
Das Buch ruft zum Nachdenken über die Konsequenzen unseres alltäglichen Handelns auf. Es geht den Fragen nach, mit welchem Recht wir Tiere für Versuche quälen, massenhaft einsperren und töten, oder ob eine artgerechte Tierhaltung moralisch vertretbar ist. Seite für Seite wird immer klarer, warum ein achtsamer Umgang mit den Mitgeschöpfen auch uns Menschen glücklicher macht.
Cover
Titel Peter Wohlleben Die Gefühle der Tiere Von glücklichen Hühnern, liebenden Ziegen und träumenden Hunden illustriert von Margret Schneevoigt
Vom Glück, mit Tieren zu leben
Dumpfe Kreaturen oder fühlende Wesen?
Primitiv oder anspruchsvoll?
• Auf der Suche nach dem scheuen Reh
Spaß beim Sex
Und wie steht es mit der Liebe?
• Von wegen blöde Ziege!
Trauer und Tod
Empathie im Tierreich
Freude und Glück
• Wunschbild »glückliches Huhn«
Einfach nur böse?
• Die Angst vor aggressiven Hornissen
Neues aus dem Oberstübchen
Gehirngrößen und Intelligenz
• Die Fabel vom schlauen Fuchs
Der Spiegeltest
Können Tiere träumen?
Kulturelle Traditionen
Fähigkeit zur Kommunikation
• Vorbild fleißige Biene?
Staatenbildung und gezähmte Emotionen
Spiritualität und religiöses Empfinden
Zeit ist relativ
• Der Mythos vom dummen Schaf
Tiere im Reich des Menschen
Normal ist tausendfach verschieden
• Vorsicht: gemeine Zecke?
Von Sklaven und willigen Dienern
• Das Märchen vom bösen Wolf
Das große Geschäft
Symbiosen zwischen Mensch und Tier
Angsthasen und Jäger
• Die Mär vom ängstlichen Hasen
Mehr Achtsamkeit mit Tieren
Gespanntes Verhältnis zu unseren Mitgeschöpfen
• Die Legende von der diebischen Elster
Ein Ausflug ins Reich der Pflanzen
Die Büchse der Pandora
• Besser als ihr Ruf: die dreckige Sau
Der Hund in der Handtasche
Ich sehe was, was Du nicht siehst
• Beliebtes Vorurteil: der störrische Esel
Verhungern aus Mitleid?
Rücksichtnahme – ein praktischer Versuch
Epilog
Der Autor
Weitere Bücher
Impressum
Vom Glück, mit Tieren zu leben
Patsch! Erwischt. Die Fliege, die schon seit Stunden brummend durch unser Haus geflogen ist, liegt unter der Fliegenklatsche. Heimliches Jagdglück breitet sich in mir aus. Mit spitzen Fingern packe ich die ekeligen Überreste an den Flügeln und befördere sie in den Mülleimer.
In den letzten Jahren mischen sich nach jeder derartigen Aktion mehr und mehr zweifelnde Gefühle in den kleinen Triumph. Denn der Gedanke beschleicht mich immer öfter, dass ich die individuelle Welt dieser winzigen Wesen unwiderruflich auslösche. Warum gilt mir das Lebensrecht dieser Fliege weniger als das unseres Hundes? Ich muss sie nicht mögen, aber sollte ich mir nicht wenigstens die Mühe machen, sie zu fangen und wohlbehalten an die frische Luft zu setzen? Hat nicht auch solch ein nerviges Etwas Freude am Leben, einen festen, vorgezeichneten Weg, der es über die Jugend und eigenen Nachwuchs bis zu einem Alterstod führen soll? Oder ist das alles völlig übertrieben und sentimental?
Der Mensch ist schließlich etwas Einzigartiges. Nur unsere eigene Spezies hat ein Selbstbewusstsein, kann detailliert über Sprache kommunizieren, empfindet Glück und Trauer und stellt damit eine absolute Ausnahme im Reich der Tiere dar. Wirklich? Schon in der Vergangenheit gab es mit Charles Darwin und Konrad Lorenz einzelne Forscher, die auf Gefühle von Tieren hinwiesen. Damals war die Zeit offensichtlich noch nicht reif für solches Gedankengut. In den letzten Jahren hat sich das Bewusstsein jedoch geändert. Immer mehr Wissenschaftler widmen sich dem Gefühlsleben unsere Mitgeschöpfe, und im Zuge dieser Forschungen taucht eine Überraschung nach der anderen auf.
Es ist wie bei einem Puzzlespiel, bei dem mit jedem Stück das Bild klarer wird. Und obwohl schon genug zu erkennen ist, scheint es, als wollten wir nicht sehen, was sich da vor unseren Augen abzeichnet. Es ist eine wunderbare Welt von Mitgeschöpfen, die offenbar zu weitaus mehr in der Lage sind, als wir ihnen zugestehen wollen, zugestehen können. Denn wenn wir vorbehaltlos akzeptieren würden, dass wir nicht nur von vollautomatischen Biorobotern, sondern von fühlenden, fröhlichen Wesen umgeben sind, müssten wir den Umgang mit ihnen drastisch ändern.
Respekt und Rücksichtnahme bedeuten jedoch gleichzeitig eine Einschränkung unseres bisherigen Lebensstandards. Dürfen wir Tiere überhaupt noch töten oder anderweitig nutzen? Und falls wir dies dennoch machen, müssten wir dann nicht wenigstens die Nutzung auf das wirklich Notwendige beschränken und ihnen dabei so viel an Lebensqualität wie möglich zugestehen? Das würde beispielsweise die Massentierhaltung und damit auch billige Lebensmittel in der heutigen Form ausschließen und eine artgerechte Haltung aller Haustiere notwendig machen.
Gewinnen könnten wir dafür an Vergnügen. Eine Tierwelt, die witzig ist, die Kulturen hervorbringt, meisterhafte Bauwerke errichtet oder einfach nur glücklich ist: Ist das nicht ein unfassbares Glück, mit solchen Wesen gemeinsam unseren Planeten zu bevölkern und sie bei ihrem Treiben zu beobachten? Etliche der Geschöpfe mögen uns sogar ausgesprochen gern, warten nur auf eine freundliche Geste und sind bereit, all das Ungerechte der Vergangenheit sofort zu vergessen. Geben Sie anderen Arten die Chance, zu zeigen, was in ihnen steckt, und begleiten Sie mich auf eine Entdeckungsreise zu den Gefühlen der Tiere und ziehen Sie Ihre eigenen Konsequenzen daraus. Dabei werden Sie vielleicht auch ein paar interessante Aspekte der menschlichen Spezies überdenken.
Dumpfe Kreaturen oder fühlende Wesen?
Können Tiere glücklich sein? Glück ist schon beim Menschen schwer zu fassen, obwohl es als eines der erstrebenswertesten Güter überhaupt gilt. Nicht umsonst wird es von Gratulanten bei jedem freudigen Anlass gewünscht und ist bei den meisten Mitbürgern Lebensziel Nummer eins.
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