Inhalt
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.
© 2021 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99107-186-0
ISBN e-book: 978-3-99107-187-7
Lektorat: LSM
Umschlag- und Innenabbildungen: Stefan Bachmann
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum Verlag
www.novumverlag.com
Domi kaute an seinem Stift und warf keinen Blick auf das blauglitzernde Meer und den warmen, feinen Sand tief unter ihm.
2 Das Tal der Toten
Katinka hieß eigentlich Katharina – deutsch-griechisch, wie sie selbst immer sagte. Aber das ist langweilig. Also Katinka.
Domi kannte sie gut aus seiner Kindergartenzeit in Bremen. Katinka war ein Jahr älter und viel wilder als Domi. Gerade deshalb mochte er sie.
Eni, seine Mama, und Melli – Katinkas Mutter – verstanden sich gut. Also hatten sie sich auch dann noch gesehen, als Mama und er ins Rhein-Main-Gebiet gezogen waren.
Und jetzt hier auf Katinkas Insel.
Kostas, Katinkas Papa, war Grieche und er hatte hier ein Haus.
„Komm, ich zeig dir alles!“
Katinkas schwarze Augen blickten immer noch so feurig wie in Domis Erinnerung. Ihre schwarzen Locken ringelten sich in dichten Schlangen um ihren Kopf.
Alles war wie immer – außer, dass Katinka größer geworden war und ihre Fingernägel viele bunte Tupfer trugen.
3 Nacht
Sie kamen rechtzeitig zum Grillen.
Mama, Uroma und Melli hatten Weingläser in der Hand, während Kostas bräunliche Steaks und leckere Würstchen wendete.
Domi checkte kurz: Richtig, in Mamas Glas war kein Rotwein, sondern Wasser. Wie immer.
Sie lachte und redete viel mit Kostas’ Freunden.
Domi wunderte sich: Seit wann konnte Mama Griechisch?
Er drückte sich an seine Mutter heran und sie stellte ihn einem Mann vor: „Das ist mein Sohn Domi.“
Der dunkelhaarige Mann gab Domi einen festen Händedruck und sagte in perfektem Deutsch: „Freut mich, Domi. Ich bin Georgios.“
Auch Domi freute sich.
Aber weil Mama nichts mit ihm spielte, suchte er Katinka.
Oma und Opa erschienen später und etwas abgehetzt, als kein Fleisch mehr übrig war.
Für Oma war dies „kein Problem“.
Aber Domi gab Opa sicherheitshalber etwas von seinem Steak und von seinem Würstchen ab.
Opa drückte ihn fest.
Dann probierte Opa ein bisschen und sagte, dass er keinen Hunger hätte. Er gab Domi sein Essen zurück.
Aber Uroma war sowieso satt und schob Opa unauffällig ihren Teller hin. „Hier, KH, ich kann einfach nicht mehr.“
Kostas holte seine Gitarre und spielte griechische Musik.
Später tanzten Melli und Katinka dazu und natürlich auch die griechischen Freunde.
Irgendwann sang Uroma „Griechischer Wein“. Kostas spielte eine Begleitung und alle applaudierten.
Als auch Opa und Oma sangen und mittanzten, schloss sich Domi an.
Mama filmte auf ihrem Handy.
Es war ein schöner Abend.
Erst als Oma merkte, dass Domi nicht mit zurück ins Hotel kommen würde, wurde es ungemütlich.
„Was heißt das: Domi schläft mit Katinka im Zelt?“, zischte sie wie eine wilde Schlange.
Sie ließ sich das Zelt zeigen.
Es lag am Strand unterhalb von Kostas’ Haus und am Eingang zum Tal der Toten.
Es hatte allen Komfort – zwei Schlafsäcke, Taschenlampen, Wasser, kleine Leckereien und sogar Katinkas Kuscheltiere.
Aber Oma war nicht zufrieden.
„Und? Was machen die Kinder, wenn etwas passiert?“
Melli fragte, was denn passieren sollte.
Kostas sagte, dann könnten die beiden ja ins Haus kommen.
Mama meinte, Oma sollte „jetzt ja nicht überbehüten!“
Opa fand das auch.
Domi fügte hinzu: „Wir haben doch Handys, Oma.“
Und Uroma tätschelte Oma und riet: „Beruhig dich, Kind. Du hast in dem Alter auch ungewöhnliche Sachen gemacht.“
Nun war es dunkel. Der Mond war hinter den Wolken verschwunden und es war ziemlich finster im Zelt.
Domi schlich sich zum Ausgang und warf einen Blick hinaus. Er konnte kaum mehr Kostas’ Haus sehen.
Seufzend krabbelte er zurück.
Katinka schnaufte tief neben ihm und schien zu träumen, aber Domi konnte nicht schlafen.
Irgendwie hörte er Geräusche.
Wie leises Murmeln.
Er stupste Katinka leicht mit der Hand. „Da – hörst du es auch?“
Sie rollte sich müde auf die andere Seite und murmelte im Halbschlaf: „Was?“
„Die Stimmen – das Gemurmel!“ Domi klang heiser.
„Ach, das!“ Katinka drückte ihren riesigen Teddy fest an sich und flüsterte: „Das ist doch nur der Bach der Toten!“
Dann war sie wieder eingeschlafen.
Domi konnte immer noch kein Auge zumachen.
Er kontrollierte sein Handy.
War es Einbildung? Oder hatte er wirklich keinen Empfang mehr?
Um das zu überprüfen, kroch aus dem Zelt und schaute zu Kostas’ Haus.
Ja, es lag auf einem Felsen über ihnen. Gar nicht weit weg. Das war beruhigend.
Aber hatte es überhaupt Fenster in ihre Richtung?
Je länger Domi starrte, desto sicherer war er: Niemand konnte sie sehen. Es gab hinten am Haus keine Fenster!
Konzentriert blickte Domi auf das Meer. Bewegte sich dort etwas?
Dann hörte er hinter sich plötzlich Geräusche. Schnell verkroch er sich im Zelt und schaute heimlich durch einen kleinen Spalt am hinteren Ende nach draußen.
Zwei Figuren bewegten sich etwas unsicher auf dem Pfad vom Hotel zum Strand.
Ein Mann und eine Frau.
Ihre Umrisse kamen ihm bekannt vor.
Sie hatten Taschenlampen eingeschaltet und richteten diese direkt auf sein Zelt.
Die Lampen leuchteten auf und ab. Dann versuchten sie, den Strand und das Meer zu erhellen.
Plötzlich erloschen sie. Domi konnte nichts mehr sehen, nur noch hören.
Er versuchte, die Geräusche zu deuten.
Ja. Vier Füße kamen auf ihn zu.
Alte Füße, fand Domi. Denn sie stießen immer wieder gegen Hindernisse. Hin und wieder hörte er etwas, was wie ein Fluchen klang.
Dann ganz klar – Omas Stimme: „Mist! Pass auf, KH. Hier liegt ein dicker Stein!“
Zu spät!
Offenbar war Opa schon gestolpert, denn er hörte Opas Stöhnen.
Und Oma flüsterte: „Kein Problem, KH. Ich bin schon da und helfe!“
Erleichtert schloss Domi fest die Augen.
Oma und Opa sollten nicht merken, dass er noch wach war.
Er versuchte, gleichmäßig zu atmen.
Dann fühlte er das Licht der Taschenlampen auf sich und Katinka. Er hörte Omas Stimme: „Gott sei Dank, sie schlafen friedlich.“
Opa antwortete: „Na klar. Hab ich dir doch gesagt, Ulla. Du musst den Kleinen wirklich nicht überbehüten.“
Читать дальше