Title Page Nordische Mythologie und die Götter der Sagen Die schönsten nordischen Sagen
NORDISCHE GÖTTER- UND HELDENSAGEN NORDISCHE GÖTTER- UND HELDENSAGEN Felix und Therese Dahn
Einleitung
Erstes Kapitel. Nordische Mythologie
Zweites Kapitel. Die einzelnen Götter. Elben, Zwerge, Riesen. Andere Mittelwesen.
Drittes Kapitel. Die Götterdämmerung und die Welterneuerung.
Viertes Kapitel: Heldensagen
Erstes Buch. Die Wölsungen.
Zweites Buch. Beowulf.
Drittes Buch. Kudrun.
Fünftes Buch. Aus den Sagenkreisen von Dietrich von Bern und von den Nibelungen.
A. Göttersagen der älteren Edda
B. Heldensagen der älteren Edda
II. Die Jüngere Edda
Nordische Mythologie
und die Götter der Sagen
Die schönsten nordischen Sagen
NORDISCHE GÖTTER- UND HELDENSAGEN
Felix und Therese Dahn
Der Götterglaube der Germanen war ein Lichtkult, eine Verehrung der wohltätigen, dem Menschen segensreichen Mächte des Lichts, wie sie im Himmel, in der Sonne, den Gestirnen, dem Frühling oder Sommer gegenüber den schädlichen, unheimlichen Gewalten der Nacht, der Finsternis erschienen; auch Heiliges und Böses, Leben und Tod stellte sich ihnen als dieser Gegensatz von Licht und Finsternis dar.
Diese Religion war nicht ausschließlich den Germanen eigen, sondern ihnen gemein mit den vielen anderen Völkern zu denen außer den Germanen noch die Inder, Perser, Armenier, die Kelten, Gräko-Italiker und Letto-Slaven zählten; auch Sprache, Sitte, Recht war ursprünglich diesen Völkern gemeinsam gewesen, als sie noch ungeteilt in Westasien als Gruppen eines Volkes lebten; seitdem sie aber auseinander wanderten, traten auf allen diesen Gebieten unter den nun getrennten Völkern sehr erhebliche Abweichungen ein, auf welche Klima, Landesbeschaffenheit der neuen Wohnsitze, Berührungen mit andern Völkern großen Einfluss übten.
So ward z. B., wie Leben und Sitte, auch Recht und Religion der Inder völlig umgestaltet, nachdem dieses Volk von dem Indus hinweg in den erschlaffenden Himmelsstrich und die phantastische Natur des Ganges gewandert war.
Und so wurden denn ohne Zweifel auch die religiösen Vorstellungen der Germanen sehr erheblich beeinflusst durch die Eindrücke, welche sie bei der Wanderung aus Asien nach dem Nordosten von Europa durch die großartige, aber raue Natur der neuen Heimat empfingen. Ja, man darf annehmen, dass, wie der Volkscharakter, so auch die Religion der Nordgermanen oder Skandinavier (Dänen, Schweden, Norweger, später auch Isländer) durch die so starken Eindrücke der nordischen Natur und die hier notwendige, oft einsame und meist kampfreiche Lebensweise ganz wesentlich anders gestaltet und gefärbt wurde als die Anschauungen der Südgermanen, der späteren deutschen Völker, welche allmählich bis an und über Rhein und Donau nach Westen und Süden vordrangen und zwar auch das raue Leben eines Waldvolkes, aber doch unter ungleich milderem Himmelsstrich führten. Schon deshalb und schon hier muss daher ausgesprochen werden, dass man keineswegs die ganze nordgermanische skandinavische Götterwelt ohne weiteres auch bei den Südgermanen, den Deutschen, unverändert wieder anzutreffen voraussetzen darf. Die Grundanschauungen, ja auch die wichtigsten Götter und Göttinnen finden sich freilich, wie die Sprachvergleichung beweist, bei Nord- und Süd-Germanen übereinstimmend, wie ja vermöge der ursprünglichen Gemeinschaft solche Übereinstimmung nicht nur unter den germanischen Völkern, sondern sogar unter Germanen, Griechen, Römern usw. besteht.
So kehrt die Dreiheit der obersten Götter bei Griechen, Italikern, Germanen wieder:
Zeus
Hephaistos
Ares
Jupiter
Vulkan
Mars
altnordisch:
Odin
Thôrr
Tyr
althochdeutsch:
Wotan
Dinar
Ziu.
Gleichwohl fehlt es auch hierbei nicht an Abweichungen; so führt bei Griechen und Italikern der oberste Gott den Blitzstrahl, den Donnerkeil, während bei Germanen neben dem Götterkönig ein besonderer Gott des Gewitters steht, der dann wieder manche Züge mit Herakles-Herkules gemein hat, während der Feuergott Loki (Loge) sich mit Hephaistos-Vulkan berührt.
Was nun die Quellen unsrer Kenntnis von dem Götterglauben unsrer Ahnen betrifft, so sind die leider sehr dürftig, dazu sehr ungleichartig, großenteils späten Alters der Aufzeichnung (wenn auch nicht der Entstehung) und getrübt durch fremde Zusätze.
Schriftliche Mitteilungen über den Glauben, von den Heiden selbst verfasst, hat es nie gegeben; denn die Germanen haben das Schreiben in unserm Sinn erst spät von Römern und Griechen gelernt; die heiligen »Runen«, welche übrigens die Wissenschaft unsrer Tage als aus dem lateinischen Alphabet entlehnt oder ihm nachgebildet dargewiesen hat, dienten nicht zum Schreiben nach unsrer Weise, sondern für heilige Handlungen, für Losung, Befragung des Götterwillens, Zauber. – Unsre Kenntnis der griechischen und römischen Götterwelt wird in höchst anschaulicher, lebendiger Wirkung ergänzt und bereichert durch die zahlreichen Denkmäler der bildenden Kunst und des Kunsthandwerks, welche in Marmor, Erz, in Wandgemälden, auf Vasen, auf allerlei Gerät Bilder aus den Mythen oder Kulthandlungen darstellen; gar mancher dunkle zweiflige Satz der Schriftsteller ist durch solche Darstellungen erklärt oder auch berichtigt werden. Solcher Denkmäler entraten wir, mit verschwindend geringfügigen Ausnahmen, für die germanische Religion völlig.
Der Kulturgrad war viel rauer, einfacher als der der Hellenen und Italiker zu der Zeit, aus welcher auch die ältesten der antiken Bildwerke stammen; Sinn und Talent unsres Volks für bildende Kunst und Kunsthandwerk sind – und waren noch mehr bei der Armut der Lebensverhältnisse und unter dem rauen Himmelsstrich des Nord-Lands – erheblich geringer als bei Griechen und Italikern. So gab es nur sehr wenige Tempel; nur bei Nordgermanen sind sie für späte Zeit häufiger bezeugt; – an ihrer Stelle galten heilige Haine, mit Schauern der Ehrfurcht erfüllende Wälder als Wohnstätten der Himmlischen; – zwar fehlte es nicht ganz an heiligen Baumsäulen (Irmin-Sul s. unten), an Altären, an Opfergerät (wie großen ehernen Kesseln); auch Götterbilder werden manchmal erwähnt; aber, von jeher selten, wurden sie von den christlichen Priestern bei ihrer ersten Belehrungsarbeit oder später, nach durchgeführter Christianisierung, gemäß Beschlüssen der Konzilien und Verordnungen der Bischöfe planmäßig zerstört.
Nun sind uns allerdings christliche Aufzeichnungen von Götter- und Helden-Sagen erhalten, welche, in Ermangelung besserer Quellen, unschätzbaren Wert für uns tragen; die ältere und die jüngere Edda und andre Sagen-Sammlungen in Skandinavien.
Allein diese stellen lediglich die nordgermanische Überlieferung dar; und wir sahen bereits, dass man diese durchaus nicht ohne weiteres auf die »Südgermanen«, die späteren Deutschen, übertragen darf.
Dazu kommt nun aber, dass die Aufzeichnung der alten Sagen erst in sehr später Zeit geschah, von Männern, welche Christen waren, nachdem das Christentum samt seiner Vorstufe, dem Alten Testament, nachdem auch die klassische Kultur, die griechisch-römische, soweit sie erhalten war, durch Vermittlung der bekehrenden Kirche in den Norden eingedrungen war.
Es kann daher in sehr vielen Fällen zweifelhaft werden, ob der an sich freilich uralte Inhalt, der Stoff der Sage, bei der späten Aufzeichnung durch christliche Geistliche nicht in der Form, in der Färbung christliche Einwirkung erfahren habe, wie z. B. Saxo Grammatikus (gestorben 1204) aus den Göttern menschliche Helden, aus Asgard Byzanz gemacht hat.
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