Gustav Schwab
Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Erster Teil
Die schönsten Sagen des klassischen Altertums sind eine Sammlung überlieferter Mythen aus dem Griechenland der Antike.
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Titel Gustav Schwab Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Erster Teil Die schönsten Sagen des klassischen Altertums sind eine Sammlung überlieferter Mythen aus dem Griechenland der Antike. Dieses ebook wurde erstellt bei
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Erster Teil
Erstes Buch
Prometheus
Himmel und Erde waren geschaffen: das Meer wogte in seinen Ufern, und die Fische spielten darin;
in den Lüften sangen beflügelt die Vögel; der Erdboden wimmelte von Tieren. Aber noch fehlte es an
dem Geschöpfe, dessen Leib so beschaffen war, daß der Geist in ihm Wohnung machen und von ihm
aus die Erdenwelt beherrschen konnte. Da betrat Prometheus die Erde, ein Sprößling des alten
Göttergeschlechtes, das Zeus entthront hatte, ein Sohn des erdgebornen Uranossohnes Iapetos,
kluger Erfindung voll. Dieser wußte wohl, daß im Erdboden der Same des Himmels schlummre;
darum nahm er vom Tone, befeuchtete denselben mit dem Wasser des Flusses, knetete ihn und
formte daraus ein Gebilde nach dem Ebenbilde der Götter, der Herren der Welt. Diesen seinen
Erdenkloß zu beleben, entlehnte er allenthalben von den Tierseelen gute und böse Eigenschaften
und schloß sie in die Brust des Menschen ein. Unter den Himmlischen hatte er eine Freundin,
Athene, die Göttin der Weisheit. Diese bewunderte die Schöpfung des Titanensohnes und blies dem
halbbeseelten Bilde den Geist, den göttlichen Atem ein.
So entstanden die ersten Menschen und füllten bald vervielfältigt die Erde. Lange aber wußten diese
nicht, wie sie sich ihrer edlen Glieder und des empfangenen Götterfunkens bedienen sollten. Sehend
sahen sie umsonst, hörten hörend nicht; wie Traumgestalten liefen sie umher und wußten sich der
Schöpfung nicht zu bedienen. Unbekannt war ihnen die Kunst, Steine auszugraben und zu behauen,
aus Lehm Ziegel zu brennen, Balken aus dem gefällten Holze des Waldes zu zimmern und mit allem
diesem sich Häuser zu erbauen. Unter der Erde, in sonnenlosen Höhlen, wimmelte es von ihnen, wie
von beweglichen Ameisen; nicht den Winter, nicht den blütenvollen Frühling, nicht den
früchtereichen Sommer kannten sie an sicheren Zeichen; planlos war alles, was sie verrichteten. Da
nahm sich Prometheus seiner Geschöpfe an; er lehrte sie den Auf‐ und Niedergang der Gestirne
beobachten, erfand ihnen die Kunst zu zählen, die Buchstabenschrift; lehrte sie Tiere ans Joch
spannen und zu Genossen ihrer Arbeit brauchen, gewöhnte die Rosse an Zügel und Wagen; erfand
Nachen und Segel für die Schiffahrt. Auch fürs übrige Leben sorgte er den Menschen. Früher, wenn
einer krank wurde, wußte er kein Mittel, nicht was von Speise und Trank ihm zuträglich sei, kannte
kein Salböl zur Linderung seiner Schäden; sondern aus Mangel an Arzneien starben sie elendiglich
dahin. Darum zeigte ihnen Prometheus die Mischung milder Heilmittel, allerlei Krankheiten damit zu
vertreiben. Dann lehrte er sie die Wahrsagerkunst, deutete ihnen Vorzeichen und Träume, Vogelflug
und Opferschau. Ferner führte er ihren Blick unter die Erde und ließ sie hier das Erz, das Eisen, das
Silber und das Gold entdecken; kurz, in alle Bequemlichkeiten und Künste des Lebens leitete er sie
ein.
Im Himmel herrschte mit seinen Kindern seit kurzem Zeus, der seinen Vater Kronos entthront und
das alte Göttergeschlecht, von welchem auch Prometheus abstammte gestürzt hatte.
Jetzt wurden die neuen Götter aufmerksam auf das eben entstandene Menschenvolk. Sie verlangten
Verehrung von ihm für den Schutz, welchen sie demselben angedeihen zu lassen bereitwillig waren.
Zu Mekone in Griechenland ward ein Tag gehalten zwischen Sterblichen und Unsterblichen, und
Rechte und Pflichten der Menschen bestimmt. Bei dieser Versammlung erschien Prometheus als
Anwalt seiner Menschen, dafür zu sorgen, daß die Götter für die übernommenen Schutzämter den
Sterblichen nicht allzu lästige Gebühren auferlegen möchten. Da verführte den Titanensohn seine
Klugheit, die Götter zu betrügen. Er schlachtete im Namen seiner Geschöpfe einen großen Stier,
davon sollten die Himmlischen wählen, was sie für sich davon verlangten. Er hatte aber nach
Zerstückelung des Opfertieres zwei Haufen gemacht; auf die eine Seite legte er das Fleisch, das
Eingeweide und den Speck, in die Haut des Stieres zusammengefaßt, und den Magen oben darauf,
auf die andere die kahlen Knochen, künstlich in das Unschlitt des Schlachtopfers eingehüllt. Und
dieser Haufen war der größere. Zeus, der Göttervater, der allwissende, durchschaute seinen Betrug
und sprach: »Sohn des Iapetos, erlauchter König, guter Freund, wie ungleich hast du die Teile
geteilt!« Prometheus glaubte jetzt erst recht, daß er ihn betrogen, lächelte bei sich selbst und sprach:
»Erlauchter Zeus, größter der ewigen Götter, wähle den Teil, den dir dein Herz im Busen anrät zu
wählen.« Zeus ergrimmte im Herzen, aber geflissentlich faßte er mit beiden Händen das weiße
Unschlitt. Als er es nun auseinandergedrückt und die bloßen Knochen gewahrte, stellte er sich an, als
entdeckte er jetzt eben erst den Betrug, und zornig sprach er: »Ich sehe wohl, Freund Iapetionide,
daß du die Kunst des Truges noch nicht verlernt hast!«
Zeus beschloß, sich an Prometheus für seinen Betrug zu rächen, und versagte den Sterblichen die
letzte Gabe, die sie zur vollendeteren Gesittung bedurften, das Feuer. Doch auch dafür wußte der
schlaue Sohn des Iapetos Rat. Er nahm den langen Stengel des markigen Riesenfenchels, näherte sich
mit ihm dem vorüberfahrenden Sonnenwagen und setzte so den Stengel in glostenden Brand. Mit
diesem Feuerzunder kam er hernieder auf die Erde, und bald loderte der erste Holzstoß gen Himmel.
In innerster Seele schmerzte es den Donnerer, als er den fernhinleuchtenden Glanz des Feuers unter
den Menschen emporsteigen sah. Sofort formte er, da des Feuers Gebrauch den Sterblichen nicht
mehr zu nehmen war, ein neues Übel für sie. Der seiner Kunst wegen berühmte Feuergott
Hephaistos mußte ihm das Scheinbild einer schönen Jungfrau fertigen; Athene selbst, die, auf
Prometheus eifersüchtig, ihm abhold geworden war, warf dem Bild ein weißes, schimmerndes
Gewand über, ließ ihr einen Schleier über das Gesicht wallen, den das Mädchen mit den Händen
geteilt hielt, bekränzte ihr Haupt mit frischen Blumen und umschlang es mit einer goldenen Binde,
die gleichfalls Hephaistos seinem Vater zulieb kunstreich verfertigt und mit bunten Tiergestalten
herrlich verziert hatte. Hermes, der Götterbote, mußte dem holden Gebilde Sprache verleihen und
Aphrodite allen Liebreiz. Also hatte Zeus unter der Gestalt eines Gutes ein blendendes Übel
geschaffen; er nannte das Mägdlein Pandora, das heißt die Allbeschenkte, denn jeder der
Unsterblichen hatte ihr irgendein unheilbringendes Geschenk für die Menschen mitgegeben. Darauf
führte er die Jungfrau hernieder auf die Erde, wo Sterbliche vermischt mit den Göttern
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