Lars Bessel - Die schönsten Wochen des Jahres

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Horst Ter ist Schaffner bei der Bundesbahn und fährt seit vielen Jahren auf der Strecke Hamburg-Altona – Westerland. Als eines Tages dänische Freischärler die Bahnstrecke über den Hindenburgdamm sabotieren, um Sylt ins Königreich zurück zu holen, beginnt für den gehörnten deutschen Bundesbahner ein wahnwitziger Roadtrip an den bulgarischen «Ballermann», um seine untreue Gattin mit möglichst vielen anderen Frauen zu betrügen – wenn Ordnung auf Chaos trifft. «Die schönsten Wochen des Jahres» ist eine ziemlich durchgeknallte Verwechslungskomödie, in der Schaffner Horst mit Mafioso Igor und Professor Bojidar gegen dänische Separatisten wie holländische Hotelmagnaten und für die Freundschaft kämpft. Gleichzeitig ist der Roman ein Aufruf an alle Zweifler, ihre Träume mutig Wirklichkeit werden zu lassen.

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Für Marion. fly me to the moon

Zu diesem Buch

Horst Ter ist Schaffner bei der Bundesbahn und fährt seit vielen Jahren auf der Strecke Hamburg-Altona – Westerland. Als eines Tages dänische Freischärler die Bahnstrecke über den Hindenburgdamm sabotieren, um Sylt ins Königreich zurück zu holen, beginnt für den gehörnten deutschen Bundesbahner ein wahnwitziger Roadtrip an den bulgarischen »Ballermann«, um seine untreue Gattin mit möglichst vielen anderen Frauen zu betrügen - wenn Ordnung auf Chaos trifft. »Die schönsten Wochen des Jahres« ist eine ziemlich durchgeknallte Verwechslungskomödie, in der Schaffner Horst mit Mafioso Igor und Professor Bojidar gegen dänische Separatisten wie holländische Hotelmagnaten und für die Freundschaft kämpft. Gleichzeitig ist der Roman ein Aufruf an alle Zweifler, ihre Träume mutig Wirklichkeit werden zu lassen.

Zum Autor

Lars Bessel ist freiberuflicher Journalist und arbeitet als sogenannter cross-over Redakteur für Print, Radio, TV und Online. »Die schönsten Wochen des Jahres« ist sein viertes Buch nach einer Biografie über einen deutschen Holocaust-Überlebenden und dessen spektakuläre Flucht nach Schweden (»Der Bratschist«, 2013), den Alltag eines deutschen Amtsgerichtes (»Vom alltäglichen Scheitern« - mit Gerichtszeichnungen von Marion von Oppeln, 2017) sowie dem Künstlerbuch »No food for a lazy man«, einem Reisebericht aus Sierra Leone mit Aquarellen seiner Ehefrau Marion (2018). Lars Bessel ist zweifacher Vater und lebt im beschaulichen Itzehoe in Schleswig-Holstein. Der 1970 geborene Redakteur hat bereits für Radio und Fernsehen über die Balkan-Kriege sowie als landes- und bundespolitischer Korrespondent aus Kiel, Bonn und Berlin berichtet, seit einigen Jahren ist er vermehrt in Westafrika unterwegs. Sein größtes Hobby ist das Reisen.

Titelillustration: Marion von Oppeln

REISEN

Wenn Fähren fahren,

bahnen Bahnen Bahnen.

Ein Zug zieht dich fort aus dem Hier,

ein Schiff schafft dich weg aus dem Jetzt.

Raum und Zeit verschwinden in den Wellen,

alltägliche Sorgen verblassen auf dem Weg.

Reisen reißt – ein Loch in die Wirklichkeit.

Fahre mit und bahne dir deinen Weg.

Und wenn du mich liebst,

fahre ich mit.

Lars Bessel

Zug I

Zug I | Waggon 1

Der Regionalexpress 11002 von Hamburg nach Sylt sieht heute aus wie – Horst fehlen die Worte. »Das ist kein Zug, das ist eine Leichenschau«, flucht er leise vor sich hin, damit die Reisenden auf dem Bahnsteig neben ihm ihn nicht hören können. Lauter uralte Waggons, kreuz und quer durcheinandergewürfelt, die meisten von ihnen mit Graffiti beschmiert. Fast wäre Horst wieder nach Hause gegangen, hätte sich krank gemeldet, als »sein« Zug gegen viertel nach fünf Uhr auf Gleis sechs bereitgestellt wird und langsam an ihm vorbeirollt – aber »blau machen« kam für Horst noch nie in Frage, das gehört sich nicht. Es ist bereits hell. Jenseits der Bahnsteigüberdachung fallen Regentropfen ins Gleisbett. Nachdem die wenigen Passagiere, die meisten in T-Shirts und Shorts, eingestiegen sind, lässt Horst pünktlich um 5.29 Uhr abfahren.

»Sehr verehrte Fahrgäste der Regionalbahn Schleswig-Holstein, wir begrüßen Sie auf unserer Fahrt von Hamburg-Altona nach Westerland!« Horst klingt über die Zuglautsprecher wie immer, verzichtet auf einen Hinweis bezüglich der alten Waggons. Die unzählbaren Aufkleber an den Scheiben sprechen für sich. Mit launigen Sprüchen bittet die Marketingabteilung darauf um Verständnis für die »eingesetzten Fahrzeuge, die nicht dem gewohnten Standard entsprechen«.

Schnell hat Horst seinen ersten Kontrollgang erledigt, bis er am Ende des Zuges ein junges übernächtigtes Mädchen antrifft, das sich augenscheinlich deshalb so tief in seinen Sitz verkrochen hat, um übersehen zu werden.

»Die Fahrkarte, bitte«, sagt Horst.

»Ich habe keine«, antwortet die Kleine flüsternd.

»Wo wollen Sie hin?«, fragt Horst in strengem Ton nach.

»Nach Hause«, lautet die weinerliche Antwort.

»Und wo ist das?« Horst muss sich zusammenreißen. Wenn er etwas hasst, dann sind es Schwarzfahrer.

»Mein Freund hat mich betrogen!«, erklärt die Jugendliche nun unter Tränen ihre Situation. »Ich wollte ihn überraschen und bin gestern von Lunden nach Hamburg gefahren. Als ich bei ihm war, hat er mit einer anderen rumgemacht.«

»Also wollen Sie nach Lunden zurück«, fasst Horst die Situation zusammen. »Das macht 25,80 Euro! Oder haben Sie eine BahnCard?«

»Ich habe meinem Ex meine ganze Handtasche an den Kopf geknallt und bin weggerannt – und in der Handtasche war auch mein Portemonnaie«, schluchzt das Mädchen und zieht die Nase hoch. An die Scheiben des Abteils prasseln Regentropfen.

»Können Sie sich ausweisen?, fragt Horst unbeeindruckt nach. »Ansonsten muss ich Sie in Elmshorn der Bahnpolizei übergeben.«

Horst ist 43 Jahre alt, verheiratet und ein freundlicher Mann. Aber er hat seine Prinzipien. »Ohne Regeln würde das ganze Land im Chaos versinken«, hatte sein Großvater ihm schon als Kind eingeschärft.

Nachdem die Beamten der Bundespolizei die junge Frau von Horst übernommen haben, winkt der Lokführer kopfschüttelnd Horst heran. Der muss mit seinen 1,69 Meter deutlich nach oben gucken, um seinen Kollegen anschauen zu können.

»Musste das schon wieder sein?«, will der wissen.

»So sind nun einmal die Vorschriften!«, antwortet Horst knapp vom Bahnsteig aus, als verstünde er das Unverständnis seines Kollegen nicht. Es nieselt noch immer.

»Ich verstehe etwas ganz anderes nicht«, wechselt Horst kurzerhand das Thema. »Sind die ,da oben’ eigentlich völlig bescheuert? Ich kann so jedenfalls nicht arbeiten! Das ist Schrott, den du da hinter dir herziehst – und ich stehe mittendrin. Jede zweite Toilette funktioniert nicht, die Polster sind zum Teil zerfleddert, und dreckig ist das rollende Altmetall auch noch.«

»Ach, Horst, reg’ dich ab«, lautet die nun wenig emotionale Antwort aus dem Führerstand, »Hauptsache Geld sparen – das kennst du doch!«

Horst schaut auf seine Armbanduhr, nimmt seine Schaffnerkelle in die Hand, zeigt seinem Kollegen in der E-Lok neben ihm die grüne Seite und pustet einmal kräftig in seine Trillerpfeife. »Mann, Horst, was soll der Mist?«, will der von ihm wissen, und schüttelt sich den schrillen Pfeifton aus dem Mittelohr. Natürlich hätte Horst auch einfach sagen können, »dann gib mal wieder Gas«, aber Vorschrift ist Vorschrift. Langsam rollt der Zug an, Horst steigt in den ersten Waggon und durchstreift wieder sein Revier. »Noch jemand in Elmshorn zugestiegen? Die Fahrkarten, bitte!«

»Dieser Tag geht schief!« Das war das erste, was Horst heute morgen nach dem Aufwachen in den Sinn gekommen war, warum, wusste er nicht. Aber: »Dieser Tag geht schief!« Dabei ist es sein letzter Arbeitstag vor dem Sommerurlaub – zwei Wochen im Ferienhaus auf der dänischen Insel Rømø, zusammen mit Frau und Freunden. Sonne, Strand, Meer … Nicht, dass Horst sich sonderlich auf diese Art Urlaub freuen würde, aber er wurde nicht gefragt.

Wie jeden Morgen ist Horst heute pünktlich um vier Uhr aufgestanden, nachdem ihn der Wecker seines Mobiltelefons mit dem lauten Zischen einer Dampflokomotive geweckt hatte. Seine Ehefrau Gaby störte das nicht. Horst übernachtet seit zehn Jahren im Gästezimmer, »weil Horst schnarcht und immer so früh raus muss«, wie sie sagt. Anschließend hat er geduscht, sich die Zähne geputzt und mit Zahnseide die Zahnzwischenräume gereinigt. Danach hat er seine Uniform angezogen: Die sorgfältig aufgehängte dunkelblaue Stoffhose mit korrekter Bügelfalte und die auf Hochglanz polierten schwarzen Schuhe, dazu ein frisches hellblaues Hemd mit der leuchtend roten Krawatte und schließlich das dunkelblaue Jackett mit den drei roten Ärmelstreifen. Als er vor seinem großen »IKEA«-Spiegel die Krawatte zurechtrückte, huschte ein melancholisches Lächeln über sein Gesicht. »Das macht schon etwas her!«, hatte Gaby früher in diesem Moment gern gesagt.

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