Lars Bessel - Die schönsten Wochen des Jahres

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Die schönsten Wochen des Jahres: краткое содержание, описание и аннотация

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Horst Ter ist Schaffner bei der Bundesbahn und fährt seit vielen Jahren auf der Strecke Hamburg-Altona – Westerland. Als eines Tages dänische Freischärler die Bahnstrecke über den Hindenburgdamm sabotieren, um Sylt ins Königreich zurück zu holen, beginnt für den gehörnten deutschen Bundesbahner ein wahnwitziger Roadtrip an den bulgarischen «Ballermann», um seine untreue Gattin mit möglichst vielen anderen Frauen zu betrügen – wenn Ordnung auf Chaos trifft. «Die schönsten Wochen des Jahres» ist eine ziemlich durchgeknallte Verwechslungskomödie, in der Schaffner Horst mit Mafioso Igor und Professor Bojidar gegen dänische Separatisten wie holländische Hotelmagnaten und für die Freundschaft kämpft. Gleichzeitig ist der Roman ein Aufruf an alle Zweifler, ihre Träume mutig Wirklichkeit werden zu lassen.

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Wie immer trank Horst noch ein Glas Milch mit Erdbeergeschmack, schmierte sich zwei Stullen Schwarzbrot, eine mit Wilstermarsch-Käse, eine mit Salami. Zusammen mit einer PET-Flasche Mineralwasser und einem Apfel aus dem »Alten Land« landete alles in seinem dunkelblauen DB-Rucksack. Bevor Horst sein Haus verließ, stellte er seiner Frau aber noch ein Frühstücksgedeck auf den Küchentisch und räumte sein schmutziges Geschirr in die Spülmaschine. Das Milchglas spülte er kurz aus, bevor er es in den oberen Schub stellte. Der kleine Teller kommt unten nach hinten links, das Messer in den Besteckkorb – und zwar vorne rechts – während der Milchlöffel vorne links seinen Platz hat. Dort stand wieder eine Gabel von Gaby, obwohl die Gabeln hinter die Messer auf die rechte Seite gehören … Horst nahm die Gabel und beförderte sie kopfschüttelnd an ihren korrekten Platz in der Spülmaschine.

Mit dem jahrelang geübten Griff nahm er seine Schaffnermütze von der Hutablage der Garderobe ohne hinzuschauen, setzte sie auf den Kopf mit den kurzen leicht ergrauten Haaren, schloss die Haustür auf und danach zweifach wieder zu. Mit dem alten Damenfahrrad seiner Frau ging es dann wie jeden Morgen aus der Reihenhaussiedlung in Schenefeld nach Altona zum Bahnhof. Trotz dieser ganzjährigen Bewegung spannte die neue Uniform schon wieder über dem unaufhaltsam wachsenden Bäuchlein, und die dunkelblaue Kunststoffbrille von »Fielmann« rutschte Horst wegen der kleinen Schweißtropfen langsam die schmale Nase herab.

Eineinhalb Stunden später. Es ist zwanzig Minuten nach sechs, als der Regionalexpress 11002 in den Bahnhof von Itzehoe einfährt. Neun Minuten zu spät! Die Übergabe der Schwarzfahrerin an die Bundespolizei hat Horst nicht nur endgültig die Laune verdorben, sondern auch seinen Zeitplan durcheinandergebracht. Mit etwas Glück können sie hier allerdings ein paar Minuten gut machen, da in Itzehoe planmäßig die Lokomotiven getauscht werden müssen. Ab hier gibt es nämlich keinen Strom mehr. Die Züge fahren wie früher zwar nicht mit Dampf, aber mit Diesel.

Während Horst sich auf dem tristen Bahnsteig die Beine vertritt, versucht er nach wie vor herauszufinden, warum ihn immer noch dieses merkwürdige Gefühl beschleicht, dass heute irgendetwas gründlich schief gehen wird. Alles ist wie immer, wie seit 13 Jahren, als er erstmals als Schaffner eingesetzt worden war. Selbst das Wetter ist wie immer im Sommer: mittelwarmer Nieselregen. Auch Schwarzfahrer bescheren ihm keine Magenschmerzen. Aber Horst hat Magenschmerzen. »Dieser Tag geht schief!«, wieso, weiß Horst nicht. Er weiß es instinktiv.

Der Zug rollt weiter, unaufhaltsam. Vielleicht sind auch wegen der trüben Aussichten, die erneut mit 120 Stundenkilometern an ihm vorbeiziehen, so wenige Menschen in seinem Zug, denkt Horst. Als es über den Nord-Ostsee-Kanal geht, kann er vor lauter Regengrau kaum ein Schiff ausmachen, und nun liegt schon Heide hinter ihnen. Da dort kein Fahrgast zugestiegen ist, braucht Horst keine Fahrkarten zu kontrollieren und legt stattdessen im abgetrennten Führerstand des rückwärtigen Triebwagens bis zum nächsten Halt in zehn Minuten die Füße hoch. Horst schließt die Augen und schläft sofort ein, das erste Mal in seiner inzwischen 24-jährigen Dienstzeit.

Zug I | Waggon 2

Es ist ein lauter Dreiklang, der im Zug ertönt, wenn der Lokführer etwas von seinem Zugbegleiter möchte. Dieser Klang riss Horst aus seinen Träumen. Er griff zum Hörer der Bordsprechanlage und fragte seinen Kollegen, warum er störe. Was der ihm zu sagen hatte, verschlug Horst die Sprache:

»Heute ist in Lunden Feierabend!«

Vor diesem Augenblick hatte sich Horst seit 13 Jahren gefürchtet – ein Totalausfall. Und dann fiel ihm wieder dieser Gedanke vom Morgen ein - »dieser Tag geht schief«. Jetzt hatte er die Bestätigung, wobei »schiefgehen« definitiv untertrieben war. Ausgerechnet im Bahnhof von Lunden sollte er stranden, wobei Horst das Wort Bahnsteig viel treffender findet. Lunden ist für ihn ein Kuh-Kaff mit drei Häusern und vier Spitzbuben. Horst hat keinen blassen Schimmer, warum sein Zug hier regelmäßig halten muss.

»Meine sehr verehrten Fahrgäste«, fing Horst mit zitternder Stimme an in sein Mikrofon zu sprechen, »aufgrund einer Störung auf dem Hindenburgdamm können wir unsere Fahrt nach Westerland leider auf unbestimmte Zeit nicht fortsetzen. Ich darf Sie daher alle bitten, den Zug an unserer nächsten Haltestelle in Lunden zu verlassen. Ein Busersatzverkehr wird derzeit für Sie eingerichtet. Ob die Fahrgäste, die bis nach Sylt möchten, heute tatsächlich noch auf die Insel gelangen können, kann ich Ihnen nicht sagen. Ein Kriseninterventionsteam der Deutschen Bahn ist bereits auf dem Weg nach Lunden und wird Ihnen vor Ort für all Ihre Fragen zur Verfügung stehen. Die Kollegen kümmern sich dann auch um gegebenenfalls notwendige Nachtquartiere, bis Sie Ihre Reise fortsetzen können. Ich bitte im Namen der Deutschen Bahn um Ihr Verständnis.«

Vom Lokführer wusste Horst nur, dass der Damm für Stunden gesperrt sein würde, den Rest seiner Ansage hatte er aus aus dem Kapitel »Notfälle« seines Bordhandbuches vorgetragen. Als der Regionalexpress 11002 in den Bahnhof einfuhr, musste die Lokomotive hinter dem Bahnsteigende halten, damit die Reisenden aus dem letzten Waggon gerade noch aussteigen konnten. Horst wartete einige Minuten, bis er durch den nahezu leeren Zug ging, um sich das Gemecker der Fahrgäste so gut es ging zu ersparen.

»Was ist denn los?«, wollte ein älteres Ehepaar verunsichert wissen.

»Ich kann es Ihnen im Moment leider noch nicht sagen«, antwortete Horst so freundlich es ihm möglich war, »bitte steigen Sie aus, alles Weitere erfahren Sie so schnell wie möglich. Immerhin hat es aufgehört zu regnen ...«

»Ey, Meister, wat ist dat denn schon wieder fürn Scheiß hier mit der Bahn?«, pöbelte ein junger Mann einen Waggon weiter. Horst ignorierte ihn. Nur zu gern hätte auch er gewußt, was los war.

Nachdem er die letzten Passagiere samt Gepäck auf den schmalen Bahnsteig geschickt hatte, ging er zurück in den rückwärtigen Führerstand und rief seinen zuständigen Fahrdienstleister vom Mobiltelefon aus an.

»Tatsache ist«, so der Fahrdienstleiter, »Ihr könnt nicht weiterfahren. Entweder ist irgendwas mit dem Gleisbett oder den Gleisen selbst. Bis morgen früh fährt mir keiner von Euch über den Damm. Punkt.«

Über die Hintergründe gab es bislang offenbar noch keine Fakten, aber genug Anlass für Spekulationen. So wußte Horsts Vorgesetzter zu berichten, dass Bahnmitarbeiter schon seit einigen Wochen immer wieder verdächtige Spuren entlang des Damms entdeckt hatten, von Fahrrädern und Bollerwagen zumeist. In der vergangenen Woche dann der Fund einer beschädigten Metallsäge und eines abgebrochenen Vorschlaghammers nahe des Gleisbettes. Satellitenaufnahmen der NASA und durch die Bundespolizei im Zuge ihrer grenznahen Schleierfahndung erstellten Wärmebildaufnahmen belegten zudem eine intensive Wanderbewegung zwischen dem dänischen Tønder und dem Damm. Die Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der schleswig-holsteinischen FDP-Landtagsfraktion bezüglich staatsgefährdender Kontakte zwischen der AfD in Flensburg und dänischen Separatisten in Tønder stünde derweil noch aus.

Horst erinnerte sich plötzlich an einen Fernsehbericht von N24, wonach die »Dänische Volkspartei« die Rückgabe Sylts an Dänemark gefordert hatte, dafür jedoch auf deutscher Seite nur milde belächelt worden war. Tatsächlich war Sylt einst dänisch, gilt seit langem aber als ur-preußisch und wurde vor knapp 100 Jahren mit dem Hindenburgdamm ans Festland angeschlossen. Für alle teutonischen A-, B- und C-Promis, RTL II sowie Strandbudenbesitzer mit gekreuzten Schwertern und Fischbudenmagnaten ist eine Rückgabe an das nördliche Königreich deshalb ein völlig verwegener Gedanke. Bis heute.

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