»Dann suche ich mir einen anderen Tänzer!« Franzi wollte ihn unter Druck setzen.
»Na und, mach doch, dann gehe ich eben!« Mit diesen Worten drehte sich Heiner um und ging in Richtung Tür. Franzi sah ihm nach. Er ging, er ging wirklich, sie konnte es nicht fassen. Eine Träne rann über ihre Wange.
Ein paar Minuten stand sie so, dann lief sie ihm hinterher. Draußen vor der Tür sah sie nach rechts und links, doch nirgendwo war eine Menschenseele zu sehen. »Heiner!«, flüsterte sie leise. Er hatte sie einfach verlassen.
»Franziska, was ist los?« Ronny hatte sie raus rennen sehen und wartete nun im Treppenhaus auf sie. Sie kannten sich seit der Sandkiste. Ronny strich Franzi über die Wangen und wischte die Tränen weg. Er erwartete keine Antwort.
»Komm, wir tanzen!«, forderte er sie auf. Franzi ließ sich von Ronny auf die Tanzfläche ziehen und gab sich den Klängen der Musik hin. Doch wirklich genießen konnte sie es nicht.
»Danke Ronny, das war nett von dir«, sah sie den Mitschüler an. »Aber ich werde lieber heim gehen, ich bin wohl nicht mehr die beste Gesellschaft heute Abend.«
Franziska ließ sich den Herbstwind um die Nase wehen. Er trug noch ein paar Klänge der Tanzkapelle zu ihr hin: »Morgen früh, da lachst du schon wieder…«
»Alles Gute zum Geburtstag!« Heiner stand mit einem in Geschenkpapier eingewickelten Päckchen vor der Schule. Bestimmt was Süßes, mutmaßte Franziska. Der Streit vom Abend beim Schulfest war von Heiner danach mit keiner Silbe mehr erwähnte worden. Und auch Franzi wollte nicht ständig darüber grübeln.
»Mensch, wenn es der nicht ist, kommt irgendwann ein anderer«, hatte Susanne ihr versucht, ins Gewissen zu reden. »Wir sind 15, nicht 50. Wir haben doch noch so viel Zeit.«
Heute jedenfalls wurde gefeiert. Die Mutter hatte eine Torte gebacken und erlaubte den jungen Leuten ein Glas Sekt mit Fruchtsaft. Heiner saß mit Alex auf dem Sofa, während die jungen Mädchen zu Schallplattenmusik tanzten. Die Platte war ein Geburtstagsgeschenk vom Vati gewesen. Bisher gab es nur Platten mit klassischer Musik bei Franzi zu Hause. Nun klang Schlagermusik durch das Haus.
»Bei euch geht es ja heiß her!« Der Vater steckte den Kopf zur Tür herein.
»Komm rein, Vati! Die Platte ist super!« Franzi zog ihren Vater ins Zimmer.
»Darf ich denn auch mal mit meiner Tochter tanzen?« Er sah zu Franzi und breitete die Arme aus. Sie lächelte, ging auf ihren Vati zu und schmiegte sich eng an seine Brust. So wollte sie tanzen, so wollte sie leben, geliebt von einem Mann, ohne wenn und aber. Sie war seine Seele, sie war sein Fleisch und sein Blut, sie war sein geliebtes Papakind!
Der erste Schnee war gefallen. Heiner wartete auf Franziska vor der Schule. »Franzi, ich muss dir was sagen.« Franzi sah ihn an. War das jetzt gut oder schlecht? Heiner sprach weiter. »Ich werde einen Tanzkurs machen.« Gut oder schlecht? Das war nicht gut.
»Mit wem denn?« Fassungslos sah Franzi ihren Freund an. Konnte er nicht warten, bis sie im nächsten Jahr auch am Tanzkurs teilnahm?
»Mit einer Klassenkameradin, du kennst sie nicht.«
Franziskas Mine verfinsterte sich. »Das kannst du doch nicht machen!« Sie spürte, dass sie wütend wurde, wütend und hilflos zugleich. So fühlte sich Eifersucht an.
»Beruhige dich doch!«, redete Heiner auf seine Freundin ein. Aber Franzi konnte sich nicht beruhigen. In ihr tobte ein Sturm, der ihr selbst Angst machte, eine Angst, die Kontrolle zu verlieren, eine Angst, den Freund zu verlieren.
Franziska nahm ihre Tasche und lief davon.
Am Abend saß Franzi in ihrem Zimmer und schrieb einen Brief an Heiner. Sie bat ihn um Verzeihung für ihr Verhalten.
Da war ein Sprung in ihrer Beziehung, den hätte sie gerne geklebt, doch so einfach ging es nicht. In der Schule liefen sich Heiner und Franzi ständig über den Weg, hatten in benachbarten Klassenzimmern Unterricht, sie sahen sich auf dem Korridor und sahen sich doch nicht.
So liefen sie tagelang umeinander herum, bis eines Morgens Heiner wieder am Schultor auf sie wartete und sie begrüßte, als wäre nie etwas zwischen ihnen vorgefallen. Franzi fiel ihm um den Hals und war überglücklich.
Das Glück hielt nicht lange. Schon ein paar Tage später stritten sich Heiner und Franziska auf dem Schulhof. Es waren eigentlich ganz banale Anlässe, die plötzlich zum Streit zwischen den beiden führten. Heiner sagte etwas, Franzi hielt dagegen, wurde wütend und lief weg. Hinterher wusste sie, dass sie damit eigentlich nur seine Zuneigung erkämpfen wollte und es tat ihr leid. Dann bat sie ihn um Verzeihung. Sie hatte solche Angst, plötzlich allein zu sein. Doch die Abstände zwischen den Streitereien wurden immer kürzer.
»Franzi, es geht nicht mehr!« Heiner wusste, dass er Franzi damit weh tat, aber er konnte nicht anders. Dieses ständige Auf und Ab zerrte an seinen Nerven.
Franzi weinte. »Bitte bleib bei mir, geh nicht weg!«, bettelte sie.
»Franzi, ich bin nicht dein Vater, der dich in den Himmel hebt, der dir alles durchgehen lässt! Ich bin schon schlechter in der Schule geworden. Wir müssen uns trennen.« Heiner wollte sie noch einmal in den Arm nehmen, aber Franzi rannte weg. Sie heulte haltlos. Noch vor einer Stunde war ihr größtes Problem gewesen, den Eltern eine 4 zu beichten. Jetzt schien ihr Leben zerstört.
In ihrem Zimmer warf sie sich aufs Bett. Als es an der Tür klingelte, sprang Franzi auf und wischte sich die Tränen fort. Heiner!, war ihr erster Gedanke. Doch draußen stand Susanne. Sie war inzwischen eine gute Freundin für Franzi geworden. Auf dem Schulhof hatte sie den Streit mitbekommen und war Franzi nachgelaufen.
»Wieso hängst du dich nur so an den?«, redete Susanne auf Franzi ein. »Es gibt doch mehr Jungs auf
der Welt als diesen einen. Sieh dich doch nur mal um!«
»Ach Sanne, das habe ich doch schon versucht!« Franzi schniefte. Nach jedem Streit hatte sie versucht, sich abzulenken, hatte sich mit Andi getroffen, mit Manni, mit Jürgen und auch mal mit Ronny. Doch die Sehnsucht nach Heiner war geblieben. Selbst wenn sie wütend auf ihn war, wollte sie nicht von ihm verlassen werden.
»Man könnte meinen, dich hat schon mal einer verlassen«, grübelte Susanne vor sich hin.
»Und man könnte meinen, du willst mal Psychologin werden!«
Susanne überhörte die leise Ironie. »Nein, Architektin. Aber es ist schön, dass du jetzt wenigstens wieder lächeln kannst.«
»Ich habe eine Überraschung für dich!« Der Vater sah seiner Tochter seit Tagen an, dass es ihr nicht gut ging. Da kam diese Reise gerade recht. »Ich habe 3 Karten für eine Fahrt zur Kunstausstellung nach Dresden.« Franz schätzte das Talent und den Kunstverstand seiner Tochter sehr. So hatte er spontan eine dritte Karte bestellt und da Winterferien waren, stand dem Ausflug am Sonnabend nichts im Wege.
»Oh, das ist toll!« Franzi freute sich. Es war sicher gut, mal aus dem Einerlei hier heraus zu kommen.
»Kommt Alex nicht mit?« Sie mochte es nicht, wenn ihr Bruder hinten angestellt wurde.
»Alexander ist doch auch kein kleines Kind mehr. Mit 12 kann er schon mal einen Tag allein bleiben und essen kann er ja bei Oma Klara. Aber in die Kunstausstellung müssen wir ihn wirklich nicht schleifen. Du, der ist bestimmt froh, mal sturmfreie Bude zu haben!«
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