FRÜHLINGSTOCHTER Isolde Kakoschky FRÜHLINGSTOCHTER Roman
Impressum Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar. ´ Print-ISBN: 978-3-96752-047-7 E-Book-ISBN: 978-3-96752-547-2 Copyright (2019) XOXO Verlag Umschlaggestaltung: Grit Richter Coverbild: ISKA Buchsatz: Alfons Th. Seeboth Hergestellt in Bremen, Germany (EU) XOXO Verlag ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH Gröpelinger Heerstr. 149 28237 Bremen
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
Epilog
Isolde Kakoschky
Isolde Kakoschky
FRÜHLINGSTOCHTER
Roman
Impressum
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://www.d-nb.deabrufbar. ´
Print-ISBN: 978-3-96752-047-7
E-Book-ISBN: 978-3-96752-547-2
Copyright (2019) XOXO Verlag
Umschlaggestaltung: Grit Richter
Coverbild: ISKA
Buchsatz: Alfons Th. Seeboth
Hergestellt in Bremen, Germany (EU)
XOXO Verlag
ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH
Gröpelinger Heerstr. 149
28237 Bremen
1. Kapitel
Nachdenklich legte Manuela Wahrberg das Blatt Papier zurück auf den Tisch und versuchte, sich wieder den Nachrichten im Fernsehen zu widmen. Sie konnte nicht mehr sagen, wie oft sie in den letzten Monaten dieses Bild angesehen und den daneben stehenden Artikel gelesen hatte. Es war ein Ausdruck der OnlineAusgabe der regionalen Tageszeitung. Die ehemals saubere, glatte Seite war inzwischen abgegriffen und knittrig. So oft schon hatte sie das Foto zur Hand genommen und wieder weggelegt. Sie hatte es gefaltet und wieder glatt gestrichen, mehr als einmal weit hinten in den Schrank verstaut. Und doch, jedes Mal, wenn in den Regionalberichten im Fernsehen vom Mansfelder Land die Rede war, hatte sie es wieder herausgeholt, so wie jetzt.
Vor einem halben Jahr hatten sie sich getroffen, ihre ehemaligen Mitschüler. Auch bei ihr war eine Einladung angekommen. Es dürfte nicht schwer gewesen sein, sie zu finden. Ihr Name stand vor Jahren unter Mutters Todesanzeige in der Zeitung und im Telefonbuch fand man ihre Adresse. Ganz abgesehen davon war sie bei Stayfriends registriert und seit einiger Zeit bei Facebook angemeldet. Es tummelten sich nicht besonders viele Freunde auf ihrem Profil, aber sie hatte einige Seiten abonniert, die sie interessierten, und freute sich auch über Nachrichten von Bekannten.
Doch auf den Brief ihrer Mitschülerin hatte sie nicht reagiert. Manuela stand vom Sessel auf und ging zum Fenster. Von der zwölften Etage des Hochhauses konnte sie weit übers Land sehen. Dort, ganz hinten, ließen sich die kegelförmigen Halden des Mansfelder Kupferschiefer-Bergbaus erahnen. Würde sie sich ins Auto setzten, wäre sie in weniger als einer Stunde in ihrer Heimatstadt angekommen. So oft waren Manuela und ihr Mann mit ihrem Sohn auf dem Weg in den Harz ganz nahe dort vorbei gefahren. Dennoch hatte sie seit Jahren keinen Fuß mehr in die Straßen ihrer Heimat gesetzt. Das letzte Mal war zur Beerdigung ihrer Mutter gewesen. Ihr erwies sie die letzte Ehre, obwohl es sie zwang, ihren Vater zu treffen. Er hingegen hatte sie keines Blickes gewürdigt. Als er ein paar Jahre später starb, da weinte sie ihm keine Träne nach. Sie hatte gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Maria das Erbe ausgeschlagen und alles, was noch da war, an ihre Tante, die Schwester ihres Vaters übergeben, die sich auch um die Formalitäten und die Beisetzung gekümmert hatte. Nein, ihre Eltern fehlten ihr nicht.
Trotzdem vermisste sie etwas. Früher, als die Zeitung noch zehn Pfenning kostete, da hatte sie neben der Ausgabe aus Halle auch die ihrer Heimatstadt abonniert. Jetzt kam ihr die moderne Technik entgegen. So konnte sie die elektronische Ausgabe als E-paper lesen und war immer über die Neuigkeiten informiert.
Im Nachhinein ärgerte sich Manuela, nicht zum Jahrgangstreffen gefahren zu sein. Es wusste ja sowieso keiner etwas von ihrer Vergangenheit und sie hätte nichts erzählen müssen, was sie nicht wollte. Aber für Reue war es jetzt zu spät.
Ein paar Tage nach dem Treffen hatte sie den Artikel gelesen und ausgedruckt. Stundenlang hatte sie das Foto angesehen, auf dem ihre Mitschüler fröhlich in die Kamera blickten. Und sie glaubte sogar, die eine oder andere ihrer Mitschülerinnen zu erkennen. Seitdem fragte sie sich immer wieder, ob sie nicht doch einmal wieder nach Hettstedt fahren sollte, durch die vertrauten Straßen laufen und vielleicht sogar Bekannte treffen. In dem Zeitungsartikel stand geschrieben, dass noch viele in der Nähe wohnen würden.
Auf dem Tisch machte sich ihr Smartphone bemerkbar. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie das Gespräch annahm.
»Hallo Kai«, begrüßte sie ihren Sohn. »Wie geht es dir, mein Junge? Und was macht mein Sternchen?«
»Gut geht es uns«, verkündete Kai. »Aber unsere Stella hat wieder keine Lust, ins Bett zu gehen, bevor sie noch nicht der Oma ›Gute Nacht‹ gesagt hat.«
Manuela schmunzelte. So kannte sie ihre Enkelin. Immer musste sie ihren Kopf durchsetzen. Und ihr Sohn verwöhnte seine kleine Tochter nach Strich und Faden. Schon tönte das glockenhelle Stimmchen von Stella aus
dem Handy. »Oma, ich habe neue Sandalen an, die sind pink und mit Glitzer! Kann ich die im Bett anlassen?« Manuela lachte. »Nein, mein Schatz, im Bett ziehst du sie besser aus, aber am Sonntag, wenn wir in den Zoo gehen, dann kannst du sie mir zeigen.«
»Ist gut«, gab sich Stella einsichtig. Ein schmatzendes Geräusch drang durch den Lausprecher. »Küsschen, Omi! Gute Nacht!«
»Gute Nacht, mein Liebling! Schlaf gut!«
Nachdem sich Manuela von ihrem Sohn verabschiedet und einen Gruß an Nina, seine Lebensgefährtin, hinterlassen hatte, legte sie das Smartphone zur Seite. Eine warme Welle durchflutete ihren Körper. Oh, wie sehr sie ihren Kai liebte! Als er geboren wurde und die Hebamme ihr sagte, dass es ein Junge sei, da hatte sie ihn sofort annehmen können. Es war gut, dass es ein Junge geworden war. Sie waren immer ein Herz und eine Seele gewesen. Ihr Mann Andreas hatte so oft außen vor gestanden, weil er dieser engen Beziehung nichts entgegensetzen konnte. Vielleicht war es auch ein Grund gewesen, warum ihre Ehe schließlich scheiterte. Sie hatten sich nicht betrogen, sich nicht Schimpf und Schande an den Kopf geworfen, aber sie hatten auch nichts mehr gemeinsam. Möglicherweise wäre es besser gewesen, wenn Manuela ihrem Mann alles anvertraut hätte, vielleicht hätte er sie dann verstehen können und ihre übertriebene Liebe zu ihrem Sohn nicht dermaßen zum Streitthema gemacht. Doch immer hatte ihr der Mut ge-
fehlt. So kam zum Schluss die Trennung allen nur folgerichtig vor. Gekämpft hatte sie um ihre Ehe nur so lange, um ihrem Sohn das Elternhaus zu erhalten. Kai hatte damals kurz vor dem Schulabschluss gestanden. Er studierte nach dem Abitur in Leipzig und blieb auch nach dem Abschluss dort, um nicht zu weit von seiner Mutter weg zu müssen. Nicht, weil er wirklich ein Mamasöhnchen gewesen wäre, eher aus Sorge um Manuela. Aber die hatte ihren Beruf und ihr Leben im Griff. Selbst ihr Sohn wusste nicht, welches Geheimnis sie seit Jahrzehnten mit sich herum trug.
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