Arthur Schurig
Tristan und Isolde
Die Geschichte jenes berühmten Liebespaares, dessen Schicksal bis in den Tod durch einen Zaubertrank bestimmt wird.
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Inhaltsverzeichnis
Titel Arthur Schurig Tristan und Isolde Die Geschichte jenes berühmten Liebespaares, dessen Schicksal bis in den Tod durch einen Zaubertrank bestimmt wird. Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Anhänge
Impressum neobooks
Der Roman von Tristan und Isolde
In der bretonischen Urgestalt erneuert von
Arthur Schurig
Alfred und Gertrud Vogel
Lieben Freunden
Vernehmt, Damen und ritterliche Herren, die älteste Liebesmar des Abendlandes,
gesponnen um die Namen Tristan und Isolde. Wer kennte sie nicht von Jugend auf? Ein
Bretone hat ihr Schicksal zuerst besungen, vor nun tausend Jahren. Sie haben leibhaft
gelebt, die beiden herrlichen Gestalten, Kelte er, Germanin sie, drei Jahrhunderte ehe der
Sänger sie erhob zur Unsterblichkeit. Ihnen wie allen großen Liebenden ward die Lust
verklärt vom Leid, das Leid durchsonnt von Lust. Trennung war das Los ihres
Erdenganges, Geheimnis der Dämon ihrer Schuld. Früher Tod am gleichen Tage einte sie
ewiglich. In immer sich wandelnder Form schreitet das göttliche Paar durch die Nachwelt,
Wagenden zum Vorbild, Siegenden zur Labung, Geschlagenen zum Trost.
In grauen Zeiten herrschte im Herzogtum Leonnois, im Nordwesten von Aremorika – so
hieß die Bretagne unter dem trotz aller Großartigkeit untergegangenen Römischen
Imperium – ein streitbarer junger Fürst, König Riwal. Seiner keltischen Vorväter einer war
aus Britannia über das Meer gekommen, verdrängt von den dort immer stärker
eindringenden Sachsen, wohl aus dem Lande der Pikten, die im nordöstlichen Zipfel des
späteren Schottlands wohnten. Über den Granitklippen des Festlandes hatte er das Kastell
Kanohel erbaut, die älteste Burg auf der bretonischen Halbinsel, fortan der Sitz der Herren
von Leonnois. Das war nun mehrere Jahrhunderte her, in welchem Zeitlaufe ganz Europa
schweres Schicksal erduldete. Die Völker waren in Bewegung. Sie schwärmten heran aus
unbekannten Fernen, vergewaltigten
die Ureinwohner, raubten, mordeten, brannten Höfe und Häuser nieder, um im eroberten
Gebiete zu verbleiben oder zumeist ruhelos weiter zu wandern.
Menschenarm waren alle Lande und arm die Menschen. Auch in den drei oder vier
Herzogtümern der Bretagne, ehedem friedvollen glücklichen Gauen, machte es längst
kaum mehr Freude zu leben. Schwermut lag über den Weiden und Wäldern ebenso wie auf
den Mienen der Leute. Rauh war deren Tun und Denken geworden. Wer Herr war, mußte
stark und gewaltsam sein, und wer Knecht, stark und duldsam. Keiner griff zaghaft zu, und
niemand ward zart behandelt. Aller Herzen waren steinhart, wie der bretonische Boden,
und, wenn sie erglühten, heiß und überheiß, und ihr Schlag vernehmlich. Mitleid kannten
sie nicht, wohl aber Haß, Leidenschaft und Treue.
Die Bauern blieben ihren Fürsten und Führern ergeben, denn wenn diese auch
ursprünglich fremde Gewalthaber gewesen, so waren sie ihnen doch tapfere Verteidiger
wider die räuberischen Seefahrer, die immer wieder vor den felsigen Küsten erschienen,
um mehr oder minder weit ins Land einzufallen.
In den letzten hundert Jahren waren es jene verwegenen Nordmänner, die Wikinger, die
am Ostgestade der Grünen Insel, Irland genannt, eine Reihe von Reichen gegründet hatten,
das mächtigste mit seinem Königssitz in der festen Stadt Dowelin. Jahr um Jahr wagten sie
von dort in ihren flinken Langschiffen kühne Fahrten nach dem Festlande, aus zielloser
Lust am Abenteuer, aus Drang nach Eroberungen, aus Gier nach fremdländischen jungen
Weibern, schließlich aus gemeinem Durst nach Gold und allerlei Dingen, die sie für
kostbar schätzten.
Schon das armselige Land Leonnois litt unter diesen schrecklichen Germanen; hundertmal
mehr zu fürchten hatte das reichere Herzogtum Cornouaille, das im Osten an König Riwals
Gebiet grenzte. Man konnte von einem Herzogtum ins andre sowohl zu Schiff, an der
Felsenküste hin, wie zu Fuß oder zu Pferd über die Waldberge gelangen.
In Cornouaille herrschte König Marke. Seine weithin berühmte Burg, ehedem ein
Römerkastell, hieß Tintagol. Hoch ragte sie über Hügel und Haide, sechs Wegstunden
landeinwärts, an einem kleinen Flusse. Wo dieser in eine lange schmale Bucht des Meeres
strömte, ein wenig unterhalb der Stadt und Burg Dinan, da war der Haupthafen des kleinen
Reiches. Im Wechsel des Krieges hatten die Cornouailler das Mißgeschick, den Wikingern
zinspflichtig zu werden. Seitdem holte sich der
Feind alle Jahre den Tribut: Reichtümer, Sklaven und Jungfrauen. Wohl versuchte man
jedesmal, sich der Schmach zu wehren. Vergebens. Die Übermacht war zu groß.
Da verschworen sich die beiden Nachbarn zu einem Bunde, und im kommenden Frühjahr, ehe
der böse Feind erschien und eindrang, sandte König Marke hinüber nach Kanohel und rief den
Herzog von Leonnois zur gemeinsamen Abwehr.
Riwal brach alsbald auf mit den Rittern seines Landes und einem stattlichen Gefolge von
Mannen. In Tintagol auf das Beste empfangen, vergnügte sich Edelmann wie Knecht bei
Wettspiel, Sang und Becherklang, bis die Kunde vom Nahen der in aller Welt gefürchteten
Wikingerschiffe einlief. Da ergriff man die Waffen und zog unter König Markes
wehendem Banner nach Dinan. Gar schwer fiel Herrn Riwal der Abschied
von Tintagol, denn die schöne Blankeflor, die älteste von des Königs beiden Schwestern,
hatte es ihm angetan.
In der Schlacht gewannen die Bretonen den Sieg, aber im Zweikampf mit dem Führer der
Wikinger, dem Herzog Morold, einem weitberühmten Kämpfer und Seefahrer, dem Sohne des
Königs von Dowelin, trug Riwal von Leonnois eine schlimme Lanzenwunde davon.
Blankeflor pflegte den Helden, dessen junges Blut für Cornouaille geflossen. Ohne Bedenken
hätte sie ihr eigenes Leben gelassen, wäre ihm dafür Genesung geworden.
Eines Abends, als Blankeflor sorglich an Riwals Lager saß, dünkte es sie, ihm weiche das
Fieber. Überglücklich beugte sie sich über den Erwachenden und küßte ihn auf die Stirn. Da
zog Riwal die Geliebte an sich und machte sie zur Seinen. In der Nacht mußte er sterben.
Und auch Blankeflor starb, als sie Riwals Sohne das Leben gab.
Ehe Herr Riwal nach Tintagol in den Krieg zog, da hatte er sein geliebtes Land seinem
Seneschall anvertraut, dem Grafen Rual, einem alten Edelmanne, dem sein streitbares
Leben neben Würden und Zipperlein den Beinamen
der Treue
verliehen hatte.
Ihm und seiner ebenso trefflichen Frau Floräte brachte die Amme Riwals kleinen Sohn. Dies
geschah sonderbar heimlich, und das kluge Ehepaar vermeinte in diesem Umstand einen Wink
des Schicksals erblicken zu sollen. Abergläubisch sind die Bretonen wie bekannt seid
uraltersher.
Rual und seine Frau beschlossen, des Knaben Herkunft zunächst niemandem zu verraten.
Sie gaben ihn für ein verwaistes Schwesterkind aus, und man glaubte es ihnen, denn in
jenen endlosen
Kriegszeiten hatten die Leute wahrlich andre Sorgen als sich um einen Jungen zu
kümmern, der nun einmal da war. Er bekam den Namen Tristan, den sein Urgroßvater und
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