236 b)Wird die Wohnungseigenschaft bejaht, so wird die Tat als „schwerer Wohnungseinbruchsdiebstahl“630 nach Abs. 4 qualifiziert, wenn es sich um eine dauerhaft genutzte Privatwohnung handelt 631. Erforderlich ist anders als bei Abs. 1 Nr. 3, dass die Wohnung tatsächlich bewohnt ist 632. Einbezogen sind Häuser und Wohnungen samt Nebenräumen und unabhängig davon, ob diese vom Eigentümer oder Mieter bewohnt werden. Ferner sind auch Zimmer in Wohnheimen aller Art, Zweitwohnungen usw. erfasst. Entscheidendes Kriterium ist die dauerhafte Nutzung zu Wohnzwecken. Die Nutzung muss dabei noch nicht eine gewisse Dauer erreicht haben, vielmehr genügt es, dass die Nutzung auf Dauer angelegt ist, so dass der Schutz mit dem Einzug beginnt. Für die dauerhafte Nutzung genügt etwa eine Zwischenmiete für zwei oder drei Monate, nicht aber die Nutzung eines Wohnmobils über das Wochenende. Unterbrechungen schaden nicht, so dass Abs. 4 auch dann verwirklicht ist, wenn der Nutzer für geraume Zeit im Ausland weilt.
237 c)Bei gemischt genutzten Räumlichkeitenkommt es auf die bauliche Aufteilung an. Sind Geschäftsräume von den Wohnräumen abgetrennt (z. B. Bäckerei im Erdgeschoss, Familienwohnung im Dachgeschoss) und erfolgt der Einbruch nur in die Geschäftsräume, so sind nur §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 verwirklicht, da der Einbruch in den Wohnraum selbst stattfinden muss 633. Dies gilt selbst dann, wenn der Täter anschließend von dort aus in die Wohnräume gelangen möchte, um zu stehlen 634; erfasst wird nämlich nur der Einbruch und nicht jedes Hineingelangen in die Wohnung. Anders ist hingegen zu entscheiden, wenn sich ein Geschäfts- oder Büroraum innerhalb der Wohnung befindet und in diese eingebrochen wird 635. Die Qualifikation ist nach ihrem Schutzzweck auch verwirklicht, wenn der Täter in die Wohnräume einbricht, um anschließend Sachen aus Geschäftsräumen stehlen zu können 636.
Bsp.:T gelangt mittels Einbruch durch die im Erdgeschoss gelegene Wohnung in das im Dachgeschoss befindliche Atelier, das baulich abgetrennt ist. Dort stiehlt er – wie geplant – einige Bilder. – T macht sich nach § 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 strafbar, auch wenn das Betreten der Wohnung nicht zum Zwecke des Diebstahls dort erfolgt.
238 d)Hinsichtlich der Tathandlungenkann auf die Ausführungen zu § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 verwiesen werden. Auch hier ist erforderlich, dass der Täter zur Ausführung der Tat in die Wohnung einbricht usw. 637. Für die Frage des unmittelbaren Ansetzens beim versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahlgelten ebenfalls die bei § 243 Abs. 1 Satz 2 geschilderten Grundsätze 638. Soweit es am unmittelbaren Ansetzen fehlt, ist in Fällen des § 244 Abs. 4zu beachten, dass bei mehreren Beteiligten eine Verbrechensverabredung nach § 30 Abs. 2in Betracht kommt 639.
239Hinter § 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 treten §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 im Wege der Spezialität 640und § 123 im Wege der Konsumtionzurück 641. Hinsichtlich § 303 nimmt der BGH nach Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung nun zu Recht an, dass § 244 und § 303 stets in Tateinheit zueinander stehen. Maßgeblich ist für den BGH dabei, dass auch bei einem Wohnungseinbruchsdiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 eine Sachbeschädigung nicht immer mit einhergeht. Die Sachbeschädigung sei keine typische Begleittat des § 244. Dies sei vor allem bei den Begehungsvarianten des „Einstiegsdiebstahls“, des „Nachschlüsseldiebstahls“ und des „Verwendungsdiebstahls“ der Fall. Da diese Begehungsvarianten dem Einbruchsdiebstahl gleichgestellt sind, würde die Annahme einer Konsumtion des § 303 durch § 244 einen Systembruch herbeiführen. Es würden innerhalb eines Tatbestandes verschiedene Begehungsweisen konkurrenzrechtlich unterschiedlich beurteilt, obwohl eine Gleichstellung der Begehungsweisen vom Gesetzgeber ersichtlich gewollt sei 642. Eine versuchte Tat nach § 244 kann in Tateinheit zum vollendeten Grunddelikt des § 242 stehen 643. Wenn der zum Wohnungseinbruchsdiebstahl entschlossene Täter nach dem Eindringen überraschend feststellt, dass die Bewohner anwesend sind und daraufhin die Sachen unter Anwendung von Gewalt mitnimmt, steht nur § 123 in Tateinheit zu § 249, während §§ 242, 244 Abs. 1 Nrn. 3, 22, 23 im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt werden 644. Tateinheit kommt aber in jedem Falle bei vollendetem Diebstahl und versuchtem Raub in Betracht 645. Werden im Falle des § 244 Abs. 1 Nr. 2 gleichzeitig § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 oder 2 im Wege einer Sachbeschädigung verwirklicht, so steht § 244 Abs. 1 Nr. 2 zu § 303 in Tateinheit, da ansonsten der Unrechtsgehalt nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht würde, weil § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 oder 2 hinter § 244 zurücktreten 646.
§ 5Schwerer Bandendiebstahl, § 244a
I.Geschütztes Rechtsgut und Systematik
240Die Qualifikation des § 244a enthält gegenüber §§ 242, 243 und § 244 Abs. 1 Nr. 2 eine weitere Strafschärfung mit Verbrechenscharakter. Die Strafbarkeit des Versuchs folgt daher aus § 23 Abs. 1 i. V. m. § 12 Abs. 1. § 244a kombiniert das strafschärfende Merkmal des § 244 Abs. 1 Nr. 2 mit § 244 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 einerseits und § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 7 andererseits.
2411. Tatbestand
a) Grundtatbestand des § 242
b) Qualifikation
aa) Objektiver Tatbestand
(1) Bandenmäßige Begehung nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 und
(2) Vorliegen eines Regelbeispiels i. S. d. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 7 oder eines Falles des § 244 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3
bb) Subjektiver Tatbestand
2. Rechtswidrigkeit
3. Schuld
4. Strafantrag, § 247 (nicht aber § 248a)
III.Tatbestand
1.Folgen der Verweisung
242§ 244a enthält Qualifikationstatbestände mit Vorsatzerfordernis. Durch den Verweis in § 244a auf die Regelbeispiele des § 243 werden diese zu echten Tatbestandsmerkmalen. Daher finden im Rahmen des § 244a §§ 16, 22 ff. und 25 ff. unmittelbare Anwendung. Die strafschärfenden Merkmale des § 243 sind im Rahmen des § 244a abschließend, so dass weder ein unbenannter besonders schwerer Fall noch eine Widerlegung der Indizwirkung in Betracht kommt 647. Auch die Geringwertigkeitsklausel des § 243 Abs. 2 spielt keine Rolle 648.
2.Auswirkung auf andere Bandenmitglieder
243Für die Strafschärfung nach § 244a kommt es nicht darauf an, dass auch die anderen Bandenmitglieder eine der Tatmodalitäten der §§ 243 Abs. 1 Satz 2, 244 Abs. 1 Nr. 1, 3 verwirklichen 649. Die Zurechnung der strafschärfenden Merkmale richtet sich für andere Beteiligte nach den Grundsätzen der §§ 25 ff.
Bsp.:Die Bande A, B und C stiehlt Kraftfahrzeuge. A verabredet mit B, dass er bei einer Tat eine Waffe mitnimmt. Der Gehilfe C weiß davon nichts. – A und B haben §§ 242, 244a verwirklicht, weil sowohl die Voraussetzungen des § 244 Abs. 1 Nr. 2 als auch des § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Var. 1 verwirklicht sind. C macht sich nur nach §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 2, 27 strafbar, da sich der Gehilfenvorsatz nicht auf das Beisichführen einer Waffe erstreckt.
244§ 244a verdrängt im Wege der Spezialität die §§ 242, 243. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für § 244 650; zwischen versuchtem schweren Bandendiebstahl und vollendetem § 244 Abs. 1 Nr. 3 kann angesichts der unterschiedlichen Rechtsgüter Tateinheit bestehen 651. Hingegen verdrängt § 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 die Vorschrift des § 244a, weil bei gleichem Strafrahmen für Fälle des § 244 Abs. 4 kein minder schwerer Fall vorgesehen ist 652. Zwischen § 244a Abs. 1 i. V. m. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und der gewerbsmäßigen Hehlerei nach § 260a Abs. 1 ist Wahlfeststellung möglich 653.
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