203 Stellungnahme:Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelungen streiten folglich vielmehr für eine objektive Betrachtungsweise, die auf eine Waffenersatzfunktion abstellt 525. Das gefährliche Werkzeug ist der Oberbegriff für das gesetzlich genannte Beispiel der Waffe, die objektiv zu bestimmen ist und insoweit eine gewisse Orientierung bieten kann. Hingegen gewinnt die Verwendungsabsicht nach der Gesetzessystematik (argumentum e contrario) erst bei Nr. 1 lit. b an Bedeutung. Zugegebenermaßen mag die Grenzziehung nicht immer ganz eindeutig sein 526. Andererseits ist es durchaus sachgerecht, dass für den Unrechtsgehalt der Tat die konkrete Situation mit einbezogen wird. Letztlich vermag auch die subjektive Betrachtungsweise Abgrenzungsschwierigkeiten nicht zu beseitigen, weil der Verwendungsvorbehalt häufig entweder auf eine Fiktion hinausläuft oder doch objektive Kriterien zur Ermittlung des subjektiven Willens erfordert. Letztlich ist diese Lösung auch gegenüber der rein objektiven Bestimmung durch den BGH, die den Werkzeugbegriff zu sehr ausdehnt, überlegen 527. Strafbarkeitslücken sind demgegenüber nicht zu befürchten, da bei Alltagsgegenständen und Einbruchswerkzeug immer noch §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b oder Nr. 3 in Betracht kommen können. Da sich gegen alle vorgeschlagenen Lösungen jedoch Einwände vorbringen lassen und eine gewisse Unbestimmtheit nicht zu vermeiden ist, bedarf es letztlich einer gesetzgeberischen Korrektur 528. Soweit nunmehr in § 244 Abs. 3 ein minder schwerer Fall zur Vermeidung unangemessener Strafen aufgenommen wurde 529, überzeugt dies nicht, da eine Präzisierung der gesetzlichen Voraussetzungen und damit eine Sicherung der tatbestandlichen Bestimmtheit so nicht erreicht wird.
2.§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b
204Nach dem Willen des Gesetzgebers stellt das Beisichführen eines sonstigen Werkzeugs oder Mittels in Verwendungsabsichteinen Auffangtatbestanddar 530. Aus einem Umkehrschluss zu Nr. 1 lit. a folgt, dass das Werkzeug bei Nr. 1 lit. b nicht objektiv gefährlich sein muss. Das gegenüber Nr. 1 lit. a verringerte objektive Unrecht beim Mitführen ungefährlicher Werkzeuge wird durch die Absicht, den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder überwinden, kompensiert 531.
Beachte:Wird der Gegenstand zur Vollendung der Wegnahme tatsächlich eingesetzt, so liegt Raub gemäß § 249 vor; wird er zwischen Vollendung des Diebstahls und Beendigung eingesetzt, so liegt räuberischer Diebstahl nach § 252 vor.
205Beim Mitführen von Schusswaffen und gefährlichen Werkzeugen in Verwendungsabsicht ist Nr. 1 lit. b zwar tatbestandlich verwirklicht, tritt jedoch grundsätzlich im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter Nr. 1 lit. a zurück. Eigenständige Bedeutung kann Nr. 1 lit. b in solchen Fällen aber bei Irrtümern sowie bei fehlender prozessualer Nachweisbarkeit erlangen.
Bsp. (1):A stiftet den T an, einen Diebstahl unter Mitführung einer Schusswaffe zu begehen und diese notfalls auch zum Einsatz zu bringen. T hingegen ist das Beisichführen einer Schusswaffe zu gefährlich. Stattdessen nimmt er nur Handschellen mit, um den Widerstand etwaiger Widersacher zu überwinden. – T macht sich (nur) nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b strafbar. A kann mangels Haupttat nicht nach §§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Var. 1, 26 bestraft werden. Da sich jedoch der Vorsatz des A auch auf den Einsatz erstreckt und in jedem gefährlichen Werkzeug auch ein „sonstiger (ungefährlicher) Gegenstand“ nach Nr. 1 lit. b zu sehen ist, hat er sich nach §§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, 26 strafbar gemacht. Dass A anstelle der Pistole Handschellen mitführte, stellt eine unbeachtliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf dar.
Bsp. (2):T wird eines Diebstahls überführt. Dabei kann jedoch nicht nachgewiesen werden, dass es sich bei dem mitgeführten Gegenstand um ein gefährliches Werkzeug nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Var. 2 handelt. Bewiesen ist aber, dass T den Gegenstand mitführte, um ggf. den Widerstand einer anderen Person zu überwinden. – In dubio pro reo muss zwar davon ausgegangen werden, dass der mitgeführte Gegenstand kein gefährliches Werkzeug darstellt. Da jedoch ein Verwendungsvorbehalt nachgewiesen werden kann, ist – unabhängig von der Gefährlichkeit des Werkzeugs – § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b verwirklicht.
206 a)Erfasst werden sollen von Nr. 1 lit. b alle Gegenstände, die keine Waffen oder gefährlichen Werkzeuge i. S. d. Nr. 1 lit. a sind, aber Widerstand durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt verhindern oder überwinden sollen. Ob diese bei ihrem Einsatz erhebliche Verletzungen i. S. v. § 224 Abs. 1 Nr. 2herbeiführen können oder nicht, ist unerheblich 532. Unter Nr. 1 lit. b fallen insbesondere die bei Nr. 1 lit. a ausgeschiedenen ungefährlichen Werkzeuge wie kleine Messer, Scheren oder Feilen. Erfasst werden aber auch Gegenstände, die sich – wie Handschellen, Klebebänder, Schnüre, Krawatten und Gürtel – zum Fesseln und Knebeln eignen.
207 aa)Richtigerweise fallen auch sog. Scheinwaffen(Spielzeugpistolen, Bombenattrappen, ungeladene echte Schusswaffen usw.), die nicht zur Herbeiführung von schweren Verletzungen i. S. v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 geeignet sind, jedoch den äußeren Anschein hierzu erwecken, unter Nr. 1 lit. b 533. Die historische Auslegung zeigt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Scheinwaffen von der gleichlautenden Vorschrift des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b weiterhin erfasst werden sollten 534, zumal dort die Mindeststrafe mit dem 6. StrRG abgesenkt und damit ein Haupteinwand gegen die Einbeziehung beseitigt wurde. Auch zeigt die Gleichstellung der Gewalt- mit der Drohungsalternative in systematischer Hinsicht, dass die Drohung mit einer objektiv ungefährlichen Scheinwaffe dem Gefährlichkeitspotential der Gewaltanwendung entspricht 535. Auch Sinn und Zweck der Strafschärfung sind verwirklicht, weil der Täter in intensiverer Art und Weise in die Opfersphäre eingreift 536. Sieht man dies anders und verlangt aufgrund der vom Täter vorgesehenen Verwendung eine abstrakte Eignung der mitgeführten Gegenstände zur Gefährdung von Leib und Leben des Opfers 537, so schränkt man den Anwendungsbereich der Vorschrift contra legem zu sehr ein.
Bsp.:Nr. 1 lit. b ist verwirklicht, wenn T eine täuschend echt aussehende Wasserpistole mit sich führt, mit der er im Falle von Schwierigkeiten beim Diebstahl das Opfer bedrohen möchte.
208 bb)Bereits vor dem 6. StRG von der Rechtsprechung befürwortete Einschränkungen 538sind nach dem Willen des Gesetzgebers weiterhin zu beachten 539. Demnach muss die durch die Drohung bewirkte Einschüchterung des Opfers von der Beschaffenheit des verwendeten Gegenstandes und nicht allein von der Täuschungskraft des Täters ausgehen. Der Gegenstand muss daher nach seinem äußeren Erscheinungsbild täuschend echt wirken, so dass er aus Opfersicht dazu geeignet ist, bei seiner Verwendung erhebliche Verletzungen hervorzurufen; offensichtlich ungefährliche Gegenstände werden nicht erfasst 540.
Bspe.:Erfasst werden sollen täuschend echt aussehende Spielzeugpistolen, Bombenattrappen, Injektionsspritzen 541oder ein metallischer Gegenstand, der dem Opfer in den Nackenbereich gedrückt wird 542.
Gegenbspe.:Nicht ausreichend soll sein ein in den Rücken gedrückter Labello-Stift 543, eine in der Hand schmelzende Lakritzpistole 544, ein in der Hand gehaltenes Holzstück mit der Ankündigung, bewaffnet zu sein 545oder der unter der Jacke ausgestreckte Zeigefinger mit der Behauptung, eine Waffe zu tragen.
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