177 bb) Sonstige Waffenim technischen Sinne sind mechanische und chemische Waffen. Zu den mechanischen Waffen gehören alle Hieb-, Stoß-, und Stichwaffen, wie z. B. Butterfly-Messer, Dolche, Springmesser, Stahlruten, Schlagringe, Gummiknüppel, Handgranaten, Molotow-Cocktails. Chemische Waffen sind Kampfstoffe sowie Gaspistolen, soweit diese nicht als Schusswaffe einzustufen sind.
178 (1)Maßgeblich ist, dass die Gegenstände objektiv zur Verursachung erheblicher Verletzungen bestimmt sind 447. Auszuscheiden sind daher Alltagsgegenstände, welche zwar aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit, nicht jedoch auf Grundlage ihrer Zweckbestimmung als Angriffs- oder Verteidigungsmittel einzustufen sind.
Bspe.:Übliches Taschenmesser, Axt, Fleischermesser, Baseballschläger, Schraubenzieher. Im Einzelfall ist jedoch zu prüfen, ob diese von § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Var. 2 oder Nr. 1 lit. b erfasst werden.
179 (2)Streitig ist, ob Schreckschusswaffen technische Waffen sind. Vor allem die Rechtsprechung bejaht dies aufgrund der mit Schusswaffen vergleichbaren Gefährlichkeit und dem Umstand, dass diese in großem Umfang auch tatsächlich für Angriffs- oder Verteidigungszwecke verwendet werden 448. Dabei soll es weder auf die Entfernung zum Opfer ankommen 449noch soll es eine Rolle spielen, ob die Waffe am Kopf oder Körper des Opfers angesetzt werden kann 450. Entscheidend ist vielmehr, ob der Explosionsdruck nach vorne durch den Lauf austritt 451. Dagegen wird eingewandt, dass allein die Ähnlichkeit mit einer Schusswaffe die Einstufung nicht rechtfertige und ansonsten auch viele andere Gegenstände als Waffen im technischen Sinne eingestuft werden müssten 452. Auch sei zu beachten, dass es nicht auf die tatsächliche Verwendung als Waffenersatz, sondern die Zweckbestimmung ankomme. Für die Rechtsprechung spricht aber, dass Schreckschusspistolen auch vom Waffengesetz als technische Waffen angesehen werden (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 i. V. m. Anlage 1 WaffG) und ihre Wirkung durchaus mit Gaspistolen vergleichbar ist 453.
180 cc)§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a lässt das Beisichführen einer Waffegenügen. Die spezifische Gefährlichkeit kommt freilich nur zum Tragen, wenn der Täter oder ein Beteiligter sie in enger Beziehung zur Diebstahlstat mitführt. Dabei ist ein Beisichführen nur bei beweglichen Gegenständen, nicht aber etwa bei einer fest installierten Selbstschussanlage möglich 454. Zu unterscheiden sind im Übrigen eine räumliche, eine zeitliche und eine personelle Komponente.
181 (1) Die räumliche Komponenteverlangt, dass die Waffe jederzeit griffbereit sein muss, damit der Täter sich ihrer bei der Tatausführung zeitnah bedienen kann 455. Nicht erforderlich ist jedoch, dass sich die Waffe unmittelbar am Körper befindet oder der Täter sie gar in seinen Händen hält 456. Daher genügt es, wenn der Täter die Waffe samt Munition in einem Rucksack bei sich führt, da hier ein Einsatz ohne größere zeitliche Zäsur möglich ist 457. Ausreichend ist es auch, wenn der Täter die Waffe oder das Werkzeug im Vorfeld der Tat am Tatort deponiert hat 458.
Bsp. (1): 459T parkt seinen Wagen mit einer Waffe im Kofferraum 200 m entfernt von dem Supermarkt, in dem er einen Diebstahl begeht. – Da T hier nicht ohne weiteres in der Lage ist, die Waffe zum Einsatz zu bringen und damit das von der Vorschrift vorausgesetzte Gefährdungspotential nicht vorliegt, ist § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a zu verneinen.
Bsp. (2): 460T nimmt in der Küche des O Geld weg, wobei auf der Spüle ein Küchenmesser liegt. – Hier führt T das Messer ungeachtet seiner Eigenschaft als gefährliches Werkzeug nicht mit sich; ansonsten wäre bei jedem Diebstahl in Wohnungen § 244 verwirklicht. Entsprechendes ergibt sich auch, wenn man auf ein „bewusst gebrauchsbereites“ Beisichführen abstellt 461oder den Werkzeugcharakter aufgrund der konkreten Tatsituation 462oder einer subjektiven Verwendungsabsicht verneint 463.
182 (2)Die zeitliche Komponenteverlangt, dass dem Täter die Waffe zu irgendeinem Zeitpunkt während der Tat zur Verfügung gestanden haben muss. Nicht erforderlich ist dagegen, dass diese während der gesamten Tatausführung griffbereit ist 464. Ausreichend ist nach h. M. ferner, dass die funktionsfähige Waffe – und entsprechend das gefährliche Werkzeug i. S. d. Var. 2 – selbst Gegenstand der Wegnahme und damit Diebstahlsobjekt ist, weil mit Begründung der Verfügungsmacht über die Waffe die erhöhte Gefährlichkeit einhergeht 465. Zu beachten ist, dass das bloße Mitführen einer Waffe noch keinen Versuch des Diebstahls begründet, da der Versuchsbeginn des Grunddelikts unabhängig von der Qualifikation zu beurteilen ist und das Beisichführen noch kein unmittelbares Ansetzen zur Wegnahme darstellt 466.
183Umstritten ist, in welcher Phase der Deliktsverwirklichung der Täter die Waffe bei sich führen muss. In Bezug auf den Tatbeginn muss zumindest die Schwelle zum Versuch überschritten sein, so dass die Mitführung im Vorbereitungsstadium nicht genügt 467. Fraglich ist dagegen, ob es auch noch ausreicht, dass der Täter die Waffe nur im Beendigungsstadiumbei sich führt.
Bsp.:T steigt zu einem Diebstahl in den Geschäftsraum des O ein. Die Schusswaffe versteckt er 200 m entfernt im Wagen. Als T unerwartet von O überrascht wird, gelingt es ihm noch, mit der Beute in einer Sporttasche zu fliehen und vor dem B mit dem Wagen davonzufahren. – Mit dem Einstecken der Beute in die mitgebrachte Tasche (Gewahrsamsenklave) liegt ein vollendeter Diebstahl vor. § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ist zu diesem Zeitpunkt nicht verwirklicht, da mangels räumlicher Nähe keine Zugriffsmöglichkeit auf die Waffe bestand. Die Waffe stand T daher erst zwischen Vollendung und Beendigung der Tat zur Verfügung.
184Die h. M. bejaht die Qualifikation auch in der Beendigungsphase, da die Vollendung mitunter schwer zu bestimmen und das Mitführen der Waffe in diesem Deliktsstadium – vor allem während der Flucht – oftmals genauso gefährlich sei 468. Dagegen spricht aber, dass die Strafschärfung des § 244 an den Grundtatbestand des § 242 anknüpft, dieser aber nur die Vollendung tatbestandlich fixiert. Das Heranziehen der tatsächlichen Beendigung der Tat lässt sich daher nicht in Einklang mit Art. 103 Abs. 2 GG bringen 469. Zudem wird die Phase der Beutesicherung von § 252 (ggf. i. V. m. § 250) erfasst, dessen Voraussetzungen ansonsten unterlaufen würden 470.
185Fraglich ist, ob ein Teilrücktrittvon § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a (Nr. 1 lit. b) möglich ist, wenn der Täter die bei sich geführte Waffe während der Tatausführung wieder wegwirft. Dann bliebe nur eine Strafbarkeit nach § 242. Zwar ist die Figur des Teilrücktritts von der Qualifikation grundsätzlich anzuerkennen 471, jedoch muss man sehen, dass mit dem Beisichführen die Qualifikation bereits vollendet ist, so dass ein Rücktritt nach § 24 gar nicht in Betracht kommt 472. Möchte man darauf abstellen, dass in diesen Fällen kein erhöhtes Strafbedürfnis besteht, da die abstrakte Gefahr beseitigt wird und noch keine konkrete Gefahr eingetreten ist, so kann man allenfalls die Grundsätze über die tätige Reue heranziehen 473. Im Übrigen müsste man schon mit einer restriktiven Auslegung des Merkmals „Beisichführen“ ansetzen und für dessen Vollendung verlangen, dass die in dem Beisichführen der Waffe liegende Gefahr „real werden könnte“, indem sie mit der Sphäre des Opfers in Verbindung kommt 474.
186 (3)Letztlich ist die personelle Komponentezu beachten. Sowohl der Täter als auch ein anderer Beteiligter i. S. v. § 28 Abs. 2 (Mittäter, Anstifter oder Gehilfe) kann die Waffe bei sich führen.
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