Die Geschichte der Südtiroler Bergführer
Verband der Südtiroler Berg- und Skiführer (Hrsg.)
J. Christian Rainer
„Südtirol mit seinen Bergführer-Dynastien – von den Innerkoflers bis zu den Pinggeras – hat eine große Tradition im Führerwesen. Heute sind es die Schulen und Spitzenalpinisten, die dieser Geschichte Ausdruck verleihen.“
Reinhold Messner
Erstbesteiger gehen in die Geschichte ein, doch kaum ein Gipfel wurde in der Frühzeit des Alpinismus ohne Bergführer erklommen. Ihre Namen blieben weitgehend unbekannt. Während sich anfangs noch jeder als Bergführer bezeichnen konnte, mussten bald Prüfungen abgelegt werden. Von all dem erzählt die 200-jährige Geschichte der Südtiroler Bergführer und spiegelt dabei die Entwicklung von Alpinismus und Tourismus wider. So vielfältig Bergführerinnen und Bergführer sind, verbindet sie eines: die Leidenschaft – für die Berge, die Natur und den Umgang mit Menschen.
Mit vielen historischen Fotos, Porträts, Anekdoten und Zitaten
01 Die Anfänge 01 DIE ANFÄNGE Mit Rock, Hut und Alpenstange: 1887 führt ein Bergführer namens Mair eine gemischte Seilschaft auf den Übeltalferner in Ridnaun. Sehnsuchtsziel: Stiche wie dieser vom Cristallo locken zuallererst britische Bergsteiger in die Dolomiten.
Weil er da ist
Auf dem Spielplatz Europas
Chaos und Ordnung
Tirol lässt sich Zeit
Bergführer mit Brief und Siegel
02 Auf dem Weg ins goldene Zeitalter
Der Motor ist angeworfen
Die Macht des Alpenvereins
Das goldene Zeitalter des Bergführerwesens
Geführtes Wandern und führerloses Bergsteigen
Das Dilemma der Bergführer: Gott oder Gast
03 Licht und Schatten
Hungerleider oder Neureiche?
Neues Jahrhundert, neue Saison
Stürmischere Zeiten
Der erste Verband entsteht… fast
Von Königen und Soldaten
04 Ende mit Schrecken: Der Erste Weltkrieg
Schaumgebremster Kriegsbeginn
Wenn der Krieg plötzlich vor der Tür steht …
Aus Soldaten werden Bergführer
Das Ende
05 Neuer Start in neuem Staat: Die Zwischenkriegszeit
Gigantischer Scherbenhaufen
Aufbruch ins Ungewisse
Schwarze Gleichschaltung
Viele Köche, wenig Brei
Führerlos in die Berge
06 Bergführer in Uniform: Militarisierung, Option und Krieg
Magere Jahre und ein Krieg am Horizont
Die Wahl zwischen Pest und Cholera
Kampf an der Front statt Kampf um den Berg
07 Von neuen Anfängen und alten Problemen
Neuanfang mit Altlasten
Der Trend zeigt nach oben
Südtiroler Regeln für Südtiroler Führer?
Neue Regeln, alte Fragen
08 Neue Gebiete, neue Modelle, neue Politik
Der Blick geht über die Grenzen
Neues Businessmodell: die Alpinschule
Neue Weichen für alles – auch für Bergführer
09 Ein neuer Player: der Bergführerverband
Wo die Nachfrage steigt, steigt das Angebot
Das Land macht Druck, die Vereine verhandeln
Freiwillig gemeinsam: der Südtiroler Bergführerverband
10 Offene Grenzen, europäische Führer
Neue Horizonte
Auf in den gemeinsamen europäischen Markt
Zurück in die Eisenzeit?
11 Was war? Was ist? Was kommt?
Der größte Unterschied? Mehr Arbeit
Den Bergführer gibt’s nicht mehr
Digitale Ordnung und analoge Wildnis
Wohin geht die Reise?
12 Schön und gut
Ein guter Bergführer: Was ist das denn?
Und das Schönste zum Schluss
Mit Rock, Hut und Alpenstange: 1887 führt ein Bergführer namens Mair eine gemischte Seilschaft auf den Übeltalferner in Ridnaun.
Sehnsuchtsziel: Stiche wie dieser vom Cristallo locken zuallererst britische Bergsteiger in die Dolomiten.
„Because it’s there.“ Wenn es um die Frage geht, warum Menschen auf einen Berg steigen, wird gern George Leigh Mallory bemüht, der wohl beste Alpinist seiner Zeit. „Weil er da ist“, antwortete Mallory 1923 auf die Frage, warum er den Mount Everest besteigen wolle.
Die Antwort hätte einfacher nicht ausfallen können und ist wohl auch deshalb im kollektiven Gedächtnis hängen geblieben: als genialer Slogan, als Jahrhundertzitat, als Credo des Alpinismus in vier Worten. „Weil er da ist.“ Wer diesen Satz aber nur für flapsig hält, tut seinem Urheber Unrecht. Im Interview, aus dem das Zitat stammt, schiebt Mallory die Erklärung nach, dass die schiere Existenz des Berges eine Herausforderung darstelle. Die Antwort auf die Frage, warum man ihn besteigen wolle, komme deshalb instinktiv, führt Mallory aus, sie sei Teil der menschlichen Sehnsucht, das Universum zu erobern.
Das Universum erobern
„Because it’s there. Everest is the highest mountain in the world, and no man has reached its summit. Its existence is a challenge. The answer is instinctive, a part, I suppose, of man’s desire to conquer the universe.“
George Leigh Mallory, „New York Times“, 18. März 1923
So menschlich, wie der Engländer Mallory behauptet, ist die Sehnsucht nach der Eroberung des Universums (und damit auch der Berge) aber nicht, vielmehr ist er mit dieser Einstellung ganz Kind seines Heimatlandes und seiner Epoche. Dreht man die Zeit 200 Jahre zurück und wechselt von den Britischen Inseln in die Alpen, ist die Existenz eines Berges für die Einheimischen alles, nur keine Herausforderung. Ihre Berge sind für die Älpler über Jahrtausende Ressource, aber auch und vor allem Gefahr und Bedrohung. Zudem stehen sie schlicht im Weg, wenn der kürzeste Weg von A nach B gesucht wird, denn der führt nie über die Gipfel, sondern stets über die Pässe.
Auf Berge gestiegen wird nur, wenn es gar nicht anders geht – und nur so hoch, wie es unbedingt sein muss. Hirten steigen zu ihrem Vieh hinauf, Jäger zum Wild, Kristallsammler zu den Adern, aber ein Vergnügen ist das Bergsteigen bis etwa Mitte des 18. Jahrhunderts nicht. Auf Berge zu steigen, war also über den größten Teil der Menschheitsgeschichte kein Dürfen, sondern ein Müssen. Dass die ersten Bergsteiger in einem moderneren Sinne keine Älpler, keine Bergler, sondern Städter sind, verwundert vor diesem Hintergrund nicht. Erste Gipfel werden von den „Zuagroastn“ erstiegen und meist ist zu Beginn auch die Geistlichkeit mit von der Partie, die auf den Bergen nicht nur die Nähe zu Gott, sondern auch wissenschaftliche Erkenntnisse sucht. Überhaupt spielt die Wissenschaft bei den ersten Bergtouren eine große Rolle – ob tatsächlich oder nur vorgeschoben, sei dahingestellt. Dass man das Besteigen von Bergen aber nach außen in den Dienst der Wissenschaft stellt, in jenen der Geologie und Geografie, der Glaziologie und Topografie, der Medizin, Botanik und Meteorologie, zeigt, dass die Zeit offensichtlich noch nicht reif ist für ein zweckfreies Bergsteigen, ein Bergsteigen um des Bergsteigens willen, ein Bergsteigen, dem als Grund genügt: weil der Berg da ist.
Im heroischen Kampf gegen eine unbändige Natur: Das Bergsteigen passt perfekt zum Menschenbild des 19. Jahrhunderts.
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