24 b) Grundgesetzliche Ausgestaltungen.Das Grundgesetz konstituiert die Bundesrepublik mit den zwei staatlichen Ebenen Bund und Länder („zweigliedriger Bundesstaatsbegriff“). Die Kommunen – d. h. Gemeinden und Gemeindeverbände – bilden zwar keine dritte Stufe im Staatsaufbau, sondern sind staatsorganisationsrechtlich Teil der Länder (und zwar der Exekutive). Sie sind gleichwohl als weitere Verwaltungsebene neben Bund und Ländern wahrnehmbar. Unmittelbare finanzielle Transfermöglichkeitenzwischen dem Bund und der kommunalen Ebene bestehen dabei wegen der Zweistufigkeit des Staatsaufbaus grundsätzlich nicht. Im Zuge der Föderalismusreform I (2006) wurde konkret geregelt, dass der Bund weder neue Aufgaben auf die Kommunen übertragen noch bestehende Aufgaben zukünftig erweitern darf (Art. 84 Abs. 1 Satz 6 und Art. 85 Abs. 1 Satz 2 GG), sog. Aufgabendurchgriffsverbot. 9
25Den Kommunen wird als zentrale bundesverfassungsrechtliche Gewährleistung über Art. 28 Abs. 2 GG die kommunale Selbstverwaltung institutionell garantiert.Damit wird nicht der Bestand der einzelnen Gemeinde gesichert, sondern nur gewährleistet, dass es Gemeinden und Gemeindeverbände als Träger öffentlicher Verwaltungsfunktionen überhaupt geben muss. Diese Garantie gilt nur für Gemeinden und Gemeindeverbände. Allerdings werden hier nur solche Gemeindeverbände angesprochen, die eine ähnliche Allzuständigkeit wie die Gemeinden haben. 10Dies trifft auf die Landkreisezu, nicht aber auf die Zweckverbände und die meisten übrigen kommunalen Zusammenschlüsse. 11Umstritten ist diese Frage indes mit Blick auf die Gemeindeverwaltungsverbändenach baden-württembergischen Recht (§ 59 Satz 1 Alt. 1 GemO). 12Ganz Überwiegendes spricht dafür, auch diese kommunalen Zusammenschlüsse wegen ihres etwa gegenüber den artverwandten Zweckverbänden erweiterten Aufgabenbestandes verfassungsrechtlich der gemeindeverbandlichen Schutzgarantie zu unterstellen. 13
26Weiterhin erlegte sich der Bund über Art. 28 Abs. 3 GG eine Garantiepflichtfür die Erhaltung der kommunalen Selbstverwaltung auf. Zur Sicherstellung dieser Garantie steht den Gemeinden und Gemeindeverbänden nach § 91 Abs. 1 Nr. 4b BVerfGG die Verfassungsbeschwerdemit der Behauptung zu, ein Gesetz des Bundes oder des Landes verletze die Vorschrift des Art. 28 GG. Über die Verfassungsbeschwerde entscheidet das BVerfG (§ 13 Nr. 8a BVerfGG).
27Obwohl die Gemeinden den Ländern an- bzw. eingegliedert sind, bestehen zwischen ihnen und dem Bund wichtige sachliche Beziehungen. Diese ergeben sich schon daraus, dass der überwiegende Teil der Bundesgesetze nach näherer landesrechtlicher Bestimmung von den Gemeinden oder den Gemeindeverbänden ausgeführt wird.
28 c) Landesverfassungsrechtliche Garantien.Neben dem Grundgesetz stehen die landesverfassungsrechtlichen Garantien der Selbstverwaltung. In Baden-Württemberg sind dies vor allem die in den Art. 71 bis 76 LV verbürgten Grundsätze, die ihrerseits durch die Art. 25 und 69 LV flankiert werden. Die landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Selbstverwaltung – vor allem in Art. 71 LV – reichen weiter als die als Mindestgarantie verstandene Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 GG. 14Hier wird auch den Zweckverbänden und sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften(dazu gehören z. B. Regionalverbände, Nachbarschaftsverbände und der Verband Region Stuttgart) das Recht auf Selbstverwaltung garantiert.
29Weiterhin verpflichtet sich das Land, in Anlehnung an Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG für eine ausreichende Finanzausstattungder Gemeinden und Gemeindeverbände zu sorgen und Mehrbelastungen durch die gesetzliche Übertragung neuer öffentlicher Aufgabenfinanziell auszugleichen (Art. 71 Abs. 3 LV). 15Zum Ausgleich gehören nicht nur die Zweckausgaben, sondern auch der Verwaltungsaufwand. Dies gilt sowohl für den Bereich der Weisungsaufgaben als auch für weisungsfreie Pflichtaufgaben. Die Bestimmungen zur Kostendeckung und zum Mehrbelastungsausgleich sind in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Aufgabenübertragung zu treffen. 16Diese Ausgleichspflicht besteht allerdings nicht bei einer Aufgabenübertragung durch Bundesgesetz 17; diese ist infolge der Einführung des sog. Aufgabendurchgriffsverbots in Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG ohnehin unzulässig. 18
30Andererseits bringt aber Art. 75 LV eine gewisse Einschränkung der Selbstverwaltung insoweit, als eine Staatsaufsicht (Kommunalaufsicht)dort von Verfassungs wegen vorgesehen ist. 19Diese Einschränkung ist zulässig, da auch die Elemente der Selbstverwaltung ähnlich wie die Gemeinden und die Gemeindeverbände selbst keiner absoluten Bestandsgarantie, sondern nur einer institutionellen Garantie unterliegen. Das Erfordernis einer staatlichen Aufsicht über die Kommunen erklärt sich aber auch daraus, dass diese trotz der u. a. mit dem Selbstverwaltungsrecht verliehenen organisationalen Autonomie und rechtlichen Selbständigkeit in die Exekutive des Landes eingegliedert („inkorporiert“) sind. Die Aufsicht versteht sich insoweit als „Korrelat der Selbstverwaltung“. 20
31Art. 76 LV räumt den Gemeinden und den Gemeindeverbänden das Recht ein, mittels eines Normenkontrollantrags beim Staatsgerichtshofdie Übereinstimmung von Landesgesetzen mit den Art. 71 bis 75 LV überprüfen zu lassen. Unterparlamentsgesetzliche Normen – d. h. insb. Rechtsverordnungen – sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Das BVerfG hat allerdings klargestellt, dass die Subsidiaritätsanordnung nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG auch bei Bestehen einer landes-(verfassungs-)rechtlich geschaffenen Rechtsschutzmöglichkeit wie in Art. 76 LV bezüglich der hiervon nicht umfassten Normen die Überprüfungsmöglichkeit mittels Bundeskommunalverfassungsbeschwerde eröffnet bleibt. 21
32Die den Kommunen als Gesamtvolumen zur Verfügung stehenden Finanzmittel müssen für die Erfüllung ihrer Aufgaben ausreichen(Art. 73 Abs. 1 LV). Das Land hat damit für eine Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen, die ihnen eine „angemessene und kraftvolle Erfüllung ihrer Aufgaben erlaubt und nicht durch eine Schwächung der Finanzkraft zu einer Aushöhlung des Selbstverwaltungsrechts führt“. 22Art. 73 Abs. 1 LV stellt damit (im Gegensatz zu dem Ausgleichsanspruch des Art. 71 Abs. 3 LV) auf die gesamte Finanzkraft der Kommunen ab. 23
3.Gesetzliche Grundlagen und Rechtsverordnungen
33Neben den durch die GemO selbst statuierten rechtlichen Grundlagen des Gemeindeverfassungsrechts findet sich überdies eine gewisse Zahl von Rechtsverordnungen, die auf Grundlage der Ermächtigung in § 144 GemO erlassen worden sind und überwiegend der Konkretisierung der GemO durch Erlass von Detailregelungen dienen.
34Es sind dies vor allem die folgenden Rechtsverordnungen (nachfolgend auch „VO“ abgekürzt):
– Die VO des Innenministeriums zur Durchführung der Gemeindeordnung(DVO GemO),
– die Gemeindehaushaltsverordnung(GemHVO),
– die Gemeindekassenverordnung(GemKVO) und die
– die Gemeindeprüfungsordnung(GemPrO).
35Weitere Einzelregelungen wurden auf parlamentsgesetzlicher Grundlage getroffen, so im Kommunalwahlgesetz(KomWG), im Eigenbetriebsgesetz(EigBG), im Finanzausgleichsgesetz(FAG) und im Kommunalabgabengesetz(KAG).
36Die gesetzlichen Grundlagen des Gemeinderechts gehören als Teil des besonderen Verwaltungsrechts dem öffentlichen Recht an. Allerdings gibt es auch gewisse Berührungspunkte mit dem Privatrecht (z. B. im Bereich des rechtsgeschäftlichen Handelns). Daneben können sich die Kommunen nach dem Grundsatz der Wahlfreiheitgegenüber ihren Einwohnern generell auch privatrechtlicher Gestaltungsmittel bedienen, sofern nicht zwingend öffentlich-rechtliche Handlungsformen vorgegeben sind.
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