166Zuletzt erfordert die notarielle Beurkundunggem. § 128 BGB i. V. m. §§ 8 ff. BeurkG, dass der Notar eine Niederschrift über den Vertrag fertigt, diese den Beteiligten vorliest und sie sodann von ihnen genehmigt und unterschrieben wird. Anstelle der notariellen Beurkundung genügt bei einem gerichtlichen Vergleich die Aufnahme der Erklärungen in das Protokoll, § 127a BGB.
167Beispiele für das Erfordernis einer notariellen Beurkundung sind Eheverträge gem. § 1410 BGB, Anträge auf Adoption eines Kindes gem. § 1752 Abs. 2 S. 2 BGB und Anträge auf Aufhebung der Adoption gem. § 1762 Abs. 3 BGB.
168Die jeweils gesetzlich vorgesehene Form ist dabei als Mindestanforderungzu verstehen, das heißt, sie kann durch eine strengere, nicht aber durch eine einfachere Form ersetzt werden.
169Auch vertraglich können Formerfordernisse vereinbart werden („Änderungen dieses Vertrags bedürfen der Schriftform.“). Hierbei handelt es sich um sog. gewillkürte Formerfordernisse, deren Nichtbeachtung nach § 125 S. 2 BGB im Zweifel gleichfalls zur Nichtigkeit führt. 37
2.Verstoß gegen gesetzliche Verbote
170Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, wenn sich nicht etwas anderes aus dem Gesetz ergibt.
171Beispiele für eine solche Nichtigkeit sind Verträge über Schwarzarbeit oder Auftragsmord. Im Bereich des Familienrechts sind wegen § 1361 Abs. 4 S. 4 i. V. m. §§ 1360a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB Eheverträge nichtig, die einen Verzicht auf Trennungsunterhalt für die Zukunft regeln. Gleiches gilt unmittelbar nach § 1614 Abs. 1 BGB für Verträge, mit denen für die Zukunft auf Verwandtenunterhalt verzichtet werden soll, sowie für eine Erklärung, auf den Umgang zwischen Kind und Elternteil zu verzichten. 38
172Nach § 138 Abs. 1 BGB sind sittenwidrige Rechtsgeschäfte nichtig. Dabei liegt nach der Rechtsprechung eine Sittenwidrigkeit dann vor, wenn das Rechtsgeschäft gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkendenverstößt. 39
173Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Betonung des Wortes „aller“: Erfasst werden sollen nur eindeutige Fälle, nicht solche, die lediglich dem Wertesystem einzelner widersprechen. Herangezogen werden kann insoweit auch die sich aus dem Grundgesetz, insbesondere den Grundrechten ergebende Werteordnung.
174Die Vorstellungen über das, was sittenwidrig sein soll, unterliegen zudem einem gesellschaftlichen Wandel. So kann heute nicht mehr davon ausgegangen werden, dass geschlechtliche Beziehungen außerhalb der Ehe generell sittenwidrig wären. 40Im Einzelnen hat sich zur Frage der Sittenwidrigkeit eine umfangreiche Rechtsprechung herausgebildet.
175Danach wird z. B. aus dem Bereich des Familienrechtsals sittenwidrig angesehen:
• der Verzicht auf das elterliche Umgangsrecht gegen Freistellung von Unterhaltsansprüchen, 41
• die Vereinbarung eines Entgelts für das Eingehen der Scheinehe, 42
• das Eheversprechen eines (noch) Verheirateten oder (bereits) Verlobten, 43
• ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei einer schwangeren Frau, die ihre Berufstätigkeit aufgeben soll, 44
• eine Vereinbarung, nach der die nichteheliche Vaterschaft verschwiegen und im Gegenzug kein Unterhalt geltend gemacht werden soll, 45
• Leihmutterverträge, 46
• Rechtsgeschäfte über eine Samenspende zur Durchführung einer heterologen Insemination, die das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung nicht gewährleisten, 47und
• Verträge, in denen im Gegenzug für einen Verzicht auf das Umgangsrecht eine Freistellung von der Unterhaltspflicht vereinbart wird. 48
176Diese Beispiele sollen genügen, um einen ersten Eindruck zu bekommen, was unter den Begriff des Verstoßes gegen die guten Sitten subsumiert werden kann. Wenn Sie in der Praxis unsicher sind, ob die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB vorliegen, wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als sich mit der entsprechenden Einzelfallrechtsprechungzu befassen. Eine gute Übersicht dazu bieten die Kommentare, etwa der „Palandt“.
VII.Anfechtung von Willenserklärungen
177Liegt ein Rechtsgeschäft vor, das wirksam geschlossen wurde und auch nicht aus sonstigen Gründen nichtig ist, dann führt das dazu, dass unter den Beteiligten zunächst Rechtsansprüche entstehen.
178Diese Ansprüche können aber durch Anfechtung rückwirkend entfallen. Denn nach § 142 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das wirksam angefochten wird, als von Anfang an nichtiganzusehen.
179Erforderlich dazu ist zweierlei: zum einen ein Anfechtungsgrund, zum anderen die Erklärung der Anfechtunginnerhalb der jeweils vom Gesetz vorgegebenen Frist. Diese Erklärung erfolgt nach § 143 BGB gegenüber dem Anfechtungsgegner, in der Regel also dem Vertragspartner.
180Der Inhaltsirrtum wird durch § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB geregelt. Danach ist eine Willenserklärung grundsätzlich anfechtbar, wenn der Erklärende über deren Inhalt im Irrtum war.
Beispiel:
Ein Käufer bestellt 25 Gros Rollen WC-Papier in der Annahme, „Gros“ bedeute, dass es sich um besonders große Rollen handele. Tatsächlich ist Gros jedoch die (veraltete) Bezeichnung für ein Dutzend Dutzend, also 144. Der Käufer hat damit, ohne es zu wissen, statt 25 insgesamt 3.600 Rollen WC-Papier bestellt. 49
181Weitere Voraussetzung für eine Anfechtbarkeit wegen eines Inhaltsirrtums ist, dass anzunehmen ist, dass der Erklärende seine Willenserklärung bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte. Der Irrtum muss für die Erklärung also gerade ursächlichgewesen sein. Im Beispiel ist das unproblematisch gegeben. Denn der Käufer würde wahrscheinlich keine 3.600 Rollen Toilettenpapier bestellt haben wollen.
182Die Anfechtung muss zum Schutz des Geschäftspartners, der auf den Inhalt der Erklärung vertrauen durfte, nach § 121 Abs. 1 BGB unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat.
183Ein Erklärungsirrtum liegt nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB vor, wenn der Erklärende eine entsprechende Erklärung überhaupt nicht abgeben wollte.
Beispiel:
Der Käufer möchte dem Verkäufer per E-Mail ein Angebot zum Kauf von dessen altem VW Golf III zum Preis von 500,00 € machen. Weil er sich vertippt, bietet er 50.000 €. Der Verkäufer ist hoch erfreut und nimmt das Angebot sofort an.
184Umfasst sind also v. a. Fälle des Vertippens, Verschreibens und Versprechens.
185Ebenso wie beim Inhaltsirrtum ist beim Erklärungsirrtum die Kausalitätdes Irrtums für die Willenserklärung Voraussetzung, was im Beispiel erneut gegeben wäre.
186Zudem muss die Anfechtung zum Schutz des Gegners gem. § 121 Abs. 1 BGB erneut unverzüglicherfolgen, nachdem der Irrtum bemerkt wird.
187Der Eigenschaftsirrtum als Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden, wird durch § 119 Abs. 2 BGB dem Inhaltsirrtum gleichgestellt. Eigenschaftenin diesem Sinn sind neben den auf der natürlichen Beschaffenheit beruhenden Merkmalen auch tatsächliche und rechtliche Beziehungen zur Umwelt, soweit sie nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung oder Verwendbarkeit von Bedeutung sind, 50nicht jedoch der Wert einer Sache als solcher.
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