Stefan Jordan - Einführung in das Geschichtsstudium

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Diese studienpraktische Einführung erleichtert den Einstieg ins Geschichtsstudium. Sie verschafft Überblick über die Universität als Arbeitsplatz und Lebensraum, die Gliederung und Anforderungen des Fachs Geschichtswissenschaft, die grundlegenden Arbeitstechniken und Methodiken, die Arbeits- und Hilfsmittel. Wer sich damit gründlich vertraut macht, kommt schneller und sicher zum Eigentlichen: zur Geschichte und zur Geschichtsschreibung.
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Stefan Jordan

Einführung in das Geschichtsstudium

Reclam

Durchgesehene und aktualisierte Ausgabe 2021

2019 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2019

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961518-9

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019495-9

www.reclam.de

[11] Vorbemerkung zur überarbeiteten und erweiterten Ausgabe 2019

Die erste Auflage dieser Einführung erschien im Jahr 2005 und damit in einer Zeit, in der der grundlegende Umstrukturierungsprozess deutscher wie europäischer Universitäten und Studiengänge noch nicht abgeschlossen war. Inzwischen sind ›Bachelor‹ und ›Master‹ allseits etablierte Studienabschlüsse in einer Fächerlandschaft, die sich seit 2005 weiter differenziert hat. Die von Kritikern als ›Verschulung‹ empfundene Neuorganisation des Studiensystems hatte auch Auswirkungen auf den Literaturmarkt. Das ›Lehrbuch‹ erhielt als Publikationsform starken Aufwind; zahlreiche Einführungen und Handbücher in Teilbereiche der Geschichtswissenschaft, deren Theorien und Methoden sowie die Praxis des Studierens kamen in kurzer Zeit auf den Buchmarkt. Schließlich hat die Digitalisierung des Wissens und des Wissenschaftsbetriebs seit dem Jahr 2005 starke Fortschritte gemacht. Nicht nur stehen seitdem vielmehr Quellen und Literaturtitel im Internet bereit, auch hat sich der Großteil des Formalteils, der zum Studium gehört – von der Studienplatzbewerbung über die Anmeldung für Seminare, das Bestellen von Büchern bis hin zur Anmeldung zur Abschlussprüfung –, in das Internet verlagert.

Die Neuausgabe dieser Einführung in das Geschichtsstudium soll diesen drei Entwicklungen Rechnung tragen. Sie soll zeigen, wie ein Geschichtsstudium in heutigen Studiengängen anzulegen und praktisch durchzuführen ist; sie soll auf wichtige neue, weiterführende Literatur zur [12]Einführung in die Geschichtswissenschaft aufmerksam machen; und sie soll zum Studium der Geschichte im Zeitalter digitaler Ressourcen anleiten. Darüber hinaus bleiben bekannte Elemente erhalten: Auch in der Neuausgabe stehen die Konzeption und der Aufbau von Qualifikationsarbeiten, die Techniken des Bibliographierens und Zitierens sowie weitere formale Hilfestellungen ebenso im Zentrum der Betrachtung wie die Einführung in die Benutzung von Bibliotheken, Archiven und Internetangeboten.

München, 1. Juni 2019 Stefan Jordan

[13]1. Einleitung

Student, Studenten, oder Studirende, Lat. Studentes oder Studiosi , Frantz. Etudians , werden diejenigen Personen genennet, so sich einige Jahre auf Universitäten aufhalten, um eine oder die andere von denen so genannten vier Facultäten zu begreifen, damit sie hernach der Kirchen, Schulen, oder dem gemeinen Wesen, nützliche Dienste leisten mögen.

Diese Definition stammt aus Johann Heinrich Zedlers Grossem vollständigen Universal-Lexicon (Leipzig/Halle 1744, Bd. 40, Sp. 1185). Mit kleinen Modifikationen kann sie auch heute noch gelten: So müsste die Zahl der Fakultäten erweitert werden, zu denen in Zedlers Zeit nur Theologie, Philosophie, Jura und Medizin zählten. War das Geschichtsstudium im 18. Jahrhundert noch Teil des philosophischen Studiums, so hat sich die Geschichtswissenschaft inzwischen ›emanzipiert‹, ist eigenständige Fakultät, Fachbereich oder Department geworden und kann als Fach an Universitäten gelehrt und gelernt werden. Damit erweiterte sich auch das Berufsspektrum, das Zedler auf den Dienst für den Staat, in Kirchen und in (damals noch nicht staatlichen) Schulen einschränkte. Heute stehen Historikern und Historikerinnen zusätzlich viele Arbeitsbereiche in der ›freien Wirtschaft‹ offen, auf die das Studium ebenfalls vorbereiten soll. Und wenn Zedler von ›einigen Jahren‹ spricht, die Studierende auf Universitäten verbringen, so zeigt dies deutlich, dass sein Artikel lange vor den um das Jahr 2000 herum durchgeführten Reformen geschrieben worden [14]sein muss, die mit neuen Studienordnungen, Studiengebühren und der Androhung von Zwangsexmatrikulation das Studium ›effektiv‹ machen sollten. Hieraus ergibt sich für Studierende häufig ein Spagat zwischen einem geforderten schnellen und praxisorientierten Studium und dem Wunsch nach Bildung und Hingabe an ein Studienfach, das sich nicht auf eine Berufsvorbereitung reduzieren lässt.

Damit dieser Spagat gelingt, ist es notwendig, sich möglichst frühzeitig mit den Rahmenbedingungen des Studiums vertraut zu machen, einen persönlichen Studienplan zu entwickeln und das Rüstzeug – die formalen Grundkenntnisse und Tricks – des Historikers zu erwerben. Je weniger der formale Rahmen das Geschichtsstudium belastet, desto mehr Zeit bleibt für dessen Inhalte übrig. Hinweise, Hilfestellungen, Einleitungen und (kommentierte) Literaturtipps hierzu zu geben, ist das Ziel dieses Bandes. Er versteht sich als praxisnahes ›Propädeutikum‹ (= Einführung in die wissenschaftlichen Vorkenntnisse) für alle Bereiche der Geschichtswissenschaft und richtet sich damit an alle Geschichtsstudierenden, solche, die es werden wollen, oder jene, die Geschichtswissenschaft als Hobby betreiben. Die Einführung in das Geschichtsstudium bietet nicht nur Einstiege in die Geschichte und Struktur des Fachs Geschichtswissenschaft; sie zeigt darüber hinaus Wege und Motive auf, wie und warum Geschichte studiert werden kann. Da dieses Studium im universitären Rahmen stattfindet, beschreibt sie auch in kurzen Zügen die Universität als Institution wie als Arbeits- und Lebensraum. Ein weiterer Schwerpunkt der Einführung liegt auf der Übersicht über die verschiedenen Arten historischer Quellen und Literatur sowie dem Umgang mit ihnen: Die [15]historischen Materialien werden vorgestellt, Recherchemöglichkeiten genannt und praktische Hilfestellungen für die Arbeit der Geschichtsstudierenden im Internet, in der Bibliothek und im Archiv gegeben. Zur Praxis des Historikers zählt ganz zentral die Gliederung seines Stoffs, der Aufbau seiner Beweisführung und das Verfassen von Texten: Präsentationen müssen vorbereitet, Referate gehalten, Haus- und Abschlussarbeiten verfasst, Essays und Thesenpapiere geschrieben werden. Diese Leistungen werden in einem auf ›Effektivität‹ bedachten Studienbetrieb oft nur noch oberflächlich vermittelt; sie müssen von Studierenden in Eigeninitiative erworben werden. Diese Einführung will solche Eigeninitiative unterstützen und einen Überblick verschaffen über etwas, das jedem Geschichtsstudierenden zunächst als bedrohlicher Formaldschungel gegenübertritt: das Zitieren.

Nicht zuletzt soll bei alledem die Anwendbarkeit historischen Wissens im Auge behalten werden; Geschichtswissenschaft zu studieren ist keineswegs eine so brotlose Kunst, wie es vielfach in der Öffentlichkeit behauptet wird. Wird das Geschichtsstudium in Hinsicht auf eine Anwendbarkeit des erworbenen Wissens betrieben, dann eröffnen sich Horizonte: für einen Beruf, für die eigene Persönlichkeit und für die Menschen um den Historiker herum – denn Geschichtswissenschaft ist eine Wissenschaft für Menschen, für die Gesellschaft. Die »nützlichen Dienste«, von denen Zedler schon sprach, sind darum auch heute noch höchstes Ziel und zugleich höchste Auszeichnung für jeden, der historischen Wissenschaften nachgeht.

[16]2. Die Universität als Arbeitsplatz und Lebensraum

Wenn jemand sagt: »Ich gehe zur Universität«, kann er damit ganz Unterschiedliches meinen. Am häufigsten wird dieser Satz wohl verwendet, um darauf hinzuweisen, dass man dieses oder jenes Fach studiert. ›Universität‹ wird dann als Ort verstanden, an dem Forschung und Lehre stattfinden. In weiterer Bedeutung kann aber auch die Universität als zusammenhängendes Gefüge öffentlicher Einrichtungen gemeint sein. Sie besteht nicht nur aus Hörsälen, Laboren und Sekretariaten. Zu ihr gehören auch Verwaltungen, Bibliotheken, Kultureinrichtungen, Cafeterien, die Mensa (als Kantine für Studierende und Lehrende), mitunter ein Botanischer Garten, Schwimmbad und Sportanlagen. Die Universität ist nicht allein Stätte der Arbeit, Ort von Bildung und Ausbildung. Sie ist darüber hinaus Lebensraum. ›Zur-Universität-gehen‹ heißt auch: sich mit Menschen zu treffen, in Cafeterien zu sitzen und (nicht nur) über Studium und Wissenschaft zu sprechen, zusammen zu Mittag zu essen, einen Kino- oder Theaterabend einzulegen oder einen Tanzkurs zu besuchen.

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