1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 Beispiel:
Daran fehlt es im Schulbeispiel des Trierer Weinversteigerungsfalls: Der ortsunkundige A besucht eine Weinversteigerung und entdeckt auf dieser den befreundeten B, dem er freudig zuwinkt. Ihm ist dabei nicht bewusst, dass der Auktionator gerade einen Posten Wein zur Versteigerung gebracht hat. Das Winken des A deutet der Auktionator, wie üblich, als Abgabe eines Gebots, erteilt ihm den Zuschlag und verlangt Zahlung.
127Während früher auch in solchen Fällen davon ausgegangen wurde, eine Willenserklärung liege bereits tatbestandlich nicht vor, geht die heute h. M. davon aus, dass der Erklärende und nicht der Erklärungsempfänger das Risiko unvorsichtigen Handelns im Rechtsverkehr tragen muss. Demnach liegt eine Willenserklärung trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins vor, wenn der Handelnde bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als Willenserklärung verstanden werden kann und der Erklärungsempfänger auf den Inhalt des objektiv Erklärten vertraut hat. 23
128Der Geschäftswilleals drittes subjektives Merkmal der Willenserklärung ist die Absicht, eine bestimmte Rechtsfolge zu erreichen. Er unterscheidet sich also vom Erklärungsbewusstsein dadurch, dass dort die Kenntnis dessen ausreicht, irgendeine rechtlich erhebliche Handlung abzugeben.
Ein Beispielfehlenden Geschäftswillens wäre in Abwandlung des Trierer Weinversteigerungsfalls, dass A auf der Weinversteigerung ist, um einen Posten Mouton Rothschild, Jahrgang 1956 zu ersteigern. Weil er durch seinen vorabendlichen Genuss deutlich günstigeren Rotweins ermüdet ist, schläft er zwischenzeitlich ein. Er bietet versehentlich nicht auf den Mouton Rothschild, sondern auf den danach zur Versteigerung gekommenen Chianti aus dem Tetrapak.
129Der Geschäftswille ist nicht notwendiger Inhalt einer Willenserklärung, d. h.: Auch ohne Geschäftswillen ist die Willenserklärung (zunächst) wirksam.
130Allerdings kann eine Willenserklärung, bei der es an Erklärungsbewusstsein oder Geschäftswille fehlt, anfechtbar sein. 24
131Die Geschäftsfähigkeit ist von der Rechtsfähigkeit, also der Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, zu unterscheiden. Sie bedeutet, dass der Betreffende selbst rechtsgeschäftliche Handlungenvornehmen kann, aus denen Rechte und Pflichten erwachsen.
132Dabei geht das Gesetz grundsätzlich davon aus, dass derjenige, der rechtsfähig ist, zugleich geschäftsfähig sein soll, es sei denn, es bestehen Einschränkungen gem. §§ 104 ff. BGB. Die wichtigsten dieser Einschränkungen betreffen Minderjährige, die allenfalls beschränkt geschäftsfähig sein können.
133So ist nach § 104 BGB geschäftsunfähig, wer noch nicht sieben Jahre alt ist oder sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern dieser Zustand nicht seiner Natur nach ein vorübergehender ist (z. B. bei fortgeschrittener Demenz, IQ unter 60). Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig, das heißt, von vornherein gegenstandslos, § 105 Abs. 1 BGB. 25Das Gleiche gilt für eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder lediglich vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird, § 105 Abs. 2 BGB, so bei Vollrausch oder unter Drogeneinfluss.
134Komplizierter ist es bei der Gruppe der Sieben- bis 17-jährigen, die gem. § 106 i. V. m. § 2 BGB in der Geschäftsfähigkeit beschränktsind.
135Ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, i. d. R. also der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, darf der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige nur Willenserklärungen abgeben, durch die er lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt. Das ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 107 BGB. Einwilligung bedeutet dabei die im Vorhinein erteilte Zustimmung zu der beabsichtigten Erklärung.
Lediglich rechtlich vorteilhaftist z. B. die Annahme einer Schenkung, der Erwerb von Rechten durch oder der Verzicht von Dritten auf Rechte gegenüber dem Minderjährigen. Auf einen wirtschaftlichen Vorteil kommt es dagegen nicht an. Deshalb ist der Kauf eines Autos mit einem Verkehrswert von 5.000 € zum Preis von 1.000 € eben nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, weil der Minderjährige damit seinerseits eine rechtliche Verpflichtung eingeht.
136Wenn der beschränkt Geschäftsfähige ohne eine Einwilligung einen Vertrag abschließt, der für ihn nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, dann ist dieser gem. § 108 Abs. 1 BGB zunächst schwebend unwirksam. Der gesetzliche Vertreter kann aber im Nachhinein zustimmen. Macht er dies, dann wird der Vertrag wirksam.
137Der Geschäftsgegner, der klare Verhältnisse will, kann den gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen nach § 108 Abs. 2 BGB zur Erklärung über die Genehmigungauffordern. In diesem Fall kann die Genehmigung nur ihm gegenüber und nur innerhalb von zwei Wochen erklärt werden; andernfalls gilt sie als verweigert und das Rechtsgeschäft ist unwirksam.
138Von der Bestimmung des § 107 BGB, nach welcher der beschränkt Geschäftsfähige allein nur Rechtsgeschäfte abschließen darf, die für ihn lediglich rechtlich vorteilhaft sind, gibt es drei Ausnahmen: die erste betrifft den sog. Taschengeldparagraphen (§ 110 BGB), die zweite den selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts (§ 112 BGB) und die dritte Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisse (§ 113 BGB).
139Nach § 110 BGBgilt ein von dem beschränkt Geschäftsfähigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsgemäße Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung von seinem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.
140Wichtig ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass der Minderjährige eigene Gelder nicht am gesetzlichen Vertreter vorbeinach eigenem Gutdünken verwenden kann. Mittel, die ihm z. B. von den Großeltern heimlich und ohne Wissen der Eltern zugesteckt werden, fallen nicht unter § 110 BGB.
141In der Überlassung oder Zustimmung des gesetzlichen Vertreters liegt damit eine konkludent erteilte Einwilligung, so dass man § 110 BGB auch als Unterfall von § 107 BGB begreifen kann. 26Deshalb ist stets durch Auslegung zu bestimmen, ob die konkrete Verwendung von der elterlichen Einwilligung gedeckt war, was im Zweifel nur dann anzunehmen ist, wenn sich diese in einem vernünftigen Rahmen hält. Nicht von § 110 BGB dürfte damit z. B. der Kauf einer Pistole, von Pornomagazinen oder Alkohol umfasst sein. 27
142Zuletzt muss die dem Minderjährigen obliegende Leistung bereits bewirktsein. Solange sich der Minderjährige also nur zur Leistung, beispielsweise zur Zahlung eines Kaufpreises verpflichtet, diesen jedoch nicht entrichtet hat, ist das nicht der Fall, das Geschäft also weiter gem. § 108 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam. Bei einer Teilerfüllung kommt es darauf an, ob Leistung und Gegenleistung teilbar sind. Ist das der Fall, wie etwa bei einem Miet- oder Mobilfunkvertrag, wird der Vertrag infolge der Zahlung jeweils für den entsprechenden Zeitraum wirksam. Andernfalls, z. B. bei einem Kredit- oder Ratenzahlungsgeschäft, bei dem noch nicht alle Raten beglichen wurden, ist § 110 unanwendbar. 28Auch bei einer Teilbarkeit bleibt es für künftige Zeiträume dabei, dass das Geschäft schwebend unwirksam ist, so dass der gesetzliche Vertreter die Genehmigung verweigern und den Minderjährigen ungeachtet etwaiger Kündigungsfristen aus dem Vertrag lösen kann.
Читать дальше