„Alle lebendigen Prozesse im Körper beruhen auf dem Transport von Ladungen, um damit Energie zu leiten und Leben zu erhalten. Die gesamte wässrige Matrix unseres Körpers ist mit komplexen ladungsgekoppelten Feldern verbunden, die ungefähr 60 Pulsationen elektromagnetischer Energie von unserem schlagenden Herzen pro Minute erhält. […] Jede Zelle des Körpers befindet sich in direktem elektromagnetischen Kontakt mit dem torusförmigen magnetischen Feld des Herzens.“
Maret erläutert bezüglich des kontrollierend vereinigenden Einflusses des Wassers, dass dies die auf die gesamte Bindegewebsmatrix, das größte Organ des Körpers, übertragbar sei. Wie wir später noch sehen werden, ist die Rolle der Matrix als Mediator bioelektrischer und biochemischer Information von allerhöchster Bedeutung. Dies beschrieben auch Alfred Pischinger, Robert Becker51 und Szent-Györgyi in ihren Arbeiten. Des Weiteren vereinigt dies auf wunderbare Weise das Konzept tensegrischer und piezoelektrischer Eigenschaften52 (im Zusammenspiel von Kollagen und Wasser) mit dem osteopathischen Konzept von Struktur-Funktion. In diesem Zusammenhang spielt der ausgezeichnete und unschätzbare Beitrag von Donald Ingbers (mit seinem Modell der Mechanotransduktion53) für die Struktur-Funktions-Zusammenhänge in unserem Verständnis eine zentrale Rolle. Außerdem ist es das Wasser, welches den ‚lebendigen’ Proteinen im Körper ihre Halbleitereigenschaften verschafft. Dieser Behauptung von Szent-Györgyi wurde von Kritikern fälschlicherweise widersprochen, denn sie hatten bei ihren Proben ausschließlich ‚tote’, d. h. dehydrierte Proteine entnommen. Verbunden mit Glen Reins Behauptung54, dass „ […] gewisse Biomoleküle als Supraleiter fungieren und biologische Systeme im Allgemeinen nicht lokale, sondern globale Eigenschaften aufweisen, welche ihre Fähigkeiten stets auf Quantenebene demonstrieren.“ (Del Guidice et al. 1989, Popp & Chang 1979) ist dies sehr interessant. Nach seiner Ausführung wurde der Wahrscheinlichkeit, dass dieses Verhalten auf endogene Quantenfelder innerhalb biologischer Systeme zurückzuführen ist, bisher kaum Beachtung geschenkt, Felder also, die ihrerseits einen Einfluss auf die endogenen elektromagnetischen Felder der Körpers haben.
Spinale Mobilität
Im nächsten Kapitel werden wir uns den wichtigen Bereich der spinalen Mobilität genauer anschauen. Denn kein osteopathischer Überblick ist vollständig ohne die Erwähnung dessen, was im Zentrum des osteopathischen Denkens steht.
Anomale spinale Mobilität wurde zum Prüfstein der palpatorischen Diagnostik in der Osteopathie (neben anderen manipulativen Behandlungssystemen). Nahezu alle Schulen und Richtungen osteopathischer Lehren erkennen die Bedeutsamkeit einer veränderten Physiologie an, die eine Restriktion oder Bewegungsanomalie der Wirbelsäule, einschließlich der diese begleitenden Veränderungen in den Muskeln und Ligamenten, mit sich bringt. Die veraltete Theorie der vertebralen osteopathischen Läsion sowie jener fehlpositionierter Wirbel, die Druck auf die Nerven ausüben und physiologische Reaktionen bewirken, kann man eigentlich nur in zwei Fällen bestätigen: erstens im Fall einer echten positionellen Läsion, die vornehmlich als Folge eines physikalischen Traumas auftritt und fast stets nur in den atypischen spinalen Regionen (den oberen zervikalen und den lumbosakralen Gelenken) vorkommt; und zweitens, in Fällen einer massiven spinalen Pathologie, entweder traumatisch, angeboren oder degenerativ. Die meisten spinalen Läsionen, zu deren Behandlung wir aufgefordert werden, sind anomale Bewegungen und deren begleitende Irritationen. Letzteres ist von erheblicher Bedeutung und wesentlicher Bestandteil der physiologischen Geschichte der Läsion in all ihrer Komplexität, bezüglich dessen, was sie aufrechterhält und was sie verursacht hat.
Irvin Korr 55
Das Verständnis der Mechanismen einer Läsion wurde vor allem von Professor Irvin Korr in den 1940 ern und 1950 ern vorangebracht. Gemeinsam mit Dr. J. S. Denslow und anderen erforschte und erweiterte er unser Wissen auf beiden wesentlichen Gebieten des osteopathischen Ansatz. Ein Bemühen, welches er über einen Zeitraum von 30 Jahren entwickelte und erweiterte. Für Osteopathen ist es hilfreich die Ansicht der Läsion als Ursache für Druck zu ersetzen durch jene Vorstellung, die ihren Fokus auf einen Anstieg der physiologischen Sensibilität oder Irritabilität setzt. Damit ist ein veränderter physiologischer Zustand gemeint, der möglicherweise eine Überstimulierung der dazugehörigen neurologischen Leitungsbahn hervorruft; ein Phänomen, das als erhöhte Fazilitation bekannt ist. Darüber hinaus beschrieb Korr detailliert die Art und Weise, mit der diese erhöhte Irritabilität alle dazugehörigen Nerven und deren inervierte Gewebe, ob Muskeln, Blutgefäße oder Viszera, via autonomer Leitungsbahnen über somato-viszerale oder viszero-somatische Reflexe beeinflusse. Dieser neue Ansatz passte wunderbar zu Littlejohns Ansatz, bei dem die Betonung physiologischer Effekte struktureller Fehlfunktionen von größter Bedeutung ist. Der rein mechanistische Blick auf spinale Funktionen wurde dadurch überholt und auf neurophysiologische und biochemische Phänomene ausgeweitet. Des Weiteren wurde gezeigt, dass neurologische Prozesse, die zu einer Dysfunktion führen können, selbst multi-direktional in ihrer Abhängigkeit oder Unabhängigkeit gegenüber Impulsen sind. Hier spielen beispielsweise Prozesse, die von der Leitungsfähigkeit der Nervenimpulse bestimmt werden, das Phänomen des axonalen Transports und die Verteilung axonaler Proteine in Bezug auf die Versorgung viszeraler oder muskuloskelettaler Gewebe eine Rolle.56
Die Mechanismen, durch die eine Läsion erzeugt und unterhalten wird, wurden von Korr in seinen Arbeiten über Propriozeption und die Rolle der Muskeln und Sehnenrezeptoren ebenfalls ausgearbeitet. Hier zeigt er die Folgen einer Bombardierung von Rückenmarkssegmenten durch ‚inkompatible’ Daten aus Gelenken, Muskeln und Sehnenrezeptoren.57 Zusammen mit Richard Van Buskirks Schriften über die Rolle der Nozizeptoren58 kam es dadurch zu einem besseren Verständnis der Läsion und ihren Auswirkungen. Die Ziele einer manipulativen Behandlung (egal welcher Art) wurden damit verständlicher.
Wie bereits im Kapitel Wechselwirkungen beschrieben, kann die Bedeutung der Einheit der Körperfunktion niemals genug betont werden. Die neuromuskuläre Information, die durch eine Läsionsstellung erzeugt wird (und auf die ich mich beziehe), schafft und unterhält aufgrund der vielen Mechanismen von Kompensation, Synergie und Adaptation eine allgemeine Veränderung auch im Muster der muskuloskelettalen Funktionen. Der somatische dysfunktionale Zustand erscheint dann in unterschiedlichen strukturellen Ausprägungen, aus deren Bestandteilen entsprechend der diagnostischen Systeme oder Vorgehensweisen eine Auswahl getroffen wird. Dies ist jedoch nur die halbe Geschichte, denn das alles lebendige Gewebe durchdringende komplexe Netz bioelektrischer Signale hängt zudem von der Funktion der Bindegewebsmatrix ab, in die es eingebettet ist und die sowohl für die Körperfunktionen, aber auch innerhalb der osteopathischen Theorie eine überragende Rolle spielt. Dieser Aspekt verbindet alle strukturellen Muster. Aber erst aus dem Verständnis beider Aspekte erschließt sich die umfassende Bedeutung der Matrix an sich und die Möglichkeit diese therapeutisch zu nutzen, so wie dies beim kranialen Ansatz der Fall ist.
Die Bindegewebsmatrix
Was genau ist eigentlich Bindegewebe? Zunächst ist es eine Gewebeart, die man in viele weitere Untergruppen oder Kategorien aufteilen kann, wobei so gut wie jeder Teil, den wir als Körperstruktur oder Rahmen bezeichnen, darin enthalten ist: Knochen, Knorpel, Membranen, Sehnen, Ligamente, Fasern, Zellen etc., und sogar die Grundsubstanz, die wir mit der extrazellulären Matrix in Verbindung bringen. Reich an Kollagenen und Wassermolekülen ist es mit vielen außergewöhnlichen Eigenschaften ausstattet, welche durch die Arbeiten des Physiologen Albert Szent-Györgyi, der Ärzte Dr. Herbert Fröhlich und Dr. Alfred Pischinger, neben vielen anderen, beschrieben wurden. All diese Arbeiten spielen in der Erforschung des osteopathischen Konzepts immer wieder eine Rolle und viele dieser Charakteristika zeigen beispielhaft, was Szent-Györgyi als ein Versäumnis der biologischen Naturwissenschaft betrachtet: die bioelektrische Halbleiter-Eigenschaften des lebendigen Gewebes (in erster Linie Kollagene und Wasser), seine piezoelektrischen Eigenschaften und seine Rolle als schnelles Kommunikationssystem, das das neuronale und das zirkulatorische System ergänzt. Er behauptet, dass Proteine Halbleiter seien, die folglich reguliert werden könnten, um damit die Steuerung des Elektronenflusses zu beeinflussen. In der Tat ist dies eine Eigenschaft, die von sämtlichen Molekülen der extrazellulären Matrix geteilt wird.
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