Klaus Henning - Die Kunst der kleinen Lösung

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Dieses Buch ermutigt Menschen in Unternehmen, die sie umgebende Komplexität und Dynamik zu meistern. In kurzen Geschichten entdeckt der Leser die Kunst der kleinen Lösung, die am wirksamsten ist. Im Mittelpunkt steht einzig der Weg zur effektivsten Lösung.
Klaus Henning weiß, warum. Er blickt auf ein jahrzehntelanges Erfahrungswissen zurück. Immer war er Wanderer zwischen Politik, Wirtschaft und Universität: als Ingenieur, Hochschullehrer und Hochschulstratege, als Unternehmensberater, Regierungsberater oder
als gleichzeitiger «Katholik und Protestant».
18 kleine Geschichten mit großem Aha-Effekt: zum Beispiel wie man es geschafft hat, in einem Krankenhaus die Mahlzeiten warm zum Patienten zu bringen und dabei 300.000 Euro IT-Kosten gespart hat.

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Klaus Henning

DIE KUNST DER KLEINEN LÖSUNG

Wie Menschen und Unternehmen die Komplexität meistern

Inhalt

I. WANDERN ZWISCHEN DEN WELTEN

II. WEGE ZU KLEINEN LÖSUNGEN

1. »DAS ESSEN IST KALT!« Wie durch eine kleine Lösung bei der Essensversorgung 300 000 Euro IT-Kosten eingespart werden konnten

2. DIE RICHTIGE MUTTER Wie die Suche nach einem Ersatzteil zeigt, worauf es ankommt: auf Logistik, auf Details – und auf einen klaren Blick im Chaos

3. LASS SIE SCHLAFEN, DEN KAMPF GEWINNEN WIR NICHT Wie müde Schreiner die Umstrukturierung einer Leitstelle behindern und warum sie trotzdem ausschlafen sollen

4. KEINE GROSSEN WORTE Wer sich bemüht, einen Fehler einzugestehen, ist auf dem besten Weg weiterzukommen

5. ECHTE LIEBE ODER DETAILVERLIEBT? Wie ein kleines Detail ein großes System (zer)stören kann und warum echte Liebe so wichtig ist

6. WICHTIG IST, WAS ZURÜCKKOMMT Wie mit gutem Feedback selbst schwierige Veränderungsprozesse bewältigt werden – auch wenn es lange dauert, bis es funktioniert. Es kann auch gefährlich werden

7. VOLLBREMSUNG BERGAUF MIT 160 TONNEN Wenn man denkt, man hätte an alles gedacht, und am Ende fehlen zehn Zentimeter für eine Vision

8. ANSTELLE VON ZUSTÄNDIGKEITEN VERANTWORTUNG FÜR ERGEBNISSE – ABER DAS IMPROVISIEREN NICHT VERGESSEN! Warum Eiswürfel nur eine vorübergehende kleine Lösung sind

9. CHAOS AM LAUFENDEN BAND Wann man Komplexität und Dynamik erhöhen kann, damit die Produktivität am Fließband gesteigert wird

10. VON MOLOTOWCOCKTAILS ZUR SELBSTBEWUSSTEN FABRIK Wie in einem hitzigen Arbeitskampf Vertrauen wiedergewonnen wurde. Und wie wenige Worte fast alles zerstören können. Und wie man exzellente Liefertreue erreicht

11. AB MORGEN GIBT ES NUR NOCH BACHELOR UND MASTER Wer sich in Verbänden für neue Ideen engagiert, weiß, dass die kleine Lösung oft ein Kompromiss ist

12. AUF EINEN KAFFEE MIT DER WITWE Warum 1000 Schritte besser sind als ein Big Bang – und warum einem nicht immer alles gelingt

13. 213 KLEINE LÖSUNGEN Wie die Kanzlerin in die Zukunft blickte und warum es manchmal besser ist, bescheiden zu bleiben

14. »ICH HABE IHNEN NICHTS MEHR ZU SAGEN!« Warum eine Abreise zum richtigen Zeitpunkt eine gute Beratung sein kann

15. »DAS MUSS ICH JETZT MAL IN ORDNUNG BRINGEN« Mein Freund Albert ist immer geradeaus gegangen. Für ihn gab es keine Probleme. Für ihn gab es Lösungen. Bis zum Schluss

III. WIE ALLES ZUSAMMENHÄNGT Komplexität meistern ist wie die Ausbildung zum Meister – nichts ersetzt die eigenen Erlebnisse und die gemachten Erfahrungen, aus denen man lernt. Meister wird man durch Erfahrung – nicht durch ein Uni-Studium

Nachwort

Über der Autor

Impressum

Dank

Herzlichen Dank für alle, die mir geholfen haben,

dass dieses Buch entstanden ist.

Renate Henning, Christoph Schlegel, Sebastian Kutscha,

Giuseppe Strina, Günther Refle und viele andere Freunde und

Freundinnen waren dabei treue Wegbegleiter. Allen, die mir ermöglicht

haben ihre Geschichte zu erzählen danke ich ganz besonders.

Orte, Namen und Daten sind zum Teil verändert.

Die Kunst der kleinen Lösung hat mir auch geholfen,

mich selber besser zu verstehen. Und diejenigen,

mit denen ich zusammenarbeiten durfte.

I. WANDERN ZWISCHEN DEN WELTEN

Handschuhe brauche ich nicht

In 2800 Metern Höhe beginnt es kritisch zu werden. So war es auch an diesem Spätsommertag. Wir befanden uns weit oberhalb der Baumgrenze, in den Schweizer Alpen. Wir waren eine kleine Gruppe, drei Männer. Zwei Geschäftspartner und ich. Wir wollten auf eine Hütte steigen, diese lag bei knapp 3000 Metern. Am Morgen war es recht kühl und daher empfehlenswert, Handschuhe zu tragen. Der eine nahm die Handschuhe, der andere lehnte ab: »Das brauche ich nicht.« Er war sich da sehr sicher.

Wir wanderten los. Und je höher wir stiegen, desto kälter wurde es. Die Temperatur lag vielleicht noch bei ein, höchstens zwei Grad. Das kann im Sommer passieren. Im August können in den Bergen schnell 30 Zentimeter Schnee liegen. Und auf der Höhe kann es ohnehin kalt sein. Der Berg ist nicht berechenbar. Wie gesagt: Zwei trugen Handschuhe, einer nicht. »Nein, keine Handschuhe.« Schritt für Schritt stiegen wir nach oben, es war ein beschwerlicher, aber machbarer Weg. Bald ließen wir die Baumgrenze hinter uns. Schmale Serpentinen nach oben, vorbei an Felsen, an Disteln, immer weiter unserem Ziel entgegen.

Wir hatten es fast geschafft. Wir konnten die Hütte bereits sehen, eine kleine Hütte mit einer Schweizer Fahne. Plötzlich blieb er stehen, unser Kamerad ohne Handschuhe. Mitten auf dem schmalen Weg. Er rührte sich nicht mehr, ging weder vor noch zurück. Er stand da neben einem Schneefeld und blickte zu Boden. Wir sprachen ihn an. Er antwortete nicht. Er schien völlig neben der Spur zu sein. Ich ging näher zu ihm hin: »Was ist los?«

Er blickte nicht auf, sagte nur: »Ich kann nicht mehr, Klaus, ich drehe jetzt um und gehe alleine zurück.« Fast 1000 Höhenmeter Abstieg. Noch dazu war ein Gewitter im Anmarsch. »Nein, das machst du jetzt nicht!«, rief ich ihm zu. In seiner Lage wäre er keine 100 Höhenmeter weiter gekommen. Für ihn wäre der Abstieg lebensbedrohlich geworden. Das ist das Tückische an den Bergen. Plötzlich sagte er: »Klaus, ich glaube, ich habe mir die Finger erfroren.« Er hatte ja keine Handschuhe an, und die Temperatur war inzwischen unter den Nullpunkt gefallen.

Jetzt mussten wir handeln. Wir rieben seine Hände mit Schnee ab, um sie aufzuwärmen. Wir sprachen ihm gut zu, wir verwiesen auf die Hütte, die nicht mehr weit sei. »Es sind höchstens noch 10 oder 20 Minuten Fußweg, schau, da vorne«, sagte ich ihm. »Das schaffst du!« Doch er wollte nicht mehr. Er konnte nicht mehr. Wir redeten ihm zu, wir versprachen, ihn zu stützen, nahmen ihm den Rucksack ab. Und irgendwie schafften wir es, ihn zum Weitergehen zu bewegen. Wir schleppten ihn mehr, als dass er ging. Mehr als eine Stunde haben wir für den Weg gebraucht. Die Hütte hatten wir immer im Blick. Endlich waren wir oben angekommen. Er war vollkommen erschöpft. Auch an uns hatte dieser Aufstieg gezehrt.

Wir stolpern über Kleinigkeiten

In der Hütte wärmten wir uns auf, er aß eine Suppe, wir tranken etwas. Langsam kamen wir wieder zu Kräften. Es war offensichtlich, dass er an diesem Tag an eine Grenze geraten war. Er wirkte immer noch abwesend. Eigentlich ein kräftiger Mann, ein Macher, der vor nichts zurückschreckt. Aber der Berg hatte das anders gesehen. Der Berg hat ihm gezeigt, wie weit man gehen kann – und wie weit nicht. Nach unserem Hüttenaufenthalt schien er gestärkt, er konnte absteigen. Ich ging hinter ihm, ließ ihn nicht eine Sekunde aus den Augen. Schweigend gingen wir dem Tal entgegen. Unten, beim Arzt, gab es Entwarnung: Er hatte sich die Finger nicht erfroren.

Oft hat man das Große vor Augen und sieht das kleine Hindernis nicht.

Kleinigkeiten. Wir stolpern über die Kleinigkeiten. Wir haben einen prächtigen Berg im Visier – und verzichten auf Handschuhe.

Das ist nicht nur am Berg so. Das ist mir in den vergangenen Jahrzehnten zu häufig begegnet. Oft hat man das Große vor Augen und sieht nicht das kleine Hindernis.

Im Berg kann es tödlich enden. Im Alltag endet es oft im Chaos.

Die Beobachtung reicht, um ein System zu verändern

Mir ist es zur Aufgabe geworden, Wege durch das Chaos zu bahnen. Ob als Wissenschaftler, als Unternehmer und vor allem als Berater, immer stand und stehe ich vor der Frage: Wie lässt sich die Komplexität einer Situation, die Komplexität eines Systems meistern? Nicht selten hängt es an einem kleinen Detail. Ein Schraube, die neu justiert wird, ein Gespräch, das geführt werden sollte. Solche kleinen Lösungen zu finden ist nicht einfach. Es sind nicht die »Man muss doch nur …«-Lösungen. Es sind diejenigen kleinen Lösungen, die eine große Wirkung haben. Und nicht so viele unerwünschte Nebenwirkungen. Das setzt aber voraus, dass man die Komplexität und Dynamik einer Situation wahrnimmt.

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