„Du hast also einen Brief an die Regierung des großdeutschen Reiches geschrieben?“
Die Mutter, die das hörte, schlug die Hände über den Kopf zusammen. „Um Himmels Willen, was hast du da schon wieder ausgefressen?“, schluchzte sie.
„Beruhigen sie sich! Und du zeige uns doch mal euren Keller.“
Die Mutter verstand nun gar nichts mehr. Hans führte die Herren in den Keller, der wie immer unter Wasser stand und am Treppenabgang das am Geländer angebundene Floß.
„Ist das bei den Nachbarn auch so?“, wurde er gefragt.
„Natürlich“, antwortete Hans, „und nicht nur bei den Nachbarn. In allen Häusern auf der linken Straßenseite stehen die Keller im Wasser.“
„Na, da wollen wir uns das doch auch mal ansehen.“
Mit diesen Worten verabschiedeten sich die Herren, um die Nachbarhäuser aufzusuchen.
Nach 14 Tagen rückten Bagger an, um hinter den Gärten der Grundstücke einen tiefen Graben zu ziehen, in dem sich sofort Wasser sammelte. Damit wurden endlich die Keller wieder wasserfrei. Die Menschen wunderten sich, dass hier ohne viel Aufhebens Abhilfe geschaffen worden war.
Das Taschengeld und der Trick, frische Eier zu erkennen
Jeden zweiten Mittwoch brachte Hans frische Eier zu einer Rentnerfamilie in die Hauptstraße. Das waren mindestens 10 Minuten Fußweg in denen die Freunde warten mussten.
Frau Liepelt, das war die Rentnerin, holte sich schon seit zwei Jahren frische Eier von seiner Mutter. So langsam wurde sie aber älter und der Weg in die Siedlung wurde für sie immer beschwerlicher. Sie fragte, ob Hans nicht jeden zweiten Mittwoch ihr die Eier bringen könnte, so wie sie bisher auch immer mittwochs die Eier geholt hatte.
Natürlich konnte Hans und das war nicht sein Schade. Das frische Ei kostete 9 Reichspfennige, er brachte jedes Mal 10 Eier und bekam dafür 1 Reichsmark. Er hatte also 10 Pfennige Verdienst als regelmäßige Einnahme, die er sparte. In einem Jahr hatte er so 2 Reichsmark und 40 Pfennige gespart, worauf er recht Stolz war.
Die Eier mussten aber frisch sein und waren auch höchstens zwei Tage alt.
„Woher konntet ihr das denn wissen, wie alt die Eier sind?“, konnte sich Paul nicht verkneifen zu fragen. „Meine Mutter hatte im Konsum eine ganze Stiege Eier gekauft und als sie zum Frühstück gekocht werden sollten, rochen alle schon und waren schlecht.“
„Das kann dir Paul erklären“, antwortete Hans mit einem verschmitzten Lächeln. „Als unser Erfinder hat er ein Klappnest konstruiert, in das die Hühner ihre Eier legen.“
Paul erklärte nun: „Die Hühner legen die Eier in Klappnester, die ich gebaut habe. Das Klappnest ist eine Kiste vorn mit nur einem Eingang. Als Eingang dient eine Klappe, die mit einem Stöckchen hoch – also offen – gehalten wird. Wenn ein Huhn zum Legen das Nest betritt, drückt es mit seinem Körper die Klappe hoch und das Stöckchen fällt um, sobald es im Nest sitzt. Die Klappe fällt von Innen gegen eine Leiste, die als Schwelle angebracht ist. Damit ist das Nest geschlossen, die Klappe kann von der Henne nicht nach außen aufgeschoben werden – die Schwelle verhindert das – und es kann das Nest nicht verlassen. Zweimal am Tage (mittags und abends) wurden die Nester kontrolliert. Bei allen geschlossenen Nestern wurde die Klappe nach innen gedrückt und das Huhn so freigelassen. Jedes Huhn hatte am Fuß einen Ring mit einer Nummer. Bei der Räumung des Nestes wird diese Nummer notiert und auf die entnommenen Eier mit Bleistift das jeweilige Datum geschrieben. Damit war immer ersichtlich, welches Huhn wie viel und wann Eier gelegt hatte.“
Das war die Garantie dafür, dass der Kunde nur frische Eier bekam und nur legefreudige Hühner im Stall waren. Legefaule wurden aussortiert und kamen in den Kochtopf oder wurden ein schmackhafter Sonntagsbraten.
Fritz war zufrieden. „Paul der Erfinder“, murmelte er und alle mussten lachen.
In der Folgezeit waren die Vier entweder gemeinsam unterwegs, oder Hans war allein im Wald. Er hatte einen Fuchsbau entdeckt und wartete nun darauf, die jungen Füchse, deren Pfotenabdrücke er vor dem Bau schon gesehen hatte, einmal zu Gesicht zu bekommen. So verging ein weiteres Jahr ohne allzu große Aufregungen und der 14. Geburtstag von Hans nahte.
Der Vater hatte ihm zum 14. Geburtstag eine Luftbüchse versprochen.
Eine traurige Jagd und der erste Hund
Liebevoll, fast zärtlich hielt Hans sein 1. Gewehr in der Hand, eine Luftbüchse mit gezogenem Lauf, Diabolo und verstellbarer Optik. Ein brauner Nussbaumschaft vervollständigte das Bild.
Ein gutes Gewehr, lobte der Vater, halte es in Ehren. Ziele niemals auf Menschen, auch nicht auf Eichhörnchen oder Kaninchen, du würdest diese Tiere nur verletzen und sie müssten sich eventuell noch lange quälen.
Achte immer das Leben, mein Sohn, für jeden Schuss – den du nie zurücknehmen kannst – trägst du die Verantwortung.
Mit vor Aufregung klopfendem Herzen und einem Kloß in der Kehle versprach es Hans. Er freute sich unbändig und hätte vor Freude die Welt umarmen können. Sein 1. Gewehr, das er sich schon lange gewünscht hatte, hielt er nun in seinen Armen. Schnell war im Hof eine Schießscheibe aufgestellt mit der Hofmauer als Kugelfang im Hintergrund.
Beim ersten Schießen zeigte sich, dass Hans ein gutes Auge und eine ruhige Hand hatte. Fast alle Schüsse lagen im Zentrum der Scheibe. Er freute sich und brannte darauf, beim nächsten Pirschgang in den Wald sein Gewehr mitzunehmen. Der Vater durfte davon nichts wissen, denn er hatte ihn belehrt nur innerhalb der Hofmauern das Gewehr zu benutzen und dann auch nur, wenn kein anderer Mensch in der Nähe war.
Der nächste Sonntag kam und Hans wollte in den Wald. Die Mutter machte ihm wie immer ein Stullenpaket zurecht, das im Rucksack verstaut wurde. Sein neues Gewehr nahm er aus dem Schrank, schulterte den Rucksack und los ging es. Hinter der Pumpstation des Hammergrabens bog er den Weg verlassend nach rechts ab. Rechter Hand lag der Wehlenteich und links ein kleines Wäldchen. Das war „sein Revier.“ An verschwiegenem Ort kannte nur er hier einen Fuchsbau und in einer alten Eiche die Höhle eines Gelbkehlchens – eines Baummarders – hierher lenkte er seine Schritte, denn das sollte das Ziel des heutigen Pirschganges sein. Ein großer Schwarm Feldsperlinge kam mit lautem Sirren angeflogen. Unmittelbar vor ihm setzten sie sich auf die Äste von einem Gebüsch. Sie hatten sich viel zu erzählen, tschilpten wild durcheinander und bemerkten Hans nicht, der langsam näher ging. Das Jagdfieber hatte ihn erfasst. Ein uralter Instinkt des Menschen ließ ihn vor Erregung zittern: Langsam nahm er das Luftgewehr von der Schulter und steckte einen Diabolo in den Lauf. Ein dicker aufgeplusterter Spatz saß auf einem Ast direkt vor ihm. Er visierte ihn an … und schoss.
Das Tschilpen der Spatzen brach schlagartig ab und der Spatz fiel nach unten und schlug auf dem Boden mit einem leisen, aber hörbaren Plumps auf. Das alles ging sehr schnell.
Der Spatz, der eben noch aufgeregt mit den anderen schilpte und auf dem Ast saß, lag nun auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. Er nahm den toten Vogel in seine Hand und sah, dass ein kleiner Tropfen Blut am Schnabel austrat. Ein leises Zittern und Strecken des kleinen Vogelkörpers ließ ihn erschrecken. Bestürzt legte er den Vogel behutsam zurück auf das Gras.
Nein, das hatte er eigentlich nicht gewollt. Warum hatte er eigentlich geschossen? Das Jagdfieber hatte ihn gepackt, der uralte Drang, Beute zu machen bestimmte sein Handeln. Ohne zu überlegen welches Leid er der Vogelfamilie zufügen würde, hatte er geschossen. Jetzt fielen ihm die Worte des Vaters ein:
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